«Ich habe einen Hang zum Chaos»

Sie braucht Freiheit, aber auch Strukturen: Simona Hofmann tanzt auf vielen Hochzeiten – ohne den Fokus zu verlieren. Wie macht sie das?
Simona Hofmann auf dem Mercier-Steg, der durch die Licht-Wasser-Klangskulptur «Fontaine Isis» erleuchtet wird. (Bild: is)

In den Wochen vor dem Bäderfest, das morgen beginnt, lief Simona Hofmann wieder mal auf Hochtouren. Gemeinsam mit dem Kernteam hat die Badenerin ein Wahnsinns­programm von 68 Darbietungen an den drei Tagen auf die Beine gestellt. Doch in turbulenten Zeiten hat Hofmann ein bewährtes Rezept: «Dann schiebe ich im Kopf den Bäderfest-Chip rein und blende alles andere aus. So habe ich es schon bei meinen Soloprogrammen gemacht – damals war es allerdings noch die DVD», erzählt sie und lacht.

Simona Hofmann hat viele Hüte auf: Sie ist Bewegungsschauspielerin, Regisseurin, Artistin und «Design Thinkerin». Letzteres ist ein Ansatz, der zum Lösen von Problemen und zur Entwicklung innovativer Ideen führen soll, wobei die Bedürfnisse aller Beteiligten abgeholt werden. Eine Haltung, die der quirligen Badenerin auf den Leib geschneidert scheint. Ob Soloprogramme, Zirkus mit Behinderten, Gefängnis-Theater oder Kindertheater Lampefieber: «Bei allem, was ich tue, steht der Mensch im Zentrum», sagt Simona Hofmann.

Tage ohne festen Rhythmus
Wie schafft sie es, sich nicht zu verzetteln? Beim Mammutprojekt Bäderfest habe sie lernen müssen zu delegieren, gibt sie zu: «Ich habe einen Hang zum Chaos. Aber ich weiss genau, unter welchem Stapel das Blatt ist, das ich suche. In meinem Kopf ist alles klar – aber da sehen die andern ja nicht rein.» Sie brauche ein Team um sich herum und auch Strukturen, ist Hofmann bewusst: «Ich habe zwar keinen festen Rhythmus am Tag, aber ich stehe oft morgens um 6 Uhr auf, um zwei Stunden Administratives zu erledigen. Dafür brauche ich einen freien Kopf.» Angestellt zu sein, käme für sie niemals infrage: «Diese Freiheit war mir extrem wichtig.» Privatleben? Da trennt Simona Hofmann nicht: «Bei mir fliesst alles ineinander.»

Die Basis ihres Schaffens ist jedoch zweifellos ihre grosse Phantasie. Schon als Kind stülpte sich Simona Hofmann Plastiksäckchen über die Füsse und glitt damit über den Fussboden. «Ich spielte Eiskunstläuferin und inszenierte einen Wettkampf. Mein Vater musste moderieren», erinnert sich die 42-Jährige, und ihre Augen glänzen. Sie sei ein sehr lebendiges Kind gewesen mit einem starken Bewegungsdrang, spielte bei jedem Jubla-Theater mit und tauchte fasziniert in die Welt des Marionettentheaters ihrer Mutter – einer Bündnerin – ein. «Ich hatte eine wunderbare Kindheit», schwärmt Hofmann. Die Familie ist bis heute ihr starker Anker. Zu Bruder Andreas (45), Betriebs­leiter des Jugendlokals Oxil in Zofingen, hat sie ein enges Verhältnis. 

Nach der Diplommittelschule in Wettingen absolvierte sie die Ausbildung zur Gymnastikpädagogin in Basel. Während ihrer Ausbildung arbeitete Hofmann im Behindertenbereich, aber das sei ihr damals irgendwie zu schwer gewesen, sagt sie heute: «Ich hatte damals noch etwas ganz Wildes, Leichtes und Reisserisches in mir.» Bekannte motivierten sie, sich für die Scuola Teatro Dimitri zu bewerben. Ohne Vorbereitung reiste die damals 22-Jährige ins Tessin – und wurde prompt angenommen. Zurück in Baden, setzte Simona Hofmann einige Projekte mit Stella Palino um und trat mit dem Zirkus Balloni auf, hatte aber auch immer wieder Engagements im Ausland. Ins Schwärmen gerät sie, wenn sie über ihre Soloprogramme spricht, die eines gemeinsam hatten: grosse, übergrosse Bühnenbilder.

Riesen-Handtasche und Stiletto
In «Nachts explodieren deine Träume» (2008) war eine zwei auf drei Meter grosse Hand­tasche ihr einziges Requisit auf der Bühne. In «Du hast 36 Stunden» (2012) bildete ein riesengrosser Stiletto die Kulisse. «Das Requisit ist dein Dialog, du stehst da für dich auf der Bühne. Das ist meine Welt, mein Leben», sagt Hofmann.

Inspiration für ihre Stücke findet sie im Alltag. «Ich beobachte gern. Ich treffe Menschen und spüre Dinge, denke mir ganz spielerisch Geschichten dahinter aus. Das kann eine zufällige Begegnung im Speisewagen der SBB sein, aber auch jemand in einem Restaurant. Das gibt mir Futter, um Personagen zu kreieren.»

Nun steht das Bäderfest vor der Tür, und Hofmann hofft, dass sie in den kommenden drei Tagen «möglichst viele Stimmungen und Momente erhaschen kann». Und danach, folgt dann das grosse Loch? Das würde sie selber gerne wissen, sagt Hofmann nachdenklich. Sie hoffe, möglichst viele Momente, Emotionen und Bilder am Fest einsaugen zu können. «Danach gehe ich mit meinen Frauen vom Gefängnis-Theater in die Ferien nach Tel Aviv, da komme ich sicher runter.» Sicher werde sie auch weitere Projekte mit Urs Dätwiler («Wir sind beide Phantasten») umsetzen. Zudem steht im kommenden Jahr das Zehn-Jahre-Jubiläum des Kindertheaters Lampefieber an: «Wir werden im Kurtheater feiern», verrät sie. Und, ja, ein drittes Soloprogramm, das würde sie reizen. In den Vierzigern habe man nochmal einen anderen Blickwinkel aufs Leben, ist sie überzeugt.