«Wir werden nie ein zweites ‹079› landen»

Mit dem Song «079» landeten die Berner Lo & Leduc 2018 einen Mega-Hit. Nun treten sie mit ihrem neuen Album «Luft» im Nordportal auf.
Beleuchten gesellschaftliche Themen aus einem persönlichen Blickwinkel: ­Lorenz (Lo) Häberli und Luc (Leduc) Oggier beim Interview. (Bild: rhö)

Der Erfolg von «079» hat 2018 ­sicher eure kühnsten Träume übertroffen. Welche neuen Ziele habt ihr euch danach gesetzt?
Lo: Wir müssen diese Frage relativ häufig beantworten, weil Erfolg zu oft nur an Zahlen gemessen wird. Wir machen uns keine Illusionen: Wir werden nie ein zweites «079» landen. Wenn das der Grund gewesen wäre, weshalb wir Lo & Leduc gegründet haben, hätten wir wirklich ein Problem. Aber das Schöne ist, dass uns immer neue Sachen unter den Nägeln brennen. Nun haben wir uns sogar den Luxus geleistet, 2022 zwei Alben herauszubringen.

Wie kam es dazu?
Lo: Am Anfang der Pandemie sassen wir in unseren Stuben und dachten: «Jetzt können wir keine Konzerte geben. Was machen wir?» So entstanden Lieder und Skizzen, die sich für uns irgendwann in zwei unterschiedliche Stimmungen einteilen liessen. Das Album «Mercato» sehe ich vor meinem inneren Auge als digitale Playlist, «Luft» als Schallplatte. Wir sind froh, dass dieses Album auch auf Vinyl veröffentlicht wird, da dort die Grafik besser zum Tragen kommt, die Lyrics mehr Beachtung finden und nicht nur einzelne Songs Wirkung erzielen, sondern auch ihr Zusammenspiel.

Die Berner SP-Nationalrätin ­Tamara Funiciello hatte «079» als sexistisch bezeichnet und erntete deshalb einen Shitstorm. Ihr habt sie in Schutz genommen und mit ihr sogar den Videoclip zur Single «Taxi Taxi» gedreht. Warum?

Leduc: Wir befürworten eine öffentliche Diskussion wichtiger Themen. Der Fall zeigte exemplarisch, wie unsere Medienwelt funktioniert. Unser gemeinsamer Auftritt in «Taxi Taxi» reichte für eine Titelseite. Es wäre schön, wenn wichtige gesellschaftliche Themen dieselbe mediale Präsenz erhielten. Tamara Funiciellos unermüdliches Engagement für die ­Revision des Sexualstrafrechts wäre viel eher eine Titelseite wert.

Ihr interessiert euch auch für andere Dinge als «nur» für Musik.
Leduc: Wir haben uns eine Nische gebaut, in welcher wir sehr viel lesen können, und behaupten, das gehört zu unserer Arbeit. Viele Leute haben dafür gar keine Zeit, was vielleicht auch einen Vorteil hat, da man sich sonst rasch Sorgen macht und sehr schnell alt wird – so wie wir. (Lacht)

Lo: Ich weiss auch nicht genau, was Reife heisst. Es gibt viele Leute, die sich viele Gedanken machen, egal ob Taxifahrerinnen, die extrem viele verschiedene Leute erleben, oder Wissenschaftler, die viel genauer über soziologische oder strukturelle Verhältnisse Auskunft geben könnten, aber nur geringe Medienpräsenz erhalten. Wir haben das Glück, dass wir Musik machen, die vielen gefällt, und wir uns deshalb oft in der Öffentlichkeit äussern können. Deswegen überlegen wir uns, wie wir diese Stimme nutzen.

Leduc: Wir schätzen es bei anderen Künstlerinnen und Künstlern sehr, finden es aber durchaus legitim, Lieder zu schreiben, die nur eine Ebene haben. Vielleicht wirken sie dadurch sogar intensiver. Die Gefahr besteht ja auch bei uns, dass wir zu viel in einen Text hineinpacken wollen.

Eine Single auf eurem neuen Album heisst «The Dream». Welcher Traum stand am Anfang ­eurer Karriere?
Lo: Besonders in Erinnerung ist mir der Moment, als wir in einer Beiz in der Länggasse in Bern sassen und den Plan schmiedeten, unsere Mix­tapes gratis ins Netz zu stellen und dadurch die Fanbase so auszubauen, dass wir mit unserer Live-Band, die wir schon vor zehn Jahren hatten, an Festivals auftreten können.

Leduc: Ich finde, dass dies durchaus grosse Träume waren. Das Problem ist ja auch nicht das Träumen, ­sondern dass auf Social Media selbst ernannte Mentorinnen und Life-Coaches den Jugendlichen predigen, wie sie in Nullkommanix zu Erfolg und Reichtum kommen – und dabei nur selbst reich werden. Ich glaube, die Herausforderung ist, die richtige Balance zu finden. Einerseits braucht man viel Geduld und Leidenschaft, um Erfolg zu haben, anderseits das Bewusstsein, dass nicht jeder die gleichen Chancen hat. Natürlich müssen auch Harvard-Studenten, die mit ihren Start-ups Millionen verdienen, fleissig sein. Aber seltsamerweise haben die meisten davon auch sehr reiche Eltern …

Welche Erinnerungen habt ihr an Baden?
Lo: Wir haben mal im «Royal» gespielt und betrachten Baden als heimliches Kulturzentrum, das etwas vergessen wird, obwohl die Stadt viele Künstlerinnen und Künstler hat, die von sich reden machen – und megaschöne Kulturlokale. Leduc: Adrian Stern hat mich vor einigen Jahren in seinen Songcircle bei «Endlich Mittwoch» eingeladen. Das war ein sehr berührender Abend.