Inspiriert vom Opa und vom Louvre

Eine Reise mit ihrem Grossvater nach Paris motivierte die junge Künstlerin Lili Rose, für die Kunst zu leben. Nun stellt sie erstmals aus.
«Dunkelblau und Gold sind meine Farben«: Lili Rose mit «Freedom». (Bild: zVg)

Es ist nur ein Schaufenster, aber für Lili Rose bedeutet es die ganze Welt. Acht Bilder und ein T-Shirt mit einem Aufdruck eines ihrer Sujets präsentiert die 24-Jährige aus Killwangen seit Anfang Oktober im Kunschtegge 87 an der Buechzelglistrasse in Würenlos. «Ich habe schon als Kind gesagt, dass ich mit 25 meine erste eigene Ausstellung haben werde», erklärt Lili Rose. «Ob das nun in einer grossen Galerie oder eben in einem Schaufenster ist, spielt für mich keine Rolle. Mit dieser Ausstellung ist ein Traum in Erfüllung gegangen.»

In der Ablage ist neben einer Preisliste – ihre Werke kosten zwischen 65 (T-Shirt) und 1200 Franken – auch ihr Weg zur Künstlerin beschrieben: «Als kleines Kind nahm mich mein Grossvater mit auf eine Reise nach Paris. Er zeigte mir die Stadt mit all ihren schönen Ecken und Cafés. Doch am meisten fasziniert war ich vom Louv­re. Die riesigen Gemälde zogen mich sofort in ihren Bann.» Sie habe zu ihrem Grossvater gesagt, dass ihre Bilder auch hier hängen werden, wenn sie gross sei. «Er hat nur gelacht und schenkte mir dann jedes Jahr an Weihnachten und zum Geburtstag Farben, Pinsel, Paletten und Leinwände.»

Im Unterricht gezeichnet
Aufgewachsen ist die junge Künstlerin in Unterengstringen (ZH). Schon früh hat sie das Zeichnen entdeckt – doch von Talent will sie nicht sprechen: «Talent gibt es nicht. Man kann alles lernen mit viel Arbeit», ist sie überzeugt. Die Schule interessierte sie damals wenig, sie habe während des Unterrichts immer gezeichnet. Um eine Grundausbildung zu haben, absolvierte sie eine Lehre im Detailhandel und hielt sich danach mit Minijobs als Kellnerin oder Museumsmitarbeiterin über Wasser. Parallel machte sich Lili Rose als Fotografin selbständig und zog nach Zürich. Ihre Hauptkundschaft waren Mädchen und junge Frauen, die Bilder für ihre Instagram-Accounts brauchten. Just, als es nach zwei Jahren richtig gut zu laufen begonnen habe, kam Corona. «Dadurch war ich gezwungen, daheim zu bleiben – und hatte endlich wieder Zeit für das, was ich liebe: die Kunst», erzählt die 24-Jährige. Sie zog zurück zu ihrer Mutter: «Sie unterstützt mich in allem, was ich tue!»

So richtig gemerkt, dass die Kunst ihre Berufung ist, hat Lili Rose bei ihrem ersten Auftrag – der durch puren Zufall entstand: «Ich sass in einem Café am Bahnhof Schlieren und zeichnete etwas auf eine Serviette. Der Wirt sah das und fragte mich spontan, ob ich mir zutrauen würde, eine Wand zu bemalen. Ich habs einfach gemacht.»

Gesichter – eine Herausforderung
Acht Stunden lang verschönerte sie die Wand des heutigen Restaurants «Be Heros» mit ihren Kunstwerken. «Es kam mir vor wie fünf Minuten. Ich habe die Zeit vollkommen vergessen», erinnert sie sich. Es folgte ein zweiter Auftrag, eine Dschungelwelt im Laser-Tag in Zofingen. Bei beiden Projekten malte sie mit Wandfarbe – einer Substanz, der sie bis heute treu geblieben ist: «Anfangs malte ich mit Aquarellfarbe, aber die deckt nicht so gut wie Wandfarbe.» Sechs der acht Bilder im Kunschtegge 87 zeigen Köpfe oder Gesichter – ihr liebstes Sujet. «Dem Gesicht Ausdruck zu verleihen, ist eine Herausforderung. Der Schlüssel sind die Proportionen», weiss sie.

Gern malt Lili Rose auch historische Charaktere wie David von Michelangelo oder Marcus Aurelius, «aber halt auf meine moderne Art. Ich liebe grosse Augen!» Ein Frauentorso ist ebenfalls unter den Exponaten. Das Bild heisst «Freedom»: «Dazu haben mich die Frauenbewegung in den USA und die Abtreibungsgegner inspiriert. Unvorstellbar, dass Männer über den Körper einer Frau entscheiden», erklärt sie.

«Kunst to go»
Ihr Lieblingsbild aber ist «Invisible Dream»: eine Frau mit blumiger Kopfbedeckung und Sommersprossen. In allen Bildern kommen ähnliche Farben zur Sprache, «Blautöne und Gold sind meine Farben!» Und meistens ist irgendwo ihr Markenzeichen, verschnörkelte Symbole, zu entdecken.

Mit ihrer Kunst spricht Lili Rose eher jüngere Menschen an. «Ich hoffe, ich kann sie inspirieren. Meine Mission ist zu tun, was man liebt. Jeder kann seinen Traum wahr machen!» Ihr ist dabei bewusst, dass die Preise für die Originale das Budget von jüngeren Menschen sprengen. «Doch jeder soll sich Kunst leisten können. Ich biete meine Bilder deshalb auch als kostengünstigen Print an», erzählt die 24-Jährige. Ihre Werke verkauft sie vor allem via Instagram. Social Media seien eine Chance, ihre Kunst der ganzen Welt zu zeigen, ist sie überzeugt. «Die jetzige Zeit ist ideal!»

Ihr neustes Projekt ist «Kunst to go»: «Kunst kann man nicht nur an eine Wand hängen, sondern auch mitnehmen», erklärt sie. T-Shirts sind der erste Schritt, aber sie träumt noch von mehr: «Schirme wie in Paris, mit Sujets von Mona Lisa bis Van Gogh. Bei uns sind alle gleich, einfarbig», sagt die junge Künstlerin. Paris. Die Erinnerung an die Reise mit ihrem Grossvater hat Lili Rose geprägt. «Mein Opa hat am Anfang als Einziger an mich geglaubt», sagt sie nachdenklich. «Leider ist er vor zwei Jahren gestorben und hat meine erste Ausstellung nicht mehr erlebt.»