150 Jahre alt und kein bisschen müde

Die Evangelisch-Methodistische Kirche Windisch-Brugg gibts seit 150 Jahren. Höchste Zeit also, sie ausgiebig zu feiern! Am Sonntag ist es so weit.
Freuen sich aufs grosse Jubiläumsfest: Hauptleiterin Jungschar Seraina Bütikofer, Sozialdiakonin Anya Meyer und Pfarrer Ruedi Stähli, hier im Garten des EMK-Gebäudes am Kapellenweg 8 in Windisch. (Bild: aru)

Der Name evangelisch-methodistische Kirche (EMK) klingt etwas verstaubt. Die Mitglieder der EMK Windisch-Brugg, die ich im kircheneigenen Gebäude am Kapellenweg 8 treffe, sprühen hingegen vor Engagement. «Wir sind eine Mitmach-Kirche», sagt Ruedi Stähli in breitem Berndeutsch. Seit neun Jahren leitet der 37-Jährige die EMK – den Schritt in den Aargau hat er nie bereut. Die Zugehörigkeit zu den Methodisten hat der Bauernsohn bereits mit der Muttermilch aufgesogen. «Ich habe nie etwas anderes als die EMK gekannt und nie etwas anderes gewollt», sagt der studierte Theologe, der ursprünglich eine Lehre als Koch gemacht hat. Und er erzählt von den revoluzzerischen Anfängen «seiner» Kirche, die um 1730 herum in England entstanden ist. Damals setzte sich eine Gruppierung von Studierenden rund um die beiden Geistlichen John und Charles Wesley ab, mit dem Ziel, die anglikanische Kirche zu reformieren. Sie wollten einen Gegenpol zum kopflastigen Gelehrtentum schaffen und die Kirche wieder – ganz alltagsnah – mit Leben füllen.

Kirche will Brücken bauen
So begannen die Gebrüder Wesley und ihre Anhänger, draussen in den Arbeitervierteln zu predigen. Bei ihrem reformatorischen Gegenprogramm hielten sie sich an eine strikte Struktur. Dies brachte ihnen bei ihren Kommilitonen an der Universität Oxford den Spitznamen «Methodisten» ein. Der evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in der Schweiz gehören 112 Gemeinden mit insgesamt rund 10 000 Mitgliedern und Freunden an. Sie ist Teil der United Methodist Church (UMC) mit weltweit über 10 Millionen Mitgliedern – darunter so prominente wie George W. Bush und Hillary Clinton. Die Kirche finanziert sich über Spendengelder.

Als Mitglied der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) und der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK) sieht sich die EMK vor allem in der Funktion einer Brückenbauerin zwischen Landes- und Freikirchen. Als Brückenbauer versteht sich auch Ruedi Stähli. «Wir alle haben verschiedene Haltungen und Meinungen», sagt der Theologe, der für die rund 200 Anhänger der EMK Windisch-Brugg als Pfarrer amtet, «und suchen nach dem gemeinsamen Nenner – den wir dann pflegen.» Er schätze die Weite und die Freiheit in der EMK, schwärmt Stähli und erzählt von den Sonntagsgottesdiensten, bei denen auch Laienprediger, Moderatoren und Musiker mitwirken. Sie können ihre Beiträge auf ganz individuelle Weise gestalten – frei von einer fixen Liturgie.

Trotz aller Innovation: Für junge Menschen sind die Gottesdienste am Sonntagmorgen nicht unbedingt das richtige Angebot. Deshalb hat die EMK Windisch-Brugg ein spezielles Programm geschaffen, das auf grosse Begeisterung stösst. Es nennt sich «ExSPIRIence» und beinhaltet unter anderem das Gefäss «We love sports», bei welchem sich Bewegungsbegeisterte treffen. Vor eidgenössischen Abstimmungen sorgt das Podium «Qual der Wahl» für kontroverse Debatten, und beim «Storytelling» treffen sich junge Menschen, um «Himmelsmomente» auszutauschen und von Situationen zu erzählen, die besonders eindrücklich waren oder die sie im Leben weitergebracht haben, berichtet Sozialdiakonin Anya Meyer. «Wir wollen einander darin bestärken, ein Licht zu sein für diese Welt.» Die 29-Jährige ist in der Nähe der EMK aufgewachsen, aber erst später dazugestossen. «Ich bin in der reformierten Kirche gross geworden, habe dort aber die persönliche Beziehung zum Glauben vermisst», sagt sie. Als eine Kollegin sie zu einem Anlass der EMK mitnahm, hat sie sich sofort «zu Hause» gefühlt. «Hier akzeptiert man mich so, wie ich bin.» Nach langjährigem ehrenamtlichen Engagement in der Jungschar hat sich Meyer entschieden, die berufsbegleitende Ausbildung zur Sozialdiakonin zu machen. Heute ist die ehemalige KV-Angestellte im 60-Prozent-Pensum für die EMK Windisch-Brugg tätig.

Mit der EMK aufgewachsen ist hingegen Seraina Bütikofer. Sie zog mit vier Jahren mit ihrer Familie nach Windisch. Heute leitet die 20-Jährige die Jungschar, die nebst den wöchentlichen Angeboten zweimal jährlich ein Ferienprogramm anbietet, an dem jeweils rund vierzig Kinder teilnehmen. Seit dem Abschluss der Matura ist Bütikofer als Praktikantin für die Heilpädagogische Schule tätig. Ihre Freizeit widmet sie zu grossen Teilen der EMK. Hier schätzt sie den «Gemeinschaftsaspekt». «Ich kann mit tollen Menschen zusammen sein und im Glauben wachsen», erzählt sie.

Fragen und Diskussionen
Doch wie und was man glaubt, ist bei der EMK nicht in Stein gemeisselt. «Der kleine Zwillingsbruder des Glaubens ist der Zweifel», sagt Ruedi Stähli. Ihm sei wichtig, zu seinen Fragen und seiner Kritik an gewissen Bibelstellen zu stehen. Dies tut er auch in seinen Predigten. «Das schätzen die meisten Mitglieder sehr», weiss der Theologe. Auch für Anya Meyer und Seraina Bütikofer gehören Fragen und Diskussionen mit dazu. So geht die EMK – im Gegensatz zu vielen boomenden Freikirchen – auch mit heissen kirchlichen Themen wie Sex vor der Ehe und Homosexualität sehr offen um. «Es gibt bei uns auch homosexuell empfindende Menschen, die sich wohlfühlen», sagt Meyer. Natürlich gebe es unterschiedliche Meinungen zu diesen Themen, aber das gelte es auszuhalten. «Toleranz ist die Basis unserer Kirche», so die Sozialdiakonin. «Man kann doch nicht sagen: Wir nehmen dich an, wie du bist, aber das und das an dir ist falsch.»

Eine schwarz-weisse Sicht auf die Welt liegt auch Ruedi Stähli fern. «Wir versuchen, Richtung Offenheit zu gehen», sagt der Pfarrer. Und dies tue man, ohne beliebig zu werden im Sinne von «Wir haben uns doch alle lieb». Die Dinge zu beschönigen, entspricht dem jungen Gemeindeleiter, der in der Musikgesellschaft Eintracht Euphonium spielt, nicht. Lieber ist er ehrlich. «Verschiedene Meinungen stehen zu lassen, ist und bleibt eine Herausforderung.» Orientierung bieten dem Brückenbauer immer wieder die biblischen Geschichten von Jesus, dessen Ansichten und Taten seiner Meinung nach nichts von ihrer revoluzzerischen Kraft verloren haben. «Jesus hat vor allem diejenigen kritisiert, die ihren Glauben pharisäisch gelebt haben», erklärt Stähli, «und also wussten, was richtig und falsch ist.» Dogmen zu verkündigen, liegt dem Theologen denn auch fern. Er freut sich vielmehr, wenn seine Kirche divers, debattierfreudig und lebendig ist. «Bei uns sind alle willkommen», betonen auch Anya Meyer und Seraina Bütikofer. Und genau diesen gemeinschaftlichen Geist wollen sie am kommenden Sonntag zusammen mit der Bevölkerung feiern.