Das Fest bringt Licht ins Land

Im dunklen Winter des hohen Nordens hat die Weihnachtszeit eine besondere Magie, sagen Marit Studer-Andestad und Eldrid Hågård Aas.
Die beiden Norwegerinnen Marit Studer-Andestad (71) und Eldrid Hågård Aas (49) aus Wettingen ­haben an der Ausstellung mitgewirkt und erzählen von den Traditionen ihrer Heimat. (Bild: is)

Vor über vierzig Jahren zog Marit Studer-Andestad von der norwegischen Westküste nach Wettingen – der Liebe wegen. Hier gründete sie mit ihrem Mann, dem ehemaligen EVP-Nationalrat Heiner Studer, eine Familie. «Wir haben mit unseren Kindern fast immer in der Schweiz Weihnachten gefeiert», erzählt die ehemalige Religionslehrerin. An eines habe sie sich jedoch in all den Jahren nie gewöhnt: «In den norwegischen Holzhäusern brannten an den Bäumen nur elektrische Kerzen. Wegen der echten Baumkerzen in der Schweiz hingegen hatte ich ständig Angst – ein Becken mit Wasser zum Löschen war stets in Griffnähe», erinnert sich die heute 71-Jährige lachend. Ob echt oder künstlich: Licht spielt in der norwegischen Weihnachtstradition eine wichtige Rolle. Das hat einen ganz praktischen Grund, denn in Norwegen dauern die Nächte im Dezember je nach Ort achtzehn Stunden oder gar noch länger. «Dann ist es draussen fast immer stockdunkel, und deshalb wird Weihnachten bei uns sehr intensiv gefeiert», ist Marit Studer-Andestad überzeugt. Zudem dauert die Weihnachtszeit länger als bei uns und endet erst mit dem Tag des heiligen Knut am 13. Januar.

Im Kreis um den Christbaum gehen und Weihnachtslieder singen: So feierte Eldrid Hågård Aas als Kind (rotes Kleid) mit ihrer Familie. (Bild: zvg)

Drei Generationen erzählen
Die neue Sonderausstellung im Kindermuseum Baden «Weihnachten in Norwegen», die am Samstag eröffnet wird, hat Marit Studer mitkonzipiert. Unter anderem lädt eine inszenierte Stube mit typisch norwegischen Objekten zum Eintauchen in die weihnachtliche Atmosphäre ein. Familien aus dem ganzen Land teilen ihre Schnappschüsse, und drei Generationen berichten digital, wie sie als Kind Weihnachten erlebten.

Fjøsnisse und Julenisse
In den verschiedenen Etagen im Kindermuseum werden zudem Trolle und «Nissen» ihr Unwesen treiben. Auf dem Bauernhof lebt der Stallgnom Fjøsnisse (ausgesprochen: Fjösnisse). In der Weihnachtszeit ist der Gnom ­Julenisse («Jülenisse») in Norwegen omnipräsent. «Man sieht ihn nie, aber es heisst, er sitze im Stall und schaue zu Hof und Garten», sagt Eldrid  Hågård Aas (49), die ihre Landsfrau bei der Planung der Ausstellung unterstützt hat. Sie kam vor 22 Jahren in die Schweiz und hat hier als Norwegischlehrerin gearbeitet. Am 7. Dezember wird Hågård Aas, die in der Nähe von Lillehammer aufgewachsen ist, im Kinder­museum Sagen für Erwachsene aus ihrer Gegend vorlesen. «In den Märchen haben die Trolle mehrere Köpfe, im Museum nur einen», schmunzelt sie.

Weihnachten ist für norwegische Kinder eine prägende Zeit. Auch Marit Studer-Andestad schwelgt gern in Erinnerungen. Die Weihnachtsvorbereitungen seien sehr minutiös, erzählt sie: «Meine Mutter hat dann eine Liste mit allen Aufgaben erstellt, die Tag für Tag zu erledigen waren: Guetzli backen, Geschenke einpacken, Briefe und Karten schreiben, Silberbesteck polieren oder Pfannen scheuern. Sogar die Vorhänge in der Küche wurden ausgetauscht.»

An «Lille julaften», den «kleinen Weihnachten» am 23. Dezember, werden die letzten Handgriffe gemacht und das Festessen vorbereitet – denn Weihnachten wird oft im grossen Kreis gefeiert. «Dafür zieht man sein schönstes Kleid an», erzählt Eldrid Hågård Aas. Das Menü? Traditionell Lamm- oder Schweinerippchen mit Surkål (ausgesprochen: Sürkohl), der ähnlich wie Sauerkraut aussieht und doch anders schmeckt: «Er wird mit Kümmel, Essig, Zucker gemacht. Das war für mich der Geschmack von Weihnachten! Man roch das Essen im ganzen Haus», erinnert sich Studer-Andestad. Der Dreikönigstag wird in Norwegen nicht gefeiert. Dafür wird am 23. oder zum Lunch am Heiligabend Milchreis gereicht. In einem Schüsselchen ist eine geschälte Mandel. «Wer sie hat, bekommt ein Marzipanschwein», erzählt Studer-Andestad.

Am 24. Dezember gehen viele in den Familiengottesdienst am Nachmittag. Die Geschenke werden entweder selber unter den Baum gelegt, oder der Julenisse bringt sie am Abend. Nach dem Essen werden zuerst Lieder gesungen. «Dazu halten sich alle an den Händen und gehen ganz langsam im Kreis um den Christbaum», Hågård Aas. Dieser wird übrigens nicht nur mit Weihnachtsschmuck, sondern auch mit Girlanden aus kleinen Norwegen-Flaggen geschmückt. Viele Landsleute seien sehr stolz auf ihr Norwegen und zeigten dies auch ohne Hintergedanken, bestätigen die zwei Skandinavierinnen. Der Vater von Marit Studer-Andestad fand aber, Weihnachten sei etwas für alle Völker und besorgte deshalb Uno-Fläggchen, die, gemeinsam mit den norwegischen, jahrelang ihren Christbaum schmückten: «Bis ich dann 1974 mit meinem Schweizer Ehemann ankam – und plötzlich ein Schweizerfähnchen zwischen den Uno-Emblemen hing!»