Sie führt die Leser gern aufs Glatteis

Die Krimis von Ina Haller spielen an Schauplätzen in ihrer Aargauer Wahlheimat. Im neuen Roman bildet eine Hallwiler Tradition die Kulisse.
Jedes Jahr veröffentlicht sie zwei neue Bücher. «Das Ziel ist, mindestens tausend Wörter pro Tag zu schreiben», verrät Autorin Ina Haller. (Bild: cd)

Ina Haller, wie reagieren Sie auf die Stimmen – teils kommen sie auch aus Literaturkreisen –, die behaupten, Krimis seien keine Literatur?
Verbrechen gehören zur Menschheitsgeschichte, und Literatur hat ganz klar das Leben als Inspiration. Die menschliche Psyche auch in ihren dunklen Seiten zu beschreiben, ist alles andere als trivial, und den Lesenden auch mal aufs Glatteis zu führen, die Neugierde beim Rätseln wachzuhalten, braucht einiges an raffiniertem Erzählgeschick sowie den durchdachten Aufbau einer komplexen Handlung.

Vielleicht hat die abschätzige Behauptung damit zu tun, dass es den grossen Krimiautorinnen und -autoren gelingt, ihre Sprache recht locker, gar nüchtern zu halten. Ich finde: Krimis sind eindeutig Literatur.

Mit «Verschwunden im Aargau» erscheint die neuste Fortsetzung aus Ihrer Krimireihe. Die Leserschaft kennt die Laienermittlerin Andrina aus den neun vorherigen Romanen. Möchten Sie mit ihr vorwiegend ein weib­liches Publikum ansprechen?
Nicht bewusst. Mir fällt es als Frau aber definitiv leichter, aus der Sicht einer Frau zu schreiben. Es könnte tatsächlich sein, dass überwiegend Frauen meine Romane lesen. An die Lesungen kommen jedenfalls deutlich mehr Frauen als Männer.

Ich habe für die Andrina-Reihe die Erzählperspektive mittels eines personalen Erzählers gewählt. Die Lesenden erleben genau das mit, was Andrina erlebt. Immer wieder gerät sie in Situationen, in denen sie nicht anders kann, als ermittlerisch tätig zu werden. Da sie kein Profi ist, also keine Kriminalkommissarin, macht sie Fehler, wird dadurch aber auch charakterlich nah­barer, fast wie eine Freundin. Ich erhalte von Leserinnen und Lesern oft die Rückmeldung, dass ich sie auch auf eine emotionale Reise mitgenommen habe.

Wäre Andrina, Ihre Protagonistin, im wahren Leben Ihre Freundin?
Ja, eindeutig. Sie hat nämlich ein Eigenleben entwickelt. Ich finde, sie ist eine interessante Frau. Und sie trifft auch manchmal Entscheidungen, mit denen ich nicht einverstanden bin, wie das in einer Freundschaft auch vorkommen kann.

Mit der Adriana-Reihe haben Sie bislang jedes Jahr ein neues Buch geschrieben, ausserdem verfassen Sie noch eine andere Kriminalreihe. Gehen Ihnen die Ideen nie aus?
Sie sollten mal erleben, was bei uns beim Abendessen alles diskutiert wird! Meine kreative Familie ist in die Ideen und Entwicklung der Geschichten eng miteinbezogen. Der Schluss bildet stets den Ausgangspunkt: Das Motiv, die Tatwaffe, der Täter oder die Täterin stehen zuerst fest. Von dort aus entwickeln sich dann die Handlungen.

Konsumieren Sie auch True Crime?
Bis jetzt habe ich noch keinen True Crime gelesen, aber das muss nicht heissen, dass ich es grundsätzlich ausschliesse. Wenn mir ein True-Crime-Buch begegnen würde, das mich interessiert, würde ich es lesen.

In Ihrem neusten Krimi bildet das traditionelle Bärzelitreiben in Hallwil die Kulisse für ein Verbrechen. Was hat sie daran fasziniert?
Als ich diesen Neujahrsbrauch das erste Mal miterlebte und die Kostüme mit ihren gruseligen Gesichtern sah, war ich beeindruckt. Die furchtein-flössenden Gestalten sollen ja die bösen Geister vertreiben, und ihre Umarmungen sollen für Glück im neuen Jahr sorgen. Im neuen Krimi werden die bösen Geister aber nicht vertrieben, sondern – im Gegenteil – geweckt.

Womit sind Sie selbst besonders glücklich in Ihrem neuen Kriminalroman?
Mit dem Schluss. Die letzte Szene finde ich gelungen, weil die zwischenmenschlichen Spannungen zwischen Verdacht und Verdächtigen in den Hintergrund treten und sich eine friedliche und ruhige Atmosphäre ausbreitet. Sie ist ein Cliffhanger, und auch ich bin gespannt, wie es mit den Protagonistinnen und Protagonisten in der Fortsetzung weitergeht.

Was möchten Sie, abgesehen von weiteren Krimis, gern noch schreiben?
Einen historischen Roman – das würde mich reizen!

Lesung mit Ina Haller
Donnerstag, 3. November, 19 Uhr
Gemeindebibliothek, Schinznach-Dorf
schinznach.biblioweb.ch