Verkehrsmagnet statt Entlastungsbau

Vor 20 Jahren wurde die Siggenthaler Brücke eingeweiht.Die Hoffnung, mit ihr die Verkehrsflüsse in den Griff zu bekommen, erfüllte sich nicht.
So präsentiert sich die filigrane Bogenbrücke über die Limmat heute. (Bild: is)

Der 14. September 2002 war für die Region rund um Baden und Obersiggenthal ein besonderer Tag – der damalige kantonale Baudirektor Peter C. Beyeler gab die Siggenthaler Brücke für den Verkehr frei. Der frühere Badener Einwohnerratspräsident betonte in seiner Rede, wie wichtig das Bauwerk für den öffentlichen Verkehr sei. Bus und Postauto, die bis dahin im Stau stecken blieben, waren für die Pendler verständlicherweise keine attraktive Alternative zum Privatauto. Die Klus von Baden habe durch das starke Wachstum der Region und des Transitverkehrs nach einer zusätzlichen Achse verlangt.

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Juli 2000: Das sogenannte Lehrgerüst für den Bogen der Siggenthaler Brücke steht – die Betonarbeiten beginnen. (Bild: bkr)

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Februar 2001: Der Brückenbogen ist fertig. Die Bauarbeiter montieren Gerüste, um die Fahrbahn auf den Bogen legen zu können. (Bild: bkr)

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Nur eine Frage der Zeit
Weder rechts noch links der Limmat liess sich das Verkehrsaufkommen aus damaliger Sicht weiterhin auf den bestehenden Strassen bewältigen. Die Planer gingen davon aus, dass sich der Verkehr dank eines Vierecks aus der Siggenthaler Brücke, der Tunnelumfahrung Ennetbaden, einer verbreiterten Hochbrücke und einer mit Busspur und Mehrzweckstreifen ausgestatteten Badener Bruggerstrasse verflüssigen würde. Die Inbetriebnahme einer dritten Baregg-Röhre für die Autobahn sollte ebenso zur Verbesserung beitragen.

Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis der Verkehr im Siggenthal und rund um das Zentrum von Baden zu Spitzenzeiten wieder zum Erliegen kommen würde. Genauso, wie die dritte Gubrist-Röhre (die im Frühling 2023 in Betrieb geht) die Region Limmattal vermutlich nur für kurze Zeit entlasten wird – zu gross ist der Siedlungsdruck rund um Spreitenbach.

Apropos Verkehrsviereck. Diesen Begriff, wie auch jenen eines «Grossen Rings», verwendete bereits 1967 der damalige Chef des Badener Tiefbauamts, Gerhard Schibli. Was da im Nachgang zur innerstädtischen Verkehrssanierung (Schulhausplatz) in einem Artikel in den Neujahrsblättern von Schibli zur Bewältigung des rasant wachsenden Strassenverkehrs angedacht war, verdient das Prädikat gigantisch. Zwei Beispiele: Eine Umfahrung des Kappelerhofs ab dem Wilerloch mittels eines Tunnels bis westlich des BBC-Areals. Die Mellingerstrasse sollte auf vier Spuren ausgebaut werden, «was eine Zurücksetzung und teilweise auch den Abbruch bestehender Bauwerke bedingt».

Das Begehren eines Limmatüber­gangs zwischen Obersiggenthal und Baden – auch Teil von Schiblis «Grossem Ring» – geht auf das Jahr 1928 zurück. Der verkehrsplanerische Startschuss für die 247 Meter lange Brücke mit einer Bogenspannweite von 115 Metern fiel 1968 – bis zum Baubeginn am 13. November 1998 verstrichen allerdings weitere dreissig Jahre.

Rund 62 Millionen Franken
Die filigrane Bogenbrücke, deren Geländer kleine bronzene Vögel des Bieler Künstlers René Zäch bevölkern, kostete zusammen mit den angrenzenden Strassenbauten rund 62 Millionen Franken, die Bund und Kanton sowie die Gemeinden Baden und Obersiggenthal zu berappen hatten.

Zurück zur Verkehrsproblematik: Mit der Eröffnung des Umfahrungstunnels Ennetbaden (ursprünglich Goldwandtunnel genannt) stieg 2006 die Verkehrsfrequenz der Brücke bereits um 50 Prozent an. Mit ein Grund war die Sperrung der Schiefen Brücke – eine Massnahme, welche für eine Wiederbelebung der Bäder in Baden und Ennetbaden zwingend war. Die Bruggerstrasse vermochte den Verkehr danach nur noch dank rigoroser «Pförtnerung» im Kappelerhof und im Siggenthal zu schlucken. Im Siggen­thal stand und steht der Bus – dort, wo er keine eigene Spur hat – in den immer längeren Spitzenzeiten wieder im Stau. Die Nebenachse Freienwil – Nussbaumen (Fahrzeuge aus dem Zurzibiet und von Grenzgängern) belastet Obersiggenthal zusätzlich – deren Verkehrsmenge wird deshalb seit diesem Jahr mit einer Pförtneranlage auf dem Hertenstein dosiert.

Eine andere Annahme der Planer, der Verkehr aus dem unteren Aaretal und dem Surbtal würde sich dank Brücke und Tunnel gleichmässig auf die Achsen beidseits der Limmat verteilen, erwies sich rasch als falsch. Auch der Verkehrskreisel beim Landvogteischloss änderte daran nichts. Dafür gibt es einen konkreten Grund: Die Verbindung Limmat rechts würde nur mit einem kreuzungsfreien Knoten am Ost-Kopf der Hochbrücke als Zubringer zur Autobahn attraktiv.

Die Grüne Partei Obersiggenthal sieht keinen Anlass, zwanzig Jahre Brücke zu feiern. Im Gegenteil: «Lange Autokolonnen und eine ständig wachsende Zahl von 40-Tonnern wälzt sich durch die Gemeinde. Seit dem Bau der Brücke hat sich der Verkehr ver­doppelt – auf rund 23 000 Fahrzeuge pro Tag – und liegt damit klar über der Grenze, die noch als siedlungsverträglich gilt», schreiben die Grünen. Und sie sprechen von Glück, dass mit dem regionalen Gesamtverkehrs­konzept Ostaargau (Oase) wenigstens die Idee eines an die Brücke anschliessenden Martinsbergtunnels hin zur Autobahn sistiert wurde.

Auch SVP hat Bedenken
Wie breit die Bedenken zur Oase-Idee politisch gefächert sind, zeigt eine Anhörungsantwort der SVP Siggenthal: «Die an einem Info-Abend sowie aus weiteren vertieften Abklärungen gewonnenen Erkenntnisse können unsere Bedenken bezüglich einer zusätzlich entstehenden Attraktivitätssteigerung für die Achse Siggenthal-Station – Nussbaumen nicht mindern.»