Dem Spirit von Fantoche gerecht werden

Wer ist die neue Fantoche-Leiterin? Ivana Kvesić stellt sich mit «Ivana’s Choice» vor – einem Programm mit einigen ihrer liebsten Filmperlen.
Ivana Kvesić sieht voller Erwartung und Freude ihrer ersten Fantoche-Ausgabe entgegen. (Bild: ef)

Wann ist Baden am internationalsten? Für viele steht fest: «Wenn Fantoche stattfindet.» Jenes Festival also, das längst zu einem international renommierten Kulturereignis für Animation geworden ist. Das Staunen darüber haben selbst Insider nicht verlernt. Geschweige denn jemand wie Ivana Kvesić, die neu das in Baden beheimatete Festival leitet und die kommenden Tage mit einer Mischung aus Neugier, Spannung und Freude erwartet.  «Es beginnt zu wuseln; die Maschine beginnt zu fahren», sagt sie lächelnd.

Wie jedes Jahr belebt das Fantoche-Team das schmale, gelbe Haus vor dem Merker-Areal, das mit seiner steilen Treppe und den winzigen Räumen kaum vermuten lässt, was sich in dieser Schaltzentrale abspielt. Jedoch keine Spur von Hektik; allerorten wird dem Gast ein Lächeln geschenkt – doch diesem schwindelt, wenn er auf die Bildschirme mit den vielen Tabellen und Zahlen sowie auf die mit farbigen Zetteln beklebte Wand blickt. So sieht also eine Programmgestaltung aus.

Ein Karrieresprung
Für die 44-jährige Ivana Kvesić ist die Jubiläumsausgabe von Fantoche eine Premiere. Dies auch, weil die Festivalleiterin nicht aus der Animationsfilm-Szene kommt. In den letzten Jahren war Kvesić zum einen Co-Direktorin des grössten nationalen Jugendfilmfestivals der Schweiz (Schweizer Jugendfilmtage) und zum andern Selektionsmitglied für den internationalen Wettbewerb und das Jugendprogramm der Internationalen Kurzfilmtage Winterthur. Daneben hat sie für die Rote Fabrik in Zürich programmiert und für die Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel sowie andere Institutionen Programme kuratiert. Überdies war sie jahrelang als Projektmanagerin für diverse internationale Unternehmen tätig.

Doch nun ist sie Festivaldirektorin von Fantoche. In ihre Freude darüber mischt sich Dankbarkeit. «Das ist ein Karrieresprung, wobei ich merke, dass jetzt viele Jahre harter Arbeit Früchte tragen.» Und noch etwas freut Ivana Kvesić: «Dass mir Menschen mit Migrationshintergrund gratuliert haben.» Ein Satz, der nachdenklich macht: Mutet der Name etwa zu wenig schweizerisch an?

«Ich musste viel lernen»
Die Neugier auf die sympathische, immer wieder voller Lob auf ihr «beratendes und unterstützendes Team» verweisende Kvesić ist jedenfalls geweckt. «Ich musste viel lernen», sagt sie, «gerade im Hinblick auf die Technik. Wie wird ein Animationsfilm gemacht? Welche technischen Mittel werden dazu verwendet?» Die neue Festivaldirektorin will nicht im Vordergrund stehen. Deshalb begegnet man ihr am besten im Kino, bei «Ivana’s Choice». Dafür hat sie, die mit MTV-Musikvideos und animierten TV-Serien aufgewachsen ist, ihre filmischen Lieblingsperlen programmiert, «weil ich leider keine Rechte für die Musikvideos bekommen habe».

Filmische Brocken
Zu diesen Perlen zählt auch der animierte Dokumentarfilm «Swatted» von Ismaël Joffroy Chandoutis. Für Kvesić ist das eine beklemmende Geschichte, wie sie sich in der Realität leider durchaus ereignet. Nur so viel zum Inhalt: Die Polizei bricht die Türe auf und steht mit erhobenen Waffen vor einem ahnungslosen Online-Spieler – und die Online-Gamer im Internet schauen live zu. Swatted! Wie kommt das? Vorgängig wurde bei der Notrufzentrale ein Notruf vorgetäuscht, aufgrund dessen die Polizei zu einem anderen Menschen geschickt wurde. Ziel ist dabei der Schaden des Betroffenen. Das ist ein «Brocken», der erst einmal verdaut werden will.

Nicht nur dieser Film wird das Pub­likum wohl beschäftigen; auch viele weitere werden das – etwa beim Fokusthema «Krisen» oder dem Länderfokus «Balkan», beim nationalen und internationalen Kurzfilmwettbewerb oder bei all jenen Programminhalten, die eine Mischung aus Experiment und exzellenter Unterhaltung sind.

Ob das Publikum nach den Pandemiejahren wieder wie in früheren Zeiten in die Kinos in Baden und Wettingen strömen wird? Ivana Kvesić hofft es sehr, «aber die definitiven Zahlen können wir frühestens am Festivalsonntag abschätzen. Viel wichtiger ist mir, dass die Filme ihre Plattform bekommen. Dass die Künstlerinnen und Künstler positive Erinnerungen mitnehmen und das Publikum viele spannende Begegnungen, Entdeckungen und eine gute Zeit haben wird.» Oder auf den Punkt gebracht: «Ich möchte dem Spirit von Fantoche gerecht werden.»