Veranstaltungen des Bundesamts für Energie zum Thema Endlager für radioaktive Abfälle – aus den Kernkraftwerken, aber auch aus Medizin, Industrie und Forschung – dienen der Information. Diesen Auftrag erfüllen sie auch. Sie werden aber ebenso gern für den verbalen Schlagabtausch zwischen Gegnerinnen und Gegnern der Kernenergie und deren Befürworterinnen und Befürwortern genutzt. Sind die hier vorgebrachten Bedenken einer «besorgten Bevölkerung» tatsächlich ein Abbild der Stimmung in der Einwohnerschaft?
In Würenlingen – in Nachbarschaft zum heutigen Zwischenlager (Zwilag) – soll eine Aufbereitungs- und Verpackungsanlage entstehen, ab welcher dereinst radioaktive Abfälle in die Zürcher Gemeinde Stadel (auch «Nördlich Lägern» genannt) transportiert werden sollen. Was sagt die Bevölkerung zu den Plänen? Wen fragen? Politikerinnen und Politiker, die mutmasslich getreu ihrer Parteihaltung antworten? Oder die wenigen Passatinnen und Passanten im Dreieck Post-Gemeindehaus-Volg?
Repräsentativer ist da eine vom Ausschuss der Kantone in Auftrag gegebene Bevölkerungsbefragung. Dieser Ausschuss, bestehend aus potenziellen Standortkantonen, deren Anrainerkantone sowie dem Land Baden-Württemberg (Deutschland), war ins Auswahlverfahren der Nagra involviert. Topaktuell ist die Meinungserhebung nicht. Sie wurde 2018 durchgeführt, als die Antwort auf die Frage Jura Ost (Bözberg) und Zürich Nordost noch offen war. Befragt wurden je tausend Personen in den beiden Standortregionen.
55 Prozent Akzeptanz
Rund ein Drittel der Bevölkerung an den möglichen Standorten hat sich bei der Befragung ausdrücklich gegen ein geologisches Tiefenlager in ihrer Region ausgesprochen. Ein weiteres knappes Drittel würde ein solches zwar akzeptieren, hätte dabei aber ein ungutes Gefühl. Immerhin 55 Prozent der Befragten würden ein Tiefenlager akzeptieren – allerdings ist der Kreis der ausdrücklichen Befürwortenden mit 5 Prozent sehr klein.
Je dichter das Siedlungsgebiet, je grösser das angestrebte Siedlungswachstum und je besser die Oberflächenanlage sichtbar ist, desto negativer wurden die Standorte bewertet. Umgekehrt ist die Bewertung weniger negativ, wenn sich bereits Industrie und Gewerbe in Standortnähe befindet. Überraschend: 10 Prozent der Befragten hatten keine Ahnung von einem möglichen Tiefenlager in ihrer Umgebung.
Weiter hat die Befragung ergeben, dass Gegner und Befürworter einander nicht zuhören. Argumente für oder gegen ein Tiefenlager werden von grossen Teilen der Gegner oder Befürworter nur als solche angenommen, wenn sie der eigenen Position entsprechen.
Besser den Mund halten?
Dieses verbreitete Unverständnis schlägt sich laut Umfrageauswertung auch im sozialen Miteinander nieder: 12 Prozent der Bevölkerung hatten das Gefühl, dass es manchmal besser sei, bestimmte Meinungen zum Tiefenlager nicht zu äussern. Bemerkenswert: Die Antworten aus den Standortregionen glichen sich fast wie ein Ei dem anderen – und fast niemand denkt wegen eines möglichen Tiefenlagers über einen Wegzug aus der Region nach.
Das wichtigste Argument für ein Tiefenlager in der Region ist aus Sicht der Bevölkerung jenes der Sicherheit. 46 Prozent fanden, dass ihre Region die Pflicht habe, das Tiefenlager zu übernehmen, wenn sie sich im Verfahren als die sicherste erweise. Wirtschaftliche Argumente – die Entschädigung, welche Würenlingen für die Verpackungsanlage bekäme – spielen demgegenüber aus Sicht der befragten Personen eine nachgeordnete Rolle.
Bau nicht vor 2045
Die wichtigsten Gegenargumente stehen ebenfalls mit Sicherheitsaspekten in Zusammenhang. So befürchtet gut die Hälfte der Bevölkerung, dass es zu einem Unfall kommen könnte, bei dem Radioaktivität freigesetzt würde. Ebenfalls die Hälfte sieht eine Gefährdung nachfolgender Generationen für einen sehr langen Zeitraum oder hat Angst, dass die Radioaktivität langfristig die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner schädigen könnte.
Wo stehen wir aktuell auf der Zeitachse? Die Nagra wird als Nächstes das Rahmenbewilligungsbesuch einreichen, der Bundesratsentscheid darüber wird für 2029 erwartet. Wahrscheinlich gibt es auch eine nationale Volksabstimmung, bei welcher der Entscheid noch gekippt werden könnte. Doch selbst wenn das Volk zustimmt: Bis die ersten Abfälle abgeteuft werden, dauert es noch mindestens bis 2050. Mit dem Bau ist nicht vor 2045 zu rechnen.
Infoabend:
Montag, 24. Oktober, 19 Uhr
Campussaal FHNW Brugg/Windisch