Sie machen ein Tabu zum Thema

Nadine Karnitz und Gabriela Meissner kennen keine Tabus. Mit ihrer neuen Gesprächsreihe wollen sie das Thema Trauer aufs Tapet bringen.
In der ersten Phase der Trauer geht viel Orientierung verloren. (Symbolbild: Adobestock)

Sie wollen das Thema Trauer aus der Tabu-Ecke befreien. Nadine Karnitz und Gabriela Meissner lancieren gemeinsam die neue Gesprächsrunde «Endlich. Wir reden über» im Café Stadtklatsch. Die Schinznacher Pfarrerin, die nebst ihrer Festanstellung als selbständige systemische Trauerbegleiterin tätig ist, und die Urdorfer Journalistin Gabriela Meissner, die mit dem Projekt «Hörschatz» unheilbar kranke Eltern bei biografischen Audioaufnahmen begleitet, wünschen sich einen offenen Umgang mit den Themen rund um Sterben und Tod. «Wir haben die Tendenz, alles zu kontrollieren und im Griff zu haben», sagt Karnitz. Bei der Trauer aber sei dieser Kontrollmechanismus ausgeschaltet. «Das Thema hat so eine Schwere und löst sehr viel in uns aus», weiss sie. Dabei sei das Reden über den Tod und die Trauer oft befreiend. «Diese Themen gehören zu unserem Leben», so die Trauerbegleiterin. «Wie also können wir sie auch dorthin holen?»

Offene Begegnungen
«Trauernde sehen sich oft mit der Erwartung von aussen konfrontiert, dass sie ganz schnell wieder funktionieren sollen», erzählt Gabriela Meissner. «Und das geht nicht.» Es sei wichtig, die Themen rund um Verlust und Tod offen anzusprechen. «Viele Betroffene schätzen es, wenn man sie weder mit Samthandschuhen anfasst noch sie mit eigenen Erfahrungen zuschüttet», weiss sie. «Es ist wichtig, Trauernden offen und ohne Berührungsängste zu begegnen.» Sie sei ein neugieriger Mensch, sagt Gabriela Meissner. Das mache es ihr leicht, einen Zugang zu Trauernden zu finden. Die Journalistin, die jahrelang als Kommunikationsbeauftragte bei der Fachorganisation Palliative ZH + SH tätig war, hat 2020 den Verein Hörschatz mitbegründet. Dieser setzt sich dafür ein, dass unheilbar kranke Eltern ihren Kindern Aufnahmen ihrer Biografien überlassen können. «Die Stimme transportiert im Gegensatz zu Papier viel mehr Emotionen», erklärt Meissner.

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Gabriela Meissner: «Wir lernen, die Trauer zu verstecken. Sie hat keinen Platz in der Gesellschaft.»

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Nadine Karnitz: «In der Trauer Schritt für Schritt den eigenen Weg zu finden, ist eine grosse Aufgabe.»

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Wege aus der Einsamkeit
Anlässlich der Premiere ihrer Gesprächsreihe wollen Nadine Karnitz und Gabriela Meissner das Thema Trauern möglichst breit fassen. «Man kann nicht nur um einen Menschen trauern», sagt die Trauerbegleiterin. «Sondern auch um ein Tier, einen Arbeitsplatz, eine verlorene Heimat.» Trauernde würden sich oft fühlen wie von Nebel umgeben. «Darin Schritt für Schritt den eigenen Weg zu finden, ist eine grosse Aufgabe.» Es sei hilfreich, sich Unterstützung zu holen. «Ich präsentiere den Betroffenen keine Lösungen, sondern begleite sie darin, mit sich selbst im Gespräch zu bleiben», sagt Nadine Karnitz. Das Gefühl von Einsamkeit sei in von Verlust geprägten Phasen gross, ergänzt Gabriela Meissner. «Wir lernen, die Trauer zu verstecken. Sie hat in der Gesellschaft keinen Platz.» Dem wollen die beiden Frauen nun abhelfen.

Was die Fortsetzung ihrer Gesprächsreihe angeht, können sich Karnitz und Meissner viele Themen vorstellen. Eines davon ist der praxisbezogene Austausch über die Art von Trauerfeiern. «Menschen haben im Hinblick auf Bestattungen Wünsche und Vorstellungen. Da genau hinzuschauen, wie was möglich ist, ist sinnvoll», weiss Karnitz, die auch Trauerfeiern gestaltet. Gerade Bestattungen in der Natur seien gut zu durchdenken.

Die erste Veranstaltung von «Endlich. Wir reden über» beginnt mit einem Inputreferat von Nadine Karnitz zum Thema «Trauer». Anschliessend moderiert Gabriela Meissner ein Podium mit Lars Hollerbach, stellvertretendem Geschäftsführer Hospiz Aargau, und Bettina Schaefer, trauernder Angehörigen und systemischer Beraterin aus Windisch. Der Anlass wird musikalisch begleitet von Sven Bachmann, Klarinette, und Sabine Bachmann-Frey, Akkordeon.

Donnerstag, 17. November, 19.30 Uhr
Café Stadtklatsch
Schulthess-Allee 1, Brugg
stadtklatsch.ch