Steigt der Steuerfuss um 3 Prozentpunkte?

Eine schwarze Null in der Rechnung 2023 lässt sich nur erreichen, wenn mit dem Budget eine Steuerfusserhöhung beschlossen wird.
Nicht nur Schulbauten (rechts eine Fassade der Bez) gilt es zu sanieren – auch das für zusätzlichen Schulraum errichtete Provisorium der Bez muss erweitert und durch Container mit einer besseren Wärmedämmung ersetzt werden. (Bild: bkr)

Vier Jahre in Folge konnte der Gemeinderat Rechnungsabschlüsse präsentieren, welche über Budget lagen – 2021 gar rund zwei Millionen Franken Überschuss. Und nun eine Steuerfusserhöhung? Markus Maibach, Vizeammann und Ressortvorsteher Finanzen: «Trotz allen Sparbemühungen kann eine Steigerung bei den gebundenen Ausgaben von rund 1,6 Millionen Franken nicht kompensiert werden.» Gebunden sind nicht beeinflussbare Ausgaben, zum Beispiel der Sozialbereich oder die Lehrerlohnanteile der Gemeinde – aber auch die Ausgaben für Energie (plus 300 000 Franken) oder dringend nötigen bau­lichen Unterhalt, welche unter der Position Sach- und Betriebsaufwand subsumiert sind. «Hier gibt es eine happige Kostensteigerung um mehr als 900 000 Franken», sagt Maibach.

Im Vergleich tiefe Lohnkosten
Im Personalbereich ist in kritischen und derzeit unterdotierten Bereichen wie Bau und Planung oder Schulinformatik eine Aufstockung von insgesamt 250 Stellenprozente nötig. Nach Lohn-Nullrunden beantragt die Personalkommission angesichts der Teuerung für 2023 eine Erhöhung der Besoldungen um zwei Prozent. Diese beiden Positionen schlagen sich im Budget mit zusätzlichen 760 000 Franken nieder. In diesem Zusammenhang: Wie teuer ist Wettingens Verwaltung im Vergleich? Martin Frey, Leiter Finanzen, hat Zahlen. In Wettingen entstehen pro Kopf der Bevölkerung Lohnkosten von 400 Franken, in Baden 850 und in Aarau 700.

Die im Frühling vom Stimmvolk beschlossene kantonale Steuergesetz­revision bringt Wettingen Mindereinnahmen von 1,5 Millionen Franken, was exakt der geplanten Steuerfusserhöhung um drei Prozentpunkte entspricht. «Ohne die Er­höhung», betont Maibach, «können wir den gesetzlich vorgegebenen mittelfristigen Budgetausgleich nicht bewerkstelligen.»

Was mit der aktuell anstehenden Steuerfusserhöhung nicht gelöst wird, ist Wettingens Schuldenproblem. Bis Ende 2023 steigen die der Gemeinde gewährten Darlehen auf 117 Millionen Franken an. Das sind 5460 Franken pro Einwohnerin und Einwohner – was sehr viel ist. Für 2023 sind Investitionen, teilweise bereits beschlossene wie die Sanierung der Unteren Landstrasse, mit einer Summe von 11,6 Millionen Franken, geplant. Nur 50 Prozent davon können aus eigenen Mitteln (Selbstfinanzierung) bestritten werden, womit zusätzliche Schulden von 5,8 Millionen Franken entstehen.

Bez wird zum Primarschulhaus
Dass dies noch längst nicht das Ende der Fahnenstange ist, zeigt die unter Federführung von Gemeindeammann Roland Kuster durch eine Kommission ausgearbeitete Masterplanung Schulrauminfrastruktur. Ausgangspunkt ist das Bevölkerungswachstum der prosperierenden Gemeinde, was steigende Schülerzahlen zur Folge hat – insbesondere an der Wettinger Bezirksschule, welche auch von Schülerinnen und Schülern aus Neuenhof und Würenlos besucht wird. Hinzu kommen die Anforderungen des Lehrplans 21 an die Ausstattung und Konfiguration der Schulbauten. Den ablehnenden Entscheid des Einwohnerrats zu einer Erweiterung der Bez habe der Gemeinderat zum Anlass genommen, die Schulraumsituation in einer Gesamtschau zu betrachten und in einem Masterplan aufzuzeigen, welche baulichen Strukturen bis 2040 realisiert werden müssen – und was diese für Kostenfolgen haben.

Die Kommission, bestehend aus Mitgliedern aller Einwohnerratsfraktionen, des Gemeinderats und Vertreterinnen und Vertretern von Schule und Verwaltung, analysierte die Potenziale sämtlicher bestehenden Schulareale sowie möglicher Neubaustandorte. Als beste Variante kris­tallisierte sich der Neubau eines Oberstufenzentrums (Bezirksschule gemeinsam mit Sekundar- und Realschule) im Gebiet Margeläcker/Zirkuswiese heraus. Die heutige Bezirksschule würde in ein Primarschulhaus umgewandelt.

Als Zeithorizont sieht man das Jahr 2030 und an Kosten rund 200 Millionen Franken. Von diesen sollen drei Viertel für das Oberstufenzentrum sowie Neubauten und Anpassungen auf anderen Schularealen verwendet werden. 50 Millionen sind für Sanierungsarbeiten an bestehenden Schulbauten vorgesehen. Wie soll der grosse Geldbedarf «gestemmt» werden? Finanzvorstand Markus Maibach skizziert die Idee einer «objektgebundenen Steuerfussanpassung». Eine solche kannte der Kanton einst im Zusammenhang mit seinen Spitälern. In Wettingen dürfte es um sieben Prozentpunkte zusätzliche Steuern gehen.

Provisorium in guter Qualität
Da es nicht zu einer Erweiterung der Bezirksschule kommt, hat das aus gemieteten Containern bestehende Provisorium für zusätzlichen Schulraum längeren Bestand als geplant. Laut Gemeinderat Martin Egloff (zuständig für den Bereich Hochbau) sind die Container nicht für eine lange Nutzungsdauer ausgelegt – «die Gebäudehüllendämmung und die Anordnung der Räume sind dürftig». Für 5,2 Millionen Franken soll deshalb ein Provisorium «in guter Qualität» entstehen und den Schulraumbedarf bis zum Jahr 2030 decken. Gemeinderat und Schulvorstand Sandro Sozzi sieht sogar eine längere Nutzungsdauer, da ja im Anschluss an den Bau des Oberstufenzentrums Umbauten und Sanierungen anderer Schulbauten anstehen, deren Klassen einen Ausweichstandort benötigen. Über Projekt und Kredit wird der Einwohnerrat am 19. Oktober entscheiden. Sagt er ja, kommt es am 27. November 2022 zu einer abschliessenden Volksabstimmung.