«Es war kein politischer Entscheid»

Mit der Bekanntgabe der Standortwahl der Nagra ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Endlager für radioaktive Abfälle getan.
Philipp Senn, Nagra; Stefan Jordi, Bundesamt für Energie; Regierungsrat Stephan Attiger; Ueli Müller, Präsident Regionalkonferenz Jura Ost, und Gemeindeammann Patrick Zimmermann in der Dorfschüür Würenlingen. (Bild: sim)

Bereits letzte Woche war aus verschiedenen Quellen zu hören gewesen, dass sich die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) auf den Standort «Nördlich Lägern» für ihr Tiefenlager festgelegt habe. An mehreren Pressekonferenzen am Montag wurde der mit Spannung erwartete Beschluss nun offiziell bestätigt. «Es gab für uns keine Überraschung betreffend Standort des Tiefen­lagers, weil unsere eigenen Geologen zu den gleichen Schlüssen gekommen waren», erläuterte Regierungsrat Stephan Attiger vor den Medien in der Dorfschüür in Würenlingen.

Damit wird das Endlager voraussichtlich vor allem im Kanton Zürich zu liegen kommen. Lediglich die Aargauer Gemeinden Fisibach, Schneisingen und Siglistorf werden vom geplanten Standort tangiert sein. Dass die Nagra sich nun auf einen Standort festgelegt hat, den sie vor einigen Jahren noch zurückstellen wollte, sorgte verschiedentlich für Strinrunzeln (siehe Artikel unten). «Die Tatsache, dass die Nagra noch vor sieben Jahren den jetzt favorisierten Standort zurückstellen wollte, wirft einige Fragen auf», schrieb beispielsweise die SP Aargau in ihrer Medienmitteilung.

Eine Frage der Sicherheit
«Wir wurden gefragt, ob der Widerstand gegen den Standort ‹Nördlich Lägern› geringer war als andernorts», sagte Martin Neukom, Regierungsrat des voraussichtlichen Standortkantons Zürich. «Dazu kann ich sagen, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass es sich um einen politischen Entscheid handelt», so Neukom. «Hauptsächlich waren drei Gründe ausschlaggebend für unseren Entscheid», erläuterte Philipp Senn, zuständig für die Kommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit bei der Nagra. Einerseits sei dies die Qualität des Gesteins an diesem Standort. Die Opalinuston-Schicht, in welcher das Endlager dereinst gebaut werden soll, sei am Standort «Nördlich Lägern» die dichteste und undurchlässigste von allen untersuchten Standorten.

Beim Opalinuston handelt es sich um eine Gesteinsformation, die sich fast unter dem gesamten Süddeutschen Jura erstreckt und sehr wasserundurchlässig ist. Damit habe «Nördlich Lägern» die besten Voraussetzungen, um die radioaktiven Abfälle für sehr lange Zeit sicher zu lagern.

Ein weiterer Faktor, der für den Standort «Nördlich Lägern» spricht, ist die grosse Tiefe, in der sich die Opalinuston-Schicht dort befindet. Die Nagra betont, dass Oberflächeneinflüsse das Tiefenlager dadurch nicht beeinträchtigen können, wodurch die Sicherheit des Endlagers ebenfalls erhöht wird.

Zudem übertreffe die Ausdehnung der Opalinuston-Schicht am Standort «Nördlich Lägern» alle anderen untersuchten Standorte, wodurch man die grösstmögliche Flexibilität beim Bau des Tiefenlagers habe. Alles in allem biete der Standort «Nördlich Lägern» damit die grössten Sicherheitsreserven, so die Nagra.

«Zwilag» wird ausgebaut
Auch der Kanton Aargau wird für das Endlager eine bedeutende Rolle spielen. Um radioaktive Abfälle endlagern zu können, müssen die momentan in Zwischenlagern aufbewahrten Abfälle neu verpackt werden. Zu diesem Zweck will die Nagra das bestehende «Zwilag» in Würenlingen mit den benötigten neuen Verpackungsanlagen ergänzen.

In Würenlingen zeigt man sich wenig verwundert über den Vorschlag der Nagra: «Es ist keine Überraschung, dass man durch Um- und Ausbau der bestehenden Anlagen zur Verpackungsanlage kommen will», sagt Würenlingens Gemeindeammann Patrick Zimmermann. Auch Ueli Müller, Präsident der Regionalkonferenz Jura Ost, empfindet den Entscheid als «nachvollziehbar», obwohl man im Vorfeld den Wunsch geäussert hatte, die Verpackungsanlagen nicht im Kanton Aargau zu haben. Da Würenlingen vom geplanten Standort des Endlagers über zwanzig Kilometer entfernt liegt, stellt sich zudem die Frage nach dem Transport des radioaktiven Materials. Dies sei kein Problem, erläuterte Philipp Senn, schliesslich werde solches Material bereits heute regelmässig bewegt. Mit der vorläufigen Auswahl eines Standorts ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Endlager für radioaktive Abfälle getan. Noch allerdings ist nichts in trockenen Tüchern. Die Nagra macht sich nun daran, die Rahmenbewilligungsgesuche für das Jahrhundertprojekt vorzubereiten. Dies wird bis voraussichtlich 2024 dauern. Bis in der Schweiz tatsächlich radioaktive Abfälle endgelagert werden können, wird es selbst im besten Fall noch viele Jahrzehnte dauern.