Kies ist ein gefragtes Gut und deshalb ein Millionengeschäft. Als sogenannter Zuschlag wird Kies mit Zement und Wasser zu Beton verarbeitet, der für das Bauen benötigt wird. In und um Birmenstorf herum sind die Kiesvorkommen besonders gross. «Es gab Zeiten, da wurden im Dorf zehn Kiesgruben gleichzeitig ausgebeutet», sagt Patrick Zehnder. Der in Birmenstorf wohnhafte Historiker wehrt sich gemeinsam mit fünf Mitstreitern und grosser Unterstützung aus dem Dorf in der IG «Neue Kiesgrube NEIN» gegen die geplante Umzonung im Gebiet Grosszelg, bei der Kulturland umgenutzt werden soll.
54 000 zusätzliche LKW bis 2040
In der letzten Kiesgrube Niderhard – am Ortsausgang Richtung Gebenstorf – gehen die Kiesreserven bald aus. Um die Versorgung mit Wandkies im Grossraum Baden für die kommenden 20 bis 25 Jahre zu sichern, hat der Kanton bereits im Dezember 2019 einer entsprechenden Richtplananpassung zugestimmt. Sehr interessiert an der Erschliessung des Grosszelg ist die IG RMK Kies, zu der sich drei Unternehmen zusammengeschlossen haben: die Merz Baustoff AG aus Gebenstorf, die Richi AG aus Weiningen (ZH) und die Knecht Bau AG aus Brugg. Am 16. November hat nun die Birmenstorfer Bevölkerung das letzte Wort: An der Gemeindeversammlung kann sie über die Teiländerung Nutzungsplanung abstimmen.
In fünf Etappen würden im Grosszelg in den kommenden zwanzig Jahren über zwei Millionen Kubikmeter Kies abgebaut. Die IG befürchtet, dass durch die Erschliessung der neuen Kiesgrube der Schwerverkehr im staugeplagten Dorf weiter ansteigt. Bereits heute wälzt sich morgens und abends eine Verkehrskolonne durch Birmenstorf, das verkehrsgünstig in Autobahnnähe liegt. In zwanzig Jahren sollen gemäss RMK Kies weitere 800 000 Fahrten zusätzlich anfallen. «Das entspricht täglich einem zusätzlichen 32- bis 40-Tönner auf unseren Strassen», hat Patrick Zehnder ausgerechet.
Die schweren LKWs müssten ausserdem von der Fislisbacherstrasse her über den Birnen-Kreisel im Chrüz einfahren – was aufgrund ihres Gewichts nur langsam möglich ist und zusätzliche Rückstaus erzeugt. «Darunter würde die Lebensqualität in Birmenstorf noch mehr leiden», ist die IG überzeugt.
«Geld wiegt Nachteile nicht auf»
Der Schwerverkehr sei auch schlecht für die Sicherheit auf den acht Fussgängerstreifen. Betroffen sind ebenfalls die nationale Wanderwegroute vom Rebberg über Kirchstrasse und Schmitteweg zur Reuss sowie die nationale Veloroute Nummer fünf von Dättwil über die Reussbrücke.
Für den Kies würde die IG RMK die Gemeinde Birmenstorf entschädigen. Die Kiesfirmen haben eine Summe von insgesamt 3,57 Millionen Franken in Aussicht gestellt, was pro Jahr durchschnittlich 178 000 Franken entspricht. Eine daraus resultierende Steuersenkung würde pro Jahr rund 60 Franken für eine vierköpfige Familie mit durchschnittlichem Einkommen ausmachen, hat die IG berechnet.
Zudem habe die Gemeinde in den letzten Jahren stets gut gewirtschaftet und stehe finanziell gut da. Geld sei bei dieser Sache deshalb nur ein marginales Argument, entgegnet Patrick Zehnder: «Dies wiegt den Verlust der Attraktivität als Wohnort und allfälligen Wegzug guter Steuerzahler sowie Mehrverkehr, Stau, Lärm und Dreck durch die 54 000 zusätzlichen LKW-Fahrten pro Jahr nicht auf!»
Die IG RMK Kies hat in ihrem Konzept jedoch auch ökologische Ausgleichsmassnahmen geplant. Diese gingen dem Verein «Pro Natura Aargau» anfänglich zu wenig weit. Inzwischen hat sich dies jedoch geändert: «Wir konnten die Ausgestaltung des ökologischen Ausgleichs mit der IG RMK Kies klären und eine Vergleichsvereinbarung unterzeichnen», erklärt Geschäftsführer Matthias Betsche gegenüber der «Rundschau».
Pro Natura Aargau zieht Einsprache zurück
Die IG RMK Kies sei bereit, den erforderlichen ökologischen Ausgleich soweit wie möglich in der Form von Dauerbiotopen zu leisten, so Betsche weiter und kündigt an: «Pro Natura Aargau wird gestützt darauf ihre Einwendung zurückziehen.»
Derweil geht der Widerstand der IG «Neue Kiesgrube NEIN» in Birmenstorf weiter. In den vergangenen Monaten hat sie mehrere Flugblätter in der Gemeinde verteilt. Die Unterstützung sei gross, so Zehnder: «Viele Menschen im Dorf, auch namhafte Persönlichkeiten und ehemalige Gemeinderäte, helfen uns im Widerstand gegen die Pläne der IG RMK.» Auch der Gemeinde ist bewusst, dass der Kies ein heikles Thema in der Bevölkerung ist.
Am kommenden Dienstag findet deshalb ein weiterer Informationsanlass statt, an dem die Teiländerung Nutzungsplanung als einziges Thema behandelt wird. Die IG «Neue Kiesgrube NEIN» ist optimistisch, dass sie mit ihren Argumenten bei der Bevölkerung ein «Nein» bewirken kann. Denn Kies sei kein nachwachsender Rohstoff, bemerkt Patrick Zehnder und fordert: «Jetzt ist Zeit für eine Pause. Die letzte Kiesreserve soll nachfolgenden Generationen erhalten bleiben.»
Dienstag, 18. Oktober, 20 bis 21.30 Uhr
Turnhalle Träff