«En schöne Tag!»

Als Poschtichauffeur nimmt Roger Basler täglich am Leben seiner Fahrgäste teil. Die Landschaft erlebt er dabei immer wieder anders.
«Im Mittelpunkt steht die Dienstleistung»: Chauffeur Roger Basler freut sich auf die Fahrgäste. (Bild: CD)

Mit einem kräftigen, lang gezogenen Schnaufen öffnet sich die pneumatisch angetriebene Postautotür. An diesem hellblau strahlenden Morgen ist Chauffeur Roger Basler (50) auf der Buslinie 372 im Einsatz, die ab Bahnhof Brugg nach Bözberg hinaufführt und bei der berühmten Linner Linde wendet. 

Das Lokalkolorit, in dem der Postautofahrer freundlich grüsst, verrät seine Herkunft; hier spricht eindeutig ein Bündner. Als der Bus auf der Casinobrücke vor der roten Ampel wartet, gibt der Chauffeur seinen Fahrgästen eine kurze Wettervorhersage für den Tag durch – ergänzt mit ein paar nonchalanten Bemerkungen. 

«Ich hatte das Glück, oben in Chur aufzuwachsen»
Anders als sein Dialekt es vermuten lässt, ist Roger Baslers Geburtsort jedoch Aarau. Als er ein Jahr alt war, zogen seine Eltern nach Chur um. «Ich hatte das Glück, oben in Chur aufzuwachsen. Es ist phantastisch dort», blickt er auf seine glückliche Kindheit zurück. Schon als Bub faszinierten ihn Fahrzeuge aller Art. Und er erinnert sich, wie er als Erstklässler mit dem Churer Stadtbus am Mittwochnachmittag zum Skifahren fuhr. Oder mit dem Postauto auf Schulreise. «Es war immer etwas ganz Spezielles, in einen Postbus einzusteigen», erzählt Basler. Diese Faszination beobachte er bis heute an seinen kleinen Fahrgästen. «Viele kommen nach vorne zu mir oder winken von der Strasse aus.» Präzis lenkt er sein grosses gelbes Fahrzeug bei der Abzweigung, die zum kleinen Weiler «Hafen» führt, in fast rechtem Winkel in die Strasse nach Bözberg, bevor er fröhlich mit Erzählen fortfährt: «Und ich winke natürlich zurück!»

Vor dem Postautofenster breitet sich die Landschaft in sanften Hügeln aus. «Was ich schon alles gesehen habe auf meinen Fahrten», kommt der Postautochauffeur ins Schwärmen. «Ich habe einen der schönsten Berufe der Welt!». Das ist nicht einfach leicht dahergesagt, denn Roger Basler hat   beruflich schon einige Erfahrungen gesammelt. 

Es geht um tragbare Lösungen
Nach einer Lehre als Automechaniker machte er im Militär die Unteroffizierschule als Motorfahrer. Bei der Wahl zwischen der Offizier- und der Polizeischule entschied er sich für Letztere. Es folgten zehn Berufsjahre bei der Churer Polizei. Der Job gefiel ihm, aber irgendwann sagte er sich: «Ich habe nur ein Leben, ich möchte noch etwas anderes machen.» 

Roger Basler wechselte zu einer Versicherung. Diese berufliche Veränderung führte ihn 2007 als Kundenberater zurück in seinen Geburtskanton, zunächst nach Umiken, wo er dem Gemeinderat beitrat, als die Fusion mit Brugg gerade in der Abschlussphase stand. Zwei Jahre später wurde seine politische Tätigkeit erweitert, als er nach Villnachern zog und dort zum Gemeindeammann gewählt wurde. «Mir hat das Politisieren immer gefallen», stellt der Vater zweier heute erwachsener Kinder fest. Im Kern gehe es doch darum, tragbare Lösungen zu finden, betont er. Nach vier Jahren in der Lokalpolitik und mit 100 Stellenprozenten in der Versicherung litt die Gesundheit, und Basler war gezwungen, die Notbremse zu ziehen. 

Der Fahrgast ist im Mittelpunkt
Haltestelle Bächle: Die Passhöhe Bözberg liegt hinter uns. Unterdessen hat sich das Panorama ringsum voll entfaltet und funkelt in Grün und Blau. «Ich mag es, wenn die Fahrgäste ein- und aussteigen und gehe auch auf ihre Stimmung ein», erzählt Roger Basler. Die verschiedenen Jahreszeiten und die dazugehörenden Anlässe zu erleben wie beispielsweise das Schwingfest, wo die Jodler und Trachtenfrauen einsteigen, oder jetzt die Wanderer, das gefalle ihm. «Ich habe immer wieder ein anderes Publikum, das ist schön», gerät der Buschauffeur erneut ins Schwärmen. 

Nach einer Krankheitsphase und der vollständigen Genesung war eine neue berufliche Wende in seinem Lebensbuch angesagt. Durch seinen Schwager, der damals Carfahrer bei Twerenbold war, stellte Basler fest, wie sehr ihm das «Lastwägele» gefehlt hatte. Und so begann er, als Carfahrer zu arbeiten – zunächst international, dann schweizweit. «Ich lernte wahnsinnig viele schöne Ecken in der Schweiz kennen», erzählt Basler. «Wir leben in einem unglaublichen Land!» 

Aufgrund der Pandemie standen jedoch auch die Cars still. Aber Basler kann nicht stillsitzen. Auch diesmal spielte der Schwager die Schicksalsfee und ermunterte ihn, ebenfalls zum Postautobetrieb Voegtlin Meyer zu wechseln. «Ich sagte: Was will ich nur im Kreis herumfahren?», berichtet Basler. Aber der Arbeitsalltag belehrte ihn eines Besseren: «Postautofahren ist viel mehr als hinter dem Steuer sitzen», erläutert Basler. «Die Dienstleistung steht klar im Mittelpunkt.» Das Unternehmen habe eine tolle Flotte von vierzig Bussen, die von einem Pool von insgesamt neunzig Chauffeuren gefahren werden. «Wir haben einen prima Arbeitgeber», sagt Basler. «Und da wir insgesamt vierzehn verschiedene Strecken bedienen, ist die Arbeit extrem abwechslungsreich.»

Den Plausch haben an der Fahrt
Er fahre am liebsten früh am Morgen, sagt Roger Basler. Dann nehme man die Landschaft besonders intensiv wahr, und jedes Mal erscheine sie anders. «Imposant ist beispielsweise, wenn man nach Bellikon fährt: von Heitersberg übers Reusstal her auf den Mutschellen, mit Pilatus und Rigi im Hintergrund», erzählt er. Eine Lieblingsstrecke habe er nicht. «Landschaftlich gesehen, wird der vielseitige Aargau oft unterschätzt», findet der Berufsfahrer. 

Und welche Momente sind ihm bei all seinen Fahrten besonders geblieben?  «Kürzlich hatte ich mal wieder einen phantastisch schönen Moment», erzählt er. An einem regnerischen Morgen wartete eine Frau mit Schirm an einer Haltestelle – und strahlte. Ein junger Mann, der in Baslers Bus sass, stieg aus, und die beiden schlossen sich in die Arme. «Das Paar hatte sich lange nicht gesehen», schmunzelt Basler. «Und ich durfte sie quasi zusammenbringen!» Als Buschauffeur nehme er am Leben seiner Fahrgäste teil. «Der öV ist ein integraler Bestandteil des Lebens», ist sich Basler sicher. «Die Gäste sollen den Plausch haben am Mitfahren.»

Das Poschti hält nach dem Rundkurs wieder am Bahnhof Brugg. Und beim Aussteigen ist man sicher, dass der Chauffeur selbst den Plausch hat an seinem Beruf. Ein Winken noch, dann schliesst sich schnaufend die Tür – und Roger Basler wünscht den nächsten Gästen «En schöne Tag!»