Ein Ex-Banker geht durch die Hölle

Valentin Trentin wagt sich in seinem achten Buch in höllische Tiefen. Und beschert seinem Antihelden am Ende doch noch ein Happy End.
Schreibt gern heiter und böse zugleich: Autor Valentin Trentin. (Bild: zVg)

Valentin Trentin, soeben ist Ihr achtes Buch erschienen: «Pommiers Inferno». Das klingt nach einem Höllenritt. Was hat Sie in solch infernalische Tiefen geführt?
2021 feierte nicht nur die Literaturwelt «700 Jahre Dantes Comedia». Auch ich habe nach Jahrzehnten wieder einmal ein paar Sequenzen daraus gelesen. Und das, obschon dies im Canto 3 mit dem berühmten Eintrittssatz ins Inferno, sprich in die Hölle, nicht unbedingt empfohlen wird. «Lasciate ogni speranza voi ch’entrate.» (Lasst jede Hoffnung fahren, ihr, die ihr eintretet.)

Eine nicht gerade aufmunternde Lektüre haben Sie da gewählt.
Da haben Sie recht. Aber anregend, das schon. Jedenfalls habe ich mir überlegt, ob Dante Alighieris blutige und sadistische Visionen zwar allenfalls noch mittelalterliche Folterknechte oder jene des sowjetischen NKWD oder der SS berauschen konnten, heute aber moderneren und humaneren Strafmethoden weichen müssten. Ich kam zur Überzeugung: Da könnte literarisch was zu machen sein.

Mittels eines Transfers in die Neuzeit?
Ich habe dafür einen nicht mehr ganz jungen Ex-Banker und Frühpensionisten als Typus unserer Zeit erfunden: Pierre-Louis Pommier. Der kennt zwar Dantes «Divina Comedia» der Spur nach. Aber er hat sich nie vorstellen wollen, sich in sie vertiefen zu müssen. Und genau das geschieht.

Ein Banker, der in seinen Mussestunden Dante liest?
Nein, natürlich nicht. Banker verfallen eher selten der Musse. Aber das Schicksal hilft da manchmal schon weiter. Denn Pommier muss sich nach einem Autounfall im Spital gesundpflegen lassen. Zu seiner nicht geringen Überraschung begrüsst ihn, offenbar nach kurzem Koma, sein ehemaliger Gymnasiums-Kamerad, Chefarzt Prof. Dr. med. Gian-Andrea Maro. Der lädt ihn, vermutlich eher therapiewidrig, zu einem Ausflug in die gigantischen Kellergeschosse seines Krankenhauses ein. Und jetzt kommt der Moment, wo die Geschichte ins Irrationale abgleitet.

Das ist nicht gerade die Gedankenwelt, die man von Ihnen als Autor und Kolumnist gewohnt ist.
Das kann gut sein. Jedenfalls stellt Pommier im Verlauf dieser Exkursion in die Tiefe fest, dass da einiges nicht stimmen kann. Denn statt zur Wäscherei, zur Heizanlage, zu den Material- und Bettenlagern führt ihn Maro in einem Elektroboot auf einem unterirdischen Riesenschwimmbad in eine arkadische Gegend, wo sie von zwei griechischen, vorchristlichen Philosophen empfangen werden. Bei ihrer Reise treffen sie übrigens auch auf eine Figur Molières, einen Massenmörder und auf einen dauerfluchenden Schauspieler und zu guter Letzt auf eine biblische Gestalt.

Mit den biblischen Geschichten wollen Sie aber gerade aufräumen. So schreiben Sie auf Ihrer Homepage: «Dieses Buch beglückt weder fromme Dogmatiker noch konfessionell Gebundene. Weit tiefer räumt es satirisch in den Köpfen aus, was dort an christlich und unchristlich, abend- und morgenländischen Ablagerungen je eingedickt worden ist.»
Wissen Sie, Pommier vertritt da nur seinen Standpunkt, er lässt aber auch andere gelten. Das Buch ist, wie ich meine, ein Plädoyer für die Toleranz. Das schliesst aber Kritik und Skepsis nicht aus. Ich würde deshalb eher von militanter Toleranz sprechen.

Ein Trentin’sches Paradox?
Nein, vielmehr eine Art von strikter Toleranz, die mit einschliesst, dass man sogar mit Intoleranten tolerant sein kann.

Wenn wir schon bei den grossen Begriffen sind. Im dritten Teil des Buchs stellen Sie eigenen Aussagen gemäss die Frage nach der Wahrheit ins Zentrum. Gleichzeitig beginnt nach dem Höllentrip die Liebesgeschichte. Kommt jetzt die grosse Offenbarung?
Die berüchtigte Pilatus-Frage drängt sich im letzten Teil des Buches nun mal auf. Und es ist mir wichtig, eine Lanze für die Liebe zu brechen. In zeitgemässen Romanen von Leuten wie zum Beispiel Michel Houellebecq wird die Liebe nicht selten als Hölle beschrieben. Da mache ich nicht mit. Ich neige nicht zu Pessimismus und Bitterkeit. Darum lasse ich Pommier im Spital ein zweites Mal erwachen. Und dieses Mal aus einem mehrere Tage langen Koma.

Ein romantischer Neuanfang?
Ich würde das nicht unbedingt so nennen. Pommier erwacht diesmal richtig. Und stellt äusserst verwirrt fest, dass die sogenannte Realität offenbar verschiedene Spiegelungen und Facetten hat, die mehrdeutige Interpretationen zulassen. Denn eine Frau Dr. med. Johanna Schönfeld klärt ihn über den stillen Verlauf der verschlafenen und wohl auch traumreichen Tage im Spitalbett auf. Und danach beginnt eine Liebesgeschichte.

Das klingt jetzt aber schon sehr nach TV-Romanze.
Ich versichere Ihnen: Es ist eine Liebesgeschichte – voller Umwege!