Verkehrsaufkommen primär hausgemacht

Rund 180 Teilnehmende aus der Region beleuchteten die ak­tuelle ­Verkehrssituation und legten eine Basis für ein künftiges Gesamtverkehrskonzept.
Der Badener Stadtammann Markus Schneider im Gespräch mit Fabian Keller, Gemeindeammann von Gebenstorf, und Regierungsrat Stephan Attiger, in dessen Departement das Thema Verkehr gehört. (Bild: bkr)

Baden-Wettingen ist eine dynamische, wirtschaftlich sehr starke Region und wird – insbesondere in den Zentren – als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort überdurchschnittlich wachsen. Damit steigen auch die Ansprüche an die Mobilität: Mit dem regionalen Gesamtverkehrskonzept Ost­aargau will die kantonale Politik diese Herausforderung meistern.

Ostaargau bedeutet, dass ursprünglich auch die Region Brugg-Windisch in den Prozess eingebunden war. Dort ist man inzwischen wichtige Schritte weiter (siehe separaten Text). Das Warten für Baden-Wettingen hat sich insofern ausgezahlt, als der Regierungsrat beschlossen hat, in einem breiten und in der Mobilitätsplanung des Kantons Aargau bisher einzigartigen Partizipationsprozess die betroffenen Gemeinden – aber auch Verbän­de, Interessengruppen, Organisationen und Jugendliche – einzubeziehen. Dies geschieht in fünf Schritten in sogenannten Mobilitätskonferenzen. Die erste fand am Samstag im Trafo Baden statt.

Attiger: «Ein Mehrjahresprojekt»
Eröffnet wurde der Tag durch Regierungsrat Stephan Attiger. Er betonte vor rund 180 Teilnehmenden, dass man mit diesem Anlass «am Start zu einem Mehrjahresprojekt» stehe. Und er erinnerte daran, dass sich bisher jede Generation Gedanken zur Mobilität gemacht hat – die Massnahmen aber erst für die Kinder der heute Handelnden in vollem Umfang zum Tragen kommen werden.

Für den Start in den Prozess zeichneten Carlo Degelo, Leiter Abteilung Verkehr Kanton Aargau, und Planungsleiter Stephan Erne von der Firma Movaplan verantwortlich. Sie zeigten auf, was moderne Mobilitätsplanung ist und wie es um deren Gestaltungsspielräume bestellt ist. Vor allem aber wurde die Ist-Situation beleuchtet. In Workshops konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mitdiskutieren und ihre Sicht aufzeigen.

Dichter urbaner Raum
Eine Binsenweisheit ist der Umstand, dass in der Klus von Baden Verkehrsachsen aus allen Richtungen zusammenlaufen. Die Planung konzentriert sich deshalb auf den Perimeter Killwangen, Neuenhof, Wettingen, Baden, Ennetbaden, Obersiggenthal, Untersiggenthal, Turgi, Ehrendingen, Freienwil. Gemeinden wie Würenlingen oder Spreitenbach sowie insbesondere Birmenstorf und Gebenstorf fehlen. Das kritisierten einige Teilnehmende, welche das Planungsgebiet grösser gefasst haben möchten.

Zurück zum Ist-Zustand: Im aktuellen Perimeter leben 80 000 Menschen, und es gibt 42 000 Arbeitsplätze. Absolut dominant die Stadt Baden, in welcher sich 60 Prozent der Arbeitsplätze in der Region befinden. Das führt zu sogenanntem Binnenverkehr zwischen Wohn- und Arbeitsort. «Der regionale Durchgangsverkehr durch den gesamten Raum – also ohne Start oder Ziel in einer der zehn Gemeinden – wird zum grossen Teil auf der Bahn oder der Nationalstrasse abgewickelt», sagt Planer Erne. Ihm ist wichtig, dass man in diesem Zusammenhang und mit Blick auf künftige Planungen die Zahl der transportierten Menschen in den Fokus nimmt. Auf der Badener Mellingerstrasse transportieren pro Tag 22 100 Personen­wagen 29 900 Leute, der Bus 15 500, und per Velo sind 1200 Personen unterwegs. Auf der Landstrasse in Ehrendingen sind es 13 800 Autos mit 18 600 Personen, im ÖV 3600 und mit dem Velo 100.

Landstrasse Ehrendingen
Letztere Zahl sollte sich mit der Sanierung der Landstrasse – welche mit einer neuen Veloroute verbunden ist – verbessern, sagt Frau Gemeinde­ammann Dorothea Frei. Worüber sie sich an der Konferenz besonders gefreut hat: «Die Teilnehmenden haben gestaunt, wie gross die Verkehrsbelastung für Ehrendingen ist.» Raum für neue Strassenbauten (die Landstrasse war einst eine Umfahrung) sieht Frei nicht. Ihr Ziel ist deshalb eine Reduktion des Individualverkehrs.

In diese Richtung denkt auch der Badener Stadtammann Markus Schneider. Er hat am Anlass sehr viele gute Diskussionen erlebt und ihm ist die Feststellung wichtig, dass man erst am Anfang eines Prozesses steht. Ob es in der Klus von Baden zusätzliche Verkehrsinfrastrukturen braucht? Er möchte primär auf die Raum­planung – Verdichtung der Siedlungen und kürzere Distanzen zwischen Wohnen und Arbeiten – setzen.

Keine Zahlen zum Schwerverkehr
Wettingens Gemeindeammann Roland Kuster lobt den Anlass als gut organisiert und freut sich, dass die Betroffenen bereits zu Beginn des «ergebnisoffenen Prozesses abgeholt» wurden. «Das ist wichtig, weil nicht alle Verkehrsplanungsleute sind – oft mit den Fachbegriffen noch nichts anfangen können.» Freude hatte er an der «grossen Sachlichkeit» der Gespräche. Ebenfalls positiv überrascht ist ­Adrian Hitz. Dem Untersiggenthaler Gemeindeammann fehlen in der Analyse allerdings Zahlen zum Schwerverkehr, die nun aber erhoben werden. «Wichtig ist dabei», sagt Hitz, dass nicht nur Fahrzeuge gezählt, sondern diese mit Daten des Zolls verknüpft werden.» Die ausländischen LKW ab Waldshut durchqueren die Region ja nicht nur. «Sie beliefern auch die Unternehmen in der Region – sie bringen Sauerstoff für unsere Arbeitsplätze.»