Silvan Dezini ist keiner, der Vorträge hält, einen mit komplexen Details zu Komponisten und Werken eindeckt oder gar aus dem edlen Turm der Klassik auf den Rest der Welt herunterschaut. Silvan Dezini ist einer, der zwar als Wunderkind gepriesen wurde, sich davon aber nicht beeindrucken liess und nach einer grossen Krise gut geerdet und erfrischend locker «mitten im Leben» steht.
Im Gespräch lacht der 21-jährige Spreitenbacher gern und oft – auch über seine eigenen Aussagen – und lässt sich neugierig und offen auf alle Fragen ein. Schnell wird klar: Dieser junge Musiker liebt von ganzem Herzen, was er tut. Und exakt diese Freude an der Musik, die will der hochbegabte junge Mann nun ans Publikum weitergeben. Unterstützt durch seinen Mentor, den Geiger Sebastian Bohren, der seit vielen Jahren in Brugg erfolgreich die Stretta Concerts organisiert, startet Silvan Dezini am kommenden Sonntag in der Wettinger Klosterkirche seine eigene Konzertreihe.
Solide Basis und Improvisation
Genannt hat er sie «Ostinato Konzerte». Der Begriff aus der Musik bezeichnet eine sich stetig wiederholende Bassstimme. «Ich möchte, dass meine Konzertreihe zu einer ebenso verlässlichen wie regelmässigen Basis wird», erklärt der junge Violinist. «Auf dieser kann man dann aufbauen, improvisieren und verrückte Dinge ausprobieren.» Zum Start beginnt die Reihe ganz traditionell – mit der «Kleinen Nachtmusik» von Mozart, den «Vier Jahreszeiten» von Vivaldi und dessen Trio-Sonate «La Folia». Diese Werke hat Silvan Dezini mit der Idee ausgewählt, «eine sichere Bank» zu schaffen, bei der man erstmal nichts falsch machen könne. Auch in Zukunft sollen «Werke, die alle kennen und alle schätzen», in die «Ostinato»-Reihe einfliessen. Aber nicht nur. «Mir ist wichtig, dass zum Beispiel auch moderne Schweizer Komponistinnen und Komponisten zum Zug kommen», erklärt der Musiker, der an der Hochschule der Künste Zürich studiert. «Es gibt so viel tolle Werke, die zu Unrecht am Rande stehen.»
Komponieren, das ist nebst dem Geigespielen die zweite grosse Leidenschaft von Silvan Dezini geworden. «Im Moment komponiere ich, wie halt ein Student komponiert», lacht er – und erzählt, dass ihm einfach noch der Mut fehle, sich an ein grosses Werk heranzuwagen. «Ich träume davon, dass in meiner eigenen Konzertreihe dereinst ein Stück von mir aufgeführt wird», strahlt er.
Studium und Praxis
Einen anderen Traum hat er sich mit der Wahl seiner Mitmusiker bereits erfüllt. Für «Ostinato Konzerte» hat Dezini nebst Sebastian Bohren mit dem Cellisten Solme Hong und der Cembalistin Naoko Matsumoto bekannte Namen mit ins Boot geholt. Wie schafft es der Youngster, seine älteren Kolleginnen und Kollegen zu führen? «Sie haben sehr viel Verständnis für meine Anfängerfehler», schmunzelt Silvan Dezini und berichtet, dass er sich erst ans Tempo, ans Niveau und ans spezielle Klima zwischen den gestandenen Profis gewöhnen musste. «Mit ihnen zu spielen, ist phantastisch», erzählt er. «Ich mache Erfahrungen, die im Studium nie möglich wären.» Er schätze den Wert der Praxis ungemein. «Es gibt keinen besseren Lehrer als das reale Leben», sagt er – und klingt fast etwas zu abgeklärt für sein Alter.
Kontakt zum Publikum
Erkenntnisse wie diese hat Silvan Dezini nicht zuletzt seiner Krise zu verdanken. Vor etwa zwei Jahren hat er sein Musikstudium unterbrochen. Er, dessen Familie ihn nie gepusht hat, hatte sich selbst «viel zu viel» Druck gemacht. Er nahm sich eine Auszeit – und entdeckte das Geigenspiel von einer anderen Seite. Heute begleitet ihn die Ambivalenz der Höhen und Tiefen, die er in der Musik erlebt, auf natürliche Weise. «Ich musste die Welt neu interpretieren und mich von vielen Annahmen meiner Kindheit lösen», erzählt der junge Geiger. Mittlerweile stehe er anders im Leben – «irgendwie realistischer». Ihn interessiert nicht mehr ausschliesslich die Sicht eines Musikers, er will auch die Seite des Publikums erkunden. «Meine Konzertreihe auf Kollektenbasis soll offen und niederschwellig sein», betont er. «So, dass das Publikum merkt: Da vorne spielen ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen.» Und der Traum, einmal als Solist in der Tonhalle zu spielen – und zwar auf einer Stradivari – ist er geblieben? «Absolut», sagt Silvan Dezini. Er sei aber auch einfach «unglaublich glücklich» mit seinem aktuellen Instrument, einer «Grancino» aus Mailand, «sogar noch älter als Stradivari». Zu seiner Geige habe er bereits nach einem halben Jahr eine intensive Beziehung aufgebaut, erzählt er – und fügt lachend an: «Ich spiele nicht nur viele Stunden am Tag auf ihr, ich putze sie auch zweimal täglich.»
Sonntag, 28. August, 17 Uhr
Klosterkirche Wettingen