«Das ist absolut lohnende Musik!»

Für Klaus Mertens sind die Werke von Friedrich Theodor Fröhlich «romantische Musik in ihrem besten Sinn». Am Sonntag singt er in Brugg.
Tritt am Fröhlich-Tag gemeinsam mit dem ukrainischen Pianisten Volodymyr Lawrynenko auf: Der berühmte deutsche Sänger Klaus Mertens. (Bild: zVg)

Klaus Mertens, mal ehrlich: Hatten Sie vor diesem CD-Projekt, während Ihrer langjährigen Sängerkarriere schon mal von Friedrich Theodor Fröhlich (1803–1836) gehört?
Grundsätzlich gings natürlich auch mir, wie sicherlich den allermeisten in der Musikwelt: Der Schweizer Romantiker Friedrich Theodor Fröhlich war mir nicht wirklich ein Begriff. Jedoch: Ein leibhaftiger Nachfahre dieser Familie, konkret von der Linie des Bruders, der mir sehr liebe und lange schon befreundete Architekt, grosse Musikliebhaber und so vielfältig begabte Christoph Fröhlich, erzählte mir immer wieder einmal von diesem Komponisten. Das verfehlte offenbar seine Wirkung nicht: Mein Interesse war geweckt, ich begann zu recherchieren, und kam so in Kontakt mit Barbara Vigfusson, ihrem Mann und ihren Fröhlich-Schätzen, die sie mit der von ihnen begründeten Internationalen Friedrich-Theodor-Fröhlich-Gesellschaft zum Klingen bringen.

Was war der Grund, dass Sie für dieses Projekt zugesagt haben und ins Werk von Fröhlich eingetaucht sind?
Ich wurde eingeladen, an einem Liederabend beim diesjährigen Fröhlich-Tag in Brugg zu singen. Also machten wir uns auf die Suche nach dem geeigneten Inhalt. Barbara Vigfusson schickte mir mehrere bisher ungehörte Liedzyklen dieses Komponisten zu. Die Beschäftigung hiermit steigerte mein Interesse. Friedrich Theodor Fröhlich begann vor meinem inneren Ohr konkrete Gestalt anzunehmen. Mir gefiel, was ich las. Um sicherzugehen, gab ich schon früh dem von mir vorgeschlagenen, wunderbaren ukrainischen Pianisten Volodymyr Lawrynenko ebenfalls Einblick in diese noch unbekannte Musik. Mein Fazit: Das ist sehr interessante, absolut lohnende Musik!

Mittlerweile haben Sie zwei Liedzyklen von Fröhlich einstudiert und auch aufgenommen, die CD wird am Fröhlich-Festival in Brugg vorgestellt. Wie würden Sie die Musik von Fröhlich definieren?
Es ist schwierig, so etwas wie einen Fröhlich-Stil genau zu beschreiben. Die beiden von mir ausgewählten Liederzyklen sind beispielsweise in ihrer Art sehr unterschiedlich. Es hat nochmals eine deutliche Entwicklung im Kompositionsstil stattgefunden, je nach Entstehungsort und -jahr.

Die Werke von Friedrich Theodor Fröhlich sind romantische Musik in ihrem besten Sinne, jeweils nicht wirklich vergleichbar etwa mit einem Vorbild. Der Komponist schreibt in seinem ganz eigenen Stil, wobei immer dem Klavier ein bedeutender eigener Part zukommt; stets aber gemeinsam mit der Gesangsstimme im Dienste einer perfekten, oft zu Herzen gehenden Interpretation des lyrischen Textes. Freilich: Die Bekanntschaft mit Grössen wie Mendelssohn und anderen aus seiner Berliner Zeit lässt sich auch bei Friedrich Theodor Fröhlichs Stil manchmal nicht verhehlen.

Wo lagen denn für Sie die besonderen Herausforderungen bei dieser Aufnahme?
Für den Pianisten wie für mich war es zunächst völlig unbekannte Musik, beide mussten wir uns schrittweise vortasten. Hinzu kamen die grosse räumliche Distanz zwischen unseren Wohnorten sowie unsere Kalender, die gemeinsame Treffen für Proben recht aufwendig machten. Und schliesslich: Es gestaltet sich heutzutage immer schwieriger, ein solches Projekt wie eine CD zu finanzieren … Mit sehr viel gutem Willen und grossem Einsatz aufseiten der Beteiligten wurde es schliesslich doch ermöglicht.

Die acht deutschen Canzonetten vertonen Gedichte von Goethe, Wackernagel, Uhland und von Grimmelshausen: Welche der poetischen Geschichten ist Ihnen besonders ans Herz gewachsen?
Hier sind es vor allem die wunderbaren Gedichte Goethes, die nicht ohne Grund viele Komponisten zu Höhenflügen veranlassten, für die aber auch Friedrich Theodor Fröhlich kongeniale Lösungen fand.

Sie bringen in Brugg auch die deklamatorischen Gesänge vors Publikum. Was unterscheidet sie von den Canzonetten?
Wie der Titel bereits andeutet, ging es dem Komponisten hier um besonders eindringliche Textausdeutung. Erinnern die «Canzonetten» noch eher an das romantische (Strophen-)Lied – freilich stets mit den stilistischen Eigenheiten des Friedrich Theodor Fröhlich –, so wagt er in seinem später entstandenen Zyklus die grosse Form, weist dem Klavier nochmals deutlich gesteigerte pianistische Aufgaben zu und wendet mehrfach das Stilmittel des Rezitativgesangs an. Eine überaus interessante Mischung, wie ich finde!

Was macht für Sie den Reiz aus, Werke einzustudieren, die in Vergessenheit geraten oder noch gänzlich unbekannt sind?
Immer schon reizte es mich – neben allem bedeutenden Repertoire – wertvolle, aber in Vergessenheit geratene Musik aufzuspüren und den heutigen Musikfreunden zu Gehör zu bringen.  Es ist freilich eine grosse Mühe, zugleich aber eine äusserst beglückende Aufgabe, sich auf die Spur des jeweiligen Komponisten zu begeben und nach bestem Wissen und Können diese Musik zu neuem Leben, zum Klingen zu bringen. Ein Blick in meine sehr umfangreiche Diskografie lässt erkennen, welche Bedeutung diese Pionierarbeit schon bisher in meiner Karriere hatte. Und ich kann Ihnen versichern: Nächste Projekte sind bereits in der Pipeline …

Da darf das Publikum gespannt sein. Haben Sie denn auch weitere Werke von Fröhlich im Visier?
Ich halte es auf jeden Fall für möglich, bei der Wiederentdeckung weiterer Werke dieses bedeutenden Schweizer Romantikers behilflich zu sein.

Zu Ehren des Komponisten finden in der Stadtkirche drei Konzerte statt: um 14 Uhr das Liedrezital mit Raphael Höhn (Tenor) und Shin Hwang (Klavier); um 15.30 Uhr drei Violinsonaten mit Dmitry Smirnov (Violine) und Jan Schultsz (Klavier), und um 17 Uhr zwei Liedzyklen und Klaviermusik mit Klaus Mertens (Bass-Bariton) und Volodymyr Lavrynenko (Klavier). froehlich-gesellschaft.com