Wenn die Eltern altern

Es hilft Angehörigen, sich rechtzeitig damit auseinandersetzen, in welchem Mass sie für die alternden Eltern da sein wollen. Ein Kurstag in der Propstei Wislikofen bot entsprechend Gelegenheit.
«Das Thema braucht Zeit und Vertrauen, um sich zu öffnen.» Claudia Rüegsegger nahm beim Kurs «Meine Eltern altern» die Teilnehmenden mit auf einen Lernprozess zu einem anspruchsvollen Thema. (Bild: cf)

Teilnehmende im Alter von Mitte vierzig bis Mitte sechzig nutzten das Angebot der Erwachsenenbildung der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau, um auf unterschiedliche Fragestellungen rund ums Altern ihrer Eltern Antworten zu finden. Gleich zu Beginn des Tages erhielten sie von Kursleiterin Claudia Rüegsegger ein Notizheft, um darin Tipps, Erkenntnisse und Gedanken festhalten zu können. Claudia Rüegsegger leitete dieses Angebot erstmals – aus Überzeugung und mit spürbarer Freude. «Mich reizt das Thema auch darum, weil ich mit dem, was ich in meinem Leben schon gemacht und geschenkt bekommen habe, etwas anstupsen kann.»

Im Lebenskreislauf
Die passionierte Velofahrerin und ES-Hornspielerin wuchs in Waldshut auf und lebt heute in Kleindöttingen. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Nach ihrer Erstausbildung als medizinische Praxisassistentin wandelte sich ihr berufliches Tun von der kaufmännischen Tätigkeit bei der damaligen BBC bis hin zur kirchlichen Karriere als Katechetin. Claudia Rüegsegger erteilt im Pastoralraum Siggenthal Religionsunterricht und engagiert sich auf nationaler Ebene in der Qualitätssicherung der katechetischen Ausbildung. «Der rote Faden war stets, mit den Menschen auf dem Weg zu sein.» Mit der Kursarbeit zu Altersthemen für die Erwachsenenbildung der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau verschmelzen nun die pädagogischen Fähigkeiten und die persönlichen Erfahrungen der 66-Jährigen.

Wo die Verantwortung liegt
Vermittlung von Basiswissen rund ums Altern, Austausch, Reflexion: Claudia Rüegsegger ging das Thema «Meine Eltern altern» methodisch vielfältig an und erfüllte damit die Wünsche und Erwartungen der Kursgruppe. Was muss ich? Was kann ich? Was darf ich? Die Klärung der Rolle als Tochter oder Sohn, Sicherheit im Umgang mit Nähe und Distanz, Diskutieren unter Gleichgesinnten oder die Selbstsorge waren Schwerpunkte der Persönlichkeitsbildung. «Meine Eltern haben mich nie überstülpt mit ihren Anforderungen», erinnert sich Claudia Rüegsegger. Doch nicht überall ist das Verständnis der Rolle als Angehörige von alternden Eltern oder das Verständnis der Kinder für die Situation der alternden Eltern klar. In vielen Familien ist das Miteinander von unausgesprochenen Erwartungen durchzogen.

Bildungsanlass, nicht Therapie
Eine zentrale Erkenntnis aus ihrer eigenen Erfahrung, ihren Recherchen und dem Kurserleben ist für Claudia Rüegsegger, dass es Spielregeln braucht. «Diese dürfen nicht erzwungen, sollen aber in einem guten Moment angegangen werden.» Grenzen setzen – bis wohin gehe ich, wann stoppe ich? Das schlechte Gewissen – wann habe ich mich das letzte Mal bei meinem Vater gemeldet? Habe ich überfürsorgliche Eltern erlebt oder solche, die mir etwas zugemutet haben? Geschichte und Geschichten – wie war das damals eigentlich, als die Eltern noch jung waren? «Mich freute es sehr, dass die Teilnehmenden sich getrauten, persönliche Beispiele einzubringen, an denen wir die Fragestellungen konkret abhandeln konnten», so die Kursleiterin. Damit die Anliegen der alternden Eltern und jene aus dem Kreis der Angehörigen auf einen Nenner gebracht werden können, ist die Art der Kommunikation wichtig. «Eine gelingende Kommunikation baut auf Ich- und Du-Botschaften auf. Es gilt, die eigenen Gefühle im Griff zu haben, sachlich zu bleiben. Der Austausch muss auf Augenhöhe passieren. Eine verniedlichende Sprache ist fehl am Platz. Es gibt keinen Rollentausch: Eltern bleiben Eltern. Kinder bleiben Kinder.»

Bunte Lebensentwürfe
Die Familiengefüge in unserer Gesellschaft sind vielfältig. Das stellte auch Claudia Rüegsegger fest, wie sie im Nachgang über den Kurstag «Meine Eltern altern» berichtet. Da sind Töchter und Söhne mit jüngeren Eltern und solche mit hochaltrigen Müttern und Vätern. Da sind Menschen aus Grossfamilien oder Einzelkinder. Es gibt Familien, die verstreut über die ganze Welt leben. Claudia Rüegsegger: «Es gibt nie für alle die gleiche Herangehensweise. Ich habe mir aber gewünscht, dass die Teilnehmenden durch den Kurstag Anstösse erhalten, die sie individuell anpacken können, und Gewissheit gewinnen in Bezug auf die eigene Haltung.» Entsprechend forderte die Kursleiterin die Söhne und Töchter alternden Eltern am Schluss des Tages auf, im Notizheft einen Vorsatz festzuhalten, den sie auf jeden Fall umsetzen ­wollen.