«Jagen ist eine Lebenseinstellung»

Am 30. Oktober bietet sich die Gelegenheit, mit Manuela Wiederkehr eine Jägerin und ihre Leidenschaft kennenzulernen – von ganz nahe!
Ist gerne in der Natur unterwegs: Jägerin Manuela Wiederkehr. (Bild: pbe)

Manuela Wiederkehr, wie kamen Sie zur Jägerei?
Auf Umwegen! Da ich beruflich den ganzen Tag mit Menschen zu tun habe, wollte ich mich in meiner freien Zeit anders orientieren. Als ich dreissig Jahre alt war, hatte ich Gelegenheit, auf einer Burg einen Falkner zu beobachten: faszinierend! Ich erkundigte mich, was für die Haltung eines Falken erforderlich ist. Da müsse man vorgängig den Jagdschein haben, hiess es. Also reichte ich ein Bewerbungsschreiben ein und absolvierte danach die zweijährige Jagd-Ausbildung. Bereits nach einem Jahr stand die Schiessprüfung an, und nach Abschluss der Ausbildung galt es, eine anspruchsvolle theoretische Prüfung zu bestehen. Ein älterer Kollege gab mir sein Credo mit auf den Weg: «Jagen ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung». Das empfinde ich genauso.

Worin besteht für Sie die Faszination der Jagd?
Das ist gewissermassen ein Hintereinander. Ganz wesentlich ist die intime Verbundenheit mit der Natur, das Wissen um die natürlichen Ansprüche und Abläufe. Draussen finde ich Ruhe, ich erlebe die Jahreszeiten, und ich kann die unterschiedlichsten Tiere beobachten. Im Weiteren hole ich mir beim Jagen das Essen auf den Tisch; die Rehschnitzel werden ja nicht in der Tiefkühltruhe des Grossverteilers generiert. Ich gebe auch zu, dass die Jagd für mich mit starken Emotionen verbunden ist. Rund um den Schuss erlebe ich immer einen richtigen Adrenalinkick.

Wo und wie üben Sie die Jagd aus?
Ich bin im Jagdrevier Wohlenschwil «zu Hause». Gemeinsam mit dem Jagdleiter besprechen wir, welche Art von Jagd wir durchführen wollen. Unser Revier hat viele Austrittsflächen; es ist nur mässig hügelig, was bedingt, dass einem allfälligen Kugelfang immer grosse Aufmerksamkeit gilt. Es gibt dort praktisch keine Wildschweine, aber viele Füchse und Rehe. Zuweilen jagen wir auch Dachse und Krähen.

Sind Sie selbst auf eine Tierart «spezialisiert»?
Das kann man so nicht sagen. Allerdings sagt mir die Fuchsjagd besonders zu. Ich habe ein Faible für die Pelze dieser Tiere. Ich ziehe sie den geschossenen Tieren sorgfältig ab und verwerte sie weiter.

Als Jägerin bewegen Sie sich in einer doch sehr männerlastigen Gesellschaft. Warum fühlen sich Frauen seltener zur Jagd hingezogen?
Obwohl die Frauenquote langsam steigt, herrscht immer noch da und dort die Meinung vor Schiessen und Jagen seien Männersache. Möglicherweise hat das mit dem Umstand zu tun, dass viele Männer bereits im Militär zum Schiessen geführt werden. Innerhalb der Jagdgesellschaft müssen sich Jägerinnen wohl mehr beweisen als ihre männlichen Kollegen. Es genügt nicht, wenn man einfach «mitgeht». Man erwartet von uns, dass wir anpacken, und zwar auch dort, wo weniger angenehme Arbeiten zu erledigen sind. Natürlich gibt es trotz allem auch heute noch Männer, deren Skepsis deutlich spürbar ist. Ich selber fühle mich aber absolut integriert.

Erlauben Sie eine kleine Provokation: Jäger haben ihr eigenes Vokabular. «Schweiss» zum Beispiel meint «Blut». Und die ganze Geschichte mit dem «letzten Bissen» – ist das alles nicht etwas gar viel Theater?
(Bedenkt längere Zeit die Antwort) Nein, ich empfinde es nicht als Theater. Ich wiederhole mich, wenn ich sage, dass die Jagd mit starken Emotionen verbunden ist. Auch in anderen Lebenssituationen evozieren starke, positiv gefühlte Emotionen eine blumige Sprache. Ausserdem erfüllt der Gebrauch der Jägersprache eine Art von Zugehörigkeit, so wie auch die Jugendsprache Zugehörigkeit vermittelt. Und schliesslich wäre noch der traditionelle Aspekt zu nennen. Ich selber sehe die Jägersprache als etwas Schönes, Blumiges.

Ein Reh zum Beispiel ist doch ein wunderschönes Lebewesen. Sie bezeichnen sich als Naturfreundin, und doch schiessen Sie Rehe und andere Tiere tot. Wie passt das zusammen?
Für mich ist das kein Widerspruch. Ich esse gern Fleisch, und wer Fleisch isst, muss das Töten von Tieren in Kauf nehmen und akzeptieren. Die Tiere, auf die ich schiesse, sollen schnell und schmerzlos sterben, und weil sie als Nahrungsmittel verwertet werden, ist es ein sinnvoller Tod. Ich würde niemals töten, nur um des Tötens willen.