Die «Samariterin» von Brugg

Getrud Maurer war über dreissig Jahre im Rettungsdienst tätig und über vierzig Jahre lang Kursleiterin im Samariterverein. Das hält jung.
Gertud Maurer vor ihrem Zuhause in Altenburg. Die rüstige Rentnerin ist immer noch gerne mit dem Velo unterwegs – natürlich mit Helm. (Bild: cl)

«Als Rettungssanitäterin muss man sich immer wieder auf neue Situationen einstellen können», betont Gertrud Maurer. Denn jeder Einsatz sei anders. Fit müsse man sein, körperlich wie geistig. Zudem müsse man sich durchsetzen und klare Entscheidungen treffen können. Attribute, die man noch heute Gertrud Maurer zuschreibt. Die aufgeweckte 79-Jährige sprüht vor Energie. Wir sitzen im Wohnzimmer ihres Zuhauses im beschaulichen Altenburg-Quartier, wo sie mit ihrem Mann wohnt. Gertrud Maurer blickt zurück auf ihre langjährige Tätigkeit als Rettungssanitäterin.

Voller Einsatz im Rettungsdienst
Viele Erinnerungen aus dieser Zeit kommen ihr in den Sinn. «Als ich in den 70er-Jahren damit anfing, war der Rettungsdienst noch privat geführt und wurde später vom Bezirksspital Brugg samt Mitarbeitenden übernommen», erzählt die Seniorin, die bis 65 in diesem Beruf tätig war. Der damalige Leiter suchte ausgebildete Leute, und da Gertrud Maurer bereits als kompetente Kursleiterin im Samariterverein tätig war, packte sie diese Gelegenheit beim Schopf. Dabei erinnert sie sich etwa an einen Einsatz auf dem Bözberg. Eine Bäuerin lag am Boden. Sie war beim Kirschenernten vom Baum gefallen und hatte Schmerzen. Fragen stellen, Fakten ermitteln, Entscheidungen treffen: «Wir haben klare Vorgaben und Kompetenzen, welche einem beim Vorgehen helfen», führt sie aus. Da der Rettungswagen nicht in das steile Gelände fahren konnte, wurde die Rega alarmiert. Die Frau erholte sich wieder von ihren Verletzungen. Sie hatte Glück im Unglück, Schulter ausgekugelt, Beckenfraktur.

Nicht immer endete der Rettungseinsatz mit einem erfreulichen Ausgang für die Patientinnen und Patienten. «Ich habe gelernt, das Erlebte nach Feierabend mit meiner Uniform abzustreifen», so Maurer. «Dabei half mir auch, dass ich mich nie in ein Helfersyndrom verirrte.»

Begeistert vom Rettungsschwimmen
Ihre ersten Erfahrungen als «Samariterin» machte Gertrud Maurer in der Gärtnerei in Wettingen, wo sie ihre Lehre machte und danach weiterhin als Gärtnerin arbeitete. Sie verwaltete die Apotheke und machte kleine Wundversorgungen. Damals ahnte sie noch nichts von ihrer Karriere als Samariterin. In dieser Zeit lernte sie ihren Mann kennen. Sie heirateten und bekamen zwei Kinder. «Mit 26 war meine Familie komplett», erzählt sie weiter. Schon bald bot man ihr eine Aushilfsstelle als Gärtnerin in Brugg an. «Es war in dieser Zeit nicht üblich, dass eine Mutter arbeiten geht», führt Maurer aus. Da habe es schon ein paar Kommentare in Richtung Rabenmutter gegeben.

Doch ein junger Lehrer ermutigte sie auf diesem Weg und meinte: Nur eine zufriedene Mutter sei eine gute Mutter. Daneben liess sich Maurer als Rettungsschwimmerin ausbilden und gab Jugend-Brevet-Kurse. Dort merkte sie, wie gern sie Menschen etwas weitergibt, diese motiviert und ihnen hilft, ein Ziel zu erreichen.

Pionierin für Notfallkurse an den Schulen
So verwundert es nicht, dass Gertrud Maurer, nachdem sie Mitglied des Samaritervereins wurde, auch dort Kursleiterin wurde. «Das war aber ein langer Prozess», betont sie. Zusammen mit Richard Aschwanden übernahm sie die Kursleitung in Brugg. Vorher galt es zu «büffeln». Alles über die Notfallversorgung, bis die Profis kommen: lagern, alarmieren, betreuen und Wunden versorgen, Brüche erkennen und diese schienen, Seiltechnik, Knotenlehre – ein «Gstältli» machen – und vieles mehr. «Wir haben vor dem Spiegel das Unterrichten geübt», erzählt die langjährige «Samariterin» schmunzelnd.

Es folgten unzählige Kurse und Weiterbildungen, die auch den Zusammenhalt unter den Kursleitern förderten. «Wir gingen zusammen durch dick und dünn», resümiert Gertrud Maurer. Sie war auch eine Pionierin und erwirkte, dass die Nothelferkurse in die Schulen kamen. Darauf ist sie stolz. «Alle machten beim ersten Kurs im Langmattschulhaus mit», erzählt sie begeistert. «Es wurde ein Verkehrsunfall gestellt, der junge Lehrer filmte alles, die Schüler zeigten, was sie zuvor im Kurs gelernt hatten. Polizei und Ambulanz kamen notfallmässig daher, und Frau Holle liess es gewaltig schneien.» Diese Schüler seien sicher bald im Pensionsalter. «Ich habe viele positive Erinnerungen», sagt sie abschliessend. Noch immer ist Maurer in beratender Funktion für den Samariterverein tätig. Auch heute wird es der zweifachen Grossmutter nicht langweilig. Sie hat einen grossen Garten, wo viele Pflanzen unter ihrem grünen Daumen gedeihen. Sie ist gut vernetzt und schätzt den Austausch mit anderen Menschen. Oft sieht man sie auch auf dem Velo mit Chörbli, rotem Helm und Jacke, wenn sie zum Hasen- und Hühnerfüttern Richtung Pflegezentrum Süssbach fährt.