Ein kleines Stück Himmel auf Erden

Seit über 130 Jahren lebt und arbeitet die Familie Geiser auf dem Lindhof. Dort, oberhalb von Windisch, lässt man die Hektik des Alltags hinter sich.
Stefanie und ihr Vater Beat Geiser bei der Apfelernte: Nur die ganz reifen Äpfel werden gepflückt. (Bild: sim)

Die Geschichte des Lindhofs in Windisch ist lang, und könnte er sprechen, hätte er wohl so manche Anekdote zu erzählen. Der Weiler lag ursprünglich im Herrschaftsgebiet des Hauses Habsburg. Ende des 14. Jahrhunderts überschrieben die Habsburger das Eigenamt – und damit auch den Lindhof – an das 1309 gegründete Kloster Königsfelden. Während sich die politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten rund um den Lindhof im Lauf der Jahrhunderte laufend änderten, war das Leben auf dem Betrieb selbst relativ beständig und ruhig. Auch die zum Hof gehörende Anbaufläche ist im Wesentlichen noch die gleiche wie vor knapp 700 Jahren.

Erklimmt man heute die Anhöhe im Süden von Windisch, auf welcher der Lindhof gelegen ist, erinnert einen allerdings nicht mehr viel an die Zeit der Anfänge. Obwohl die heute im Weiler stehenden Häuser teilweise ebenfalls schon in die Jahre gekommen sind, befinden sich dort aktuell moderne Landwirtschaftsbetriebe. Einer davon gehört der Familie Geiser, die nun schon seit über 130 Jahren und mittlerweile in der fünften Generation auf dem Lindhof Landwirtschaft betreibt und sich inzwischen auf den Obstanbau spezialisiert hat.

Äpfel jeglicher Couleur
Betritt man jetzt, im Herbst, den Hofladen der Familie Geiser, leuchten einem von den Regalen verschiedene Sorten praller, sonnengereifter Äpfel, Birnen und Zwetschgen entgegen, die kühle Luft riecht nach Baumharz und Most. «Hier bieten wir alles an, was wir selbst produzieren, und alles, was aus unseren Produkten hergestellt wird», erzählt Obstbaumeisterin Stefanie Geiser (28) nicht ohne Stolz. «Unser Fokus liegt natürlich auf den Früchten», erläutert sie und nimmt eine Apfelsorte nach der anderen aus der Auslage, um deren Vorzüge und Eigenheiten anzupreisen: «Dadurch können wir natürlich auch Sorten produzieren, die normalerweise im Grosshandel nicht zu finden sind.» Als Obstbaumeisterin weiss Stefanie Geiser bestens über alle Obstsorten Bescheid, die auf den Plantagen der Familie unter der Sonne reifen. Und sie weiss auch, dass der Geschmack ihrer Kundschaft fast genauso individuell ist wie die Obstsorten selbst: «Es gibt für jede und jeden einen ‹besten› Apfel, das ist aber nicht für alle die gleiche Sorte.»

Über 100 verschiedene Produkte
Auf dem Lindhof werden aber längst nicht nur Äpfel produziert. Nebst dem Obstanbau betreibt die Familie Geiser Ackerbau, zieht Kürbisse, bestellt jedes Jahr ein Feld mit Erdbeeren zum Selberpflücken, veredelt die Äpfel und Birnen zu Most oder lässt sie zu Schnäpsen brennen. Die 13 Bienenvölker des ehemaligen BDP-Nationalrats Bernhard Guhl sorgen auf dem Lindhof für die Bestäubung der Blütenpflanzen und liefern nebenbei Wald- und Blütenhonig. Im Herbst wird ein Grossteil des auf dem Lindhof produzierten Obsts in der hofeigenen Presse zu Süss- und anderem Most weiterverarbeitet. Das liegt nicht nur daran, dass in diesem Zeitraum die Äpfel, welche sich zum Mosten eignen, reif sind, sondern auch an den sinkenden Temperaturen. «Mosten funktioniert am besten, wenn es kühler ist», weiss Stefanie Geiser.

Neben all den ess- und trinkbaren Köstlichkeiten produziert und vertreibt die Familie zudem verschiedene Holzprodukte, denn zum Lindhof gehören auch einige Waldparzellen. «Die Forstarbeiten übernimmt hauptsächlich mein Mann Louis», so Stefanie Geiser, «er ist gelernter Förster und hat eine riesige Leidenschaft für den Wald und für Holz generell.»

Ein Meer von Apfelbäumen
Vom Hofladen der Familie Geiser führt ein Kiesweg zur Apfelplantage, in der an diesem Tag geerntet wird. Wegen der erhöhten Lage des Lindhofs hat man an klaren Tagen eine atemberaubende Rundumsicht auf die umliegenden Hügel und Wälder. Keine der Obstanlagen der Geisers ist mit Hagelnetzen, die inzwischen zur Grundausstattung von Obstplantagen gehören, abgedeckt. Das entspreche der Philosophie der Familie, erläutert Stefanie Geiser. «Dadurch sind unsere Früchte ein kleines bisschen sonnengereifter.» Fein säuberlich aufgereiht, steht am Wegesrand Apfelbaum um Apfelbaum. Hier reifen verschiedene Apfelsorten in der Sonne: Elstar, Diwa, Mariella und Rubinette, um nur einige zu nennen. Die meisten Baumreihen sind allerdings bereits abgeerntet, nur noch eine Handvoll ist schwer mit den süssen Früchten behangen. In einer dieser Reihen ist Beat Geiser (59), Betriebsleiter des Lindhofs und Vater von Stefanie, gerade dabei, die roten Früchte gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Louis (31) und seinem Bruder Viktor von Hand zu pflücken. «Wir nehmen immer nur die reifsten Früchte und lassen die Übrigen hängen», erläutert er. «Es werden ja auch nie alle Äpfel gleichzeitig reif», ergänzt seine Tochter. Nur die schönsten der reifen Äpfel schaffen es aber in den Hofverkauf. Der Grossteil der Früchte, all jene, die nicht absolut makellos sind, landet später in der Mostpresse. «Die Röte der Äpfel ist übrigens kein Indikator für deren Reife», erklärt die Obstbaumeisterin, «die kann man nur an der Grundfarbe der Äpfel ablesen.»

Über die sonnengeflutete Plantage weht ein angenehm kühler Wind, der die Blätter der Apfelbäume sanft rauschen lässt. Es ist ein sehr idyllischer Ort. Auf dem Lindhof ist man sich durchaus bewusst, dass es ein Privileg ist, an einem solchen Platz zu arbeiten. «Gibt es Leute, die nicht gerne arbeiten gehen?», fragt Beat Geiser schmunzelnd und fügt an, dass es an einem schönen Tag wohl kaum einen besseren Arbeitsplatz geben könne.

Voller Experimentierfreude
Von den Apfelplantagen gehts zurück über den Lindhof und weiter zu einigen Baumreihen am Hang, die über und über mit Zwetschgen behangen sind. Obwohl Familie Geiser mit ihren Äpfeln grossen Erfolg hat, baut sie zusätzlich viele weitere Früchte an, um das ganze Jahr hindurch frische Produkte im Hofladen anbieten zu können. Neben den etablierten Kulturen versucht sich Stefanie Geiser auch immer wieder an neuen Arten und Sorten. So läuft auf dem Lindhof gerade ein Versuch, Haselnusssträucher zu etablieren. Auch Maronibäume hat man schon zu züchten versucht. Die Experimente mit den Aprikosenbäumen, die seit 2015 laufen, waren inzwischen erfolgreich, und das Resultat kann sich sehen lassen. Genau das mache für sie den Reiz des Obstbaus aus, erzählt Stefanie Geiser, wenn man eine Obstsorte nach vielen Versuchen erfolgreich anbauen könne. Um am Ende der Saison von allen Kulturen eine Ernte einfahren zu können, braucht es grosses Fachwissen. Damit sie optimal gedeihen kann, benötigt eine Obstkultur einen geeigneten Standort, passende Böden und fachkundige, auf sie abgestimmte Pflege. Es ist aber auch eine Frage der Präferenz: «Es gibt Kulturen, die einem liegen, und solche, die man weniger mag», so Stefanie Geiser. «Mein Vater beispielsweise liebt Kartoffeln, deshalb bauen wir auch davon relativ viele an», lacht die Obstbaumeisterin.

Erfüllende Arbeitstage
Die Arbeitstage auf dem Lindhof sind während der Erntesaison lang. Den ganzen Tag über werden die Früchte eingeholt, abends wird gemostet. «Wir haben hier aber nicht das Gefühl, besonders hart zu arbeiten», erzählt Stefanie Geiser, «denn die Arbeit ist sehr abwechslungsreich.» Jeder Tag sei anders. Ausserdem wisse man die erhöhte Arbeitsbelastung während der Ernte beinahe schon zu schätzen. Insbesondere, wenn man erlebt hat, dass es nach einem Frostjahr nichts zu ernten gab. Umso glücklicher ist Familie Geiser in diesem Jahr. «Die Ernte war heuer sehr schön», strahlt Obstbaumeisterin Geiser und holt den nächsten rotwangigen Apfel vom Baum.

geiserlindhof.ch