«Ich setze mich auf jedes Motorrad»

Gino Fedrizzi ist Motorradfahrlehrer. Der Villiger bringt seinen Schülern nicht nur korrektes Fahren, sondern auch Respekt bei.
Als begeisterter Motoradfahrlehrer im Einsatz: Gino Fedrizzi auf seiner Harley Davidson. (bild: ISP)

Gino Fedrizzi sieht man nicht – man hört ihn. Schon von Weitem vernimmt man das dumpfe Rattern seiner tiefgelegten Harley Davidson, Modell «Breakout». Galant und sorgfältig parkiert er das 300 Kilogramm schwere Gefährt auf einem Parkfeld. Salopp schwingt er sich vom Sattel, zieht seinen Integralhelm aus, öffnet den Reissverschluss seiner schwarzen Goretex-Motorradjacke und strahlt über das ganze Gesicht. Hätte er Haare, würde er jetzt seine Mähne schütteln. Aber Gino trägt Glatze. Trotzdem: Seine 61 Jahre sieht man ihm überhaupt nicht an. Er wirkt geradezu jugendlich.

Ein Gespür für Menschen entwickelt
«Ich mache das, was ich am liebsten tue», sagt Gino Fedrizzi überzeugt. Er sei seit 35 Jahren Fahrlehrer und könne sich keinen besseren Beruf vorstellen. Als er als junger Mann mit achtzehn Jahren selbst seine erste Autofahrstunde hatte, war es um ihn geschehen. Sein Berufswunsch war klar: Er wollte Fahrlehrer werden. Heute ist der sechsfache Vater beim Driveteam Baden als Motorradfahrlehrer tätig. Zudem arbeitet er in der Region Brugg-Baden auch selbständig als Auto- beziehungsweise Motorradfahrlehrer. «Oftmals sind die Kunden jung, und das färbt positiv ab», witzelt er. In all den Jahren als Fahrinstruktor hat er ein Gespür für Menschen entwickelt und «kann es so ziemlich mit allen». Viele Fahrschüler hätten bereits ein Basiswissen vom obligatorischen Grundkurs her. Es gehe also darum, dieses zu vertiefen und Ratschläge zu geben. «Eigentlich erteile ich keinen Fahrunterricht», betont Fedrizzi. «Ich korrigiere lediglich.» Stetes Üben gebe längerfristig Routine. Einfach mal «rasch» fahren zu lernen, sei eine schlechte Ausgangslage. Das Schweizerische Strassenverkehrsgesetzt ist klar definiert. Jeder Motorrad-Neulenker muss obligatorisch drei mal vier Stunden Grundkurs absolvieren. Fahrstunden zu nehmen, ist hingegen keine Pflicht.

Als Fahrlehrer setzt sich Gino Fedrizzi jeweils auf den Rücksitz des Motorrads des Lernenden und begleitet diesen durch den Strassenverkehr. «Ich setze mich auf jedes Motorrad und spüre sofort, wie das Fahrverhalten des Schülers ist», erzählt er. In den folgenden Stunden muss er seinen Schülerinnen und Schülern die Feinheiten beim Fahren vermitteln. Was passiert beim Bremsen mit und ohne ABS? Wie behält man die Balance, und was geht technisch ab? Um all diese Fragen kümmert sich der Fahrlehrer. In all den Jahren habe sich sehr viel verändert in diesem Segment, sagt Fedrizzi. Deshalb sei zwingend, dass er sich weiterbilde. Gerade neulich hat er einen Fortbildungskurs in «Elektro-Motorradfahren» absolviert.

Motorradfahren ist zum Lifestyle geworden
Autofahren zu lernen, das gehöre inzwischen zur Allgemeinbildung, erklärt Gino Fedrizzi. Das «Billett» müsse man einfach haben, weiss der bald siebenfache Grossvater. Wer aber Motorradfahren lerne, tue das oft aus einem gewissen Lifestyle heraus. «Man will sich etwas gönnen und verbindet das Töfffahren mit Freiheit, Abenteuer oder auch einem Hobby, dem man nachgehen möchte», so der Fahrlehrer. Im Gegensatz zum Autofahren gehe man etwas entspannter an die Sache ran. «Die ganz Angefressenen kurven auch im Winter in der Gegend rum», schmunzelt Gino Fedrizzi. Inzwischen würden sich auch Frauen vermehrt an Zweiradfahrzeuge wagen. «Ein Motorrad dient oftmals als günstige Variante eines Zweitautos – denn man ist damit um einiges mobiler unterwegs», weiss der Fahrlehrer. Man finde immer einen Parkplatz und komme somit pünktlich beim vereinbarten Termin an. 

Aktuell ist Gino Fedrizzi bereits im Jahresendspurt. Noch bis Mitte November erteilt er Motorradfahrstunden, da es zwischen Mitte November und Mitte März keine Motorradprüfungen gibt. Grundkurse gebe es nach Bedarf hingegen das ganze Jahr über, so der Fahrlehrer.

Respektvolles Fahrverhalten gefragt
«Autofahrer, die selbst Motorrad fahren, haben ein besseres Verständnis für Zweiräder und sind achtsamer», weiss Gino Fedrizzi aus Erfahrung. Das heutige Verkehrsaufkommen sei immens. Wo es früher vor- und nachmittags noch verkehrsruhigere Phasen gab, sei dies heute nicht mehr der Fall. Volle Präsenz beim Fahren sei somit unabdingbar. «Ich mag es nicht, wenn Töfffahrer in Shorts und lediglich mit einem Helm ausgestattet unterwegs sind», empört sich der Fahrlehrer. Die sei fahrlässig. «2021 waren in der Schweiz 6,3 Millionen motorisierte Strassenfahrzeuge immatrikuliert, die Motorfahrräder nicht miteingerechnet», so der in Villigen wohnhafte Motorrad-Freak. Deshalb sei zwingend, dass beim Fahren im Strassenverkehr keinerlei Defizite kompensiert würden. «Nur wenn man sich achtsam und respektvoll verhält, macht das Fahren auch wirklich Spass», ist Fedrizzi überzeugt.