Rochade im Haus der Medizin

Komplementärtherapeutin Rita Nussbaumer gehörte zu den ersten Mieterinnen im Haus der Medizin. Die Übergabe ihrer Praxis war deren Aus.
Medizinisches Zentrum Brugg, links im Bild das Haus der Medizin. (Bild: archiv)

Das «Haus der Medizin» wurde 2012 als Ergänzung des Medizinischen Zentrums Brugg (MZB) gebaut. Gedacht war es als grosse Gemeinschaftspraxis, welche das Angebot im MZB erweitern und dazu beitragen sollte, Synergien zu nutzen. Von Anfang an einquartiert war auch die Praxis Meridiana von Rita Nussbaumer (siehe Porträt Rita Nussbaumer), die unter anderem medizinische Massage und Lymphdrainage anbot. «Ich war eine der ersten Mieterinnen im Haus der Medizin», erinnert sich die Komplementärtherapeutin. Zuerst war ihre Praxis im Erdgeschoss beheimatet, mit dem Ausbau wechselte sie in den dritten Stock. «Dort konnte ich die Räumlichkeiten mitgestalten, sodass sie mir und meiner Tätigkeit optimal entsprachen», erzählt Nussbaumer. «Es ist perfekt geworden, ich habe mich jeden Tag auf die Arbeit an diesem Ort gefreut.»

Entscheid für die Hausarztpraxis
Schon länger wusste die Komplementärtherapeutin, dass sie sich mit sechzig Jahren einer neuen Tätigkeit widmen will. Deshalb suchte sie intensiv nach einer Nachfolgelösung. «Ich fand eine äusserst geeignete Person, die nebst ihrem Studium in Pharmazie eine Ausbildung als Naturheilpraktikerin mitbrachte», erzählt Nussbaumer. Auch habe die Person zusätzlich in eine Weiterbildung in Lymphdrainage investiert, um ihre Praxis übernehmen zu können. Als sich der Zeitpunkt der Übergabe abgezeichnet habe, sei sie im Februar 2022 auf ein Mitglied des Verwaltungsrats zugegangen, sagt Rita Nussbaumer. Dies wird von dessen Seite auf Nachfrage des «General-Anzeigers» bestätigt. Wie der Auszug aus dem Protokoll der VR-Sitzung vom 21. Februar zeigt, wurden die Mitglieder über die Absichten informiert. «Da seitens der bestehenden Mieterschaft verschiedentlich Interesse an frei werdenden Räumen angemeldet worden ist, erachtet es der VR als wichtig, bestehende Mieter bei der Vergabe von Räumlichkeiten zu bevorzugen, um damit deren Weiterentwicklung zu begünstigen», heisst es. Im Blick auf die Gleichbehandlung aller Mieter würden frei werdende Räume vorab innerhalb der bestehenden Mieterschaft ausgeschrieben. Im vorliegenden Fall könne sich die Nachfolge von Rita Nussbaumer ebenfalls bewerben, wurde protokollarisch festgehalten.

Rita Nussbaumer mass diesem Umstand aufgrund der positiven Vorgespräche nicht allzu viel Bedeutung bei. Man habe sie kontaktiert, um ihr mitzuteilen, dass man alle im MZB eingemieteten Parteien frage, ob jemand Bedarf habe an weiteren Räumlichkeiten, erzählt sie. «Es müssten alle eine Chance haben, hiess es.» Sie habe daraufhin weitergeplant und konkrete Schritte bezüglich der Übergabe eingefädelt. «Für mich war klar: Es geht weiter», sagt Nussbaumer.

Lange hörte sie nichts mehr. Bis sie sich am 29. März per Mail bei Geschäftsleiter Hans Bürge erkundigte, wie es denn jetzt aussehe. Am 2. April erhielt sie die Anwort, dass nebst der Bewerbung ihrer Nachfolge zwei weitere eingegangen seien. «Aus dem Blickwinkel des gesamten Gesundheitszentrums hat sich der Verwaltungsrat einstimmig für die Vermietung an die Hausarztpraxis entschieden», schrieb Hans Bürge. «Mit der Übernahme eines weiteren Raums im Haus ihrer Praxisräume kann die Hausarztpraxis einige Koordinationsschwierigkeiten eliminieren.» Zudem habe der Forensiker Josef Sachs sein Interesse angemeldet, in Nussbaumers Raum zu wechseln, so der Geschäftsleiter. Dies, wie Bürge später gegenüber dem «General-Anzeiger» ergänzt, einzig aus dem Grund, dass er aufgrund der unterschiedlichen Raumanordung im nur einen Quadratmeter grösseren Raum seinen Besprechungstisch besser platzieren und damit Besprechungen mit mehr als sechs Personen besser entgegenkommen könne. «Sicher werden wir im Zug des Mieterwechsels dem Wunsch von Sachs nachkommen können», heisst es in der E-Mail vom 2. April weiter. Man gehe davon aus, dass es für die Tätigkeiten von Nussbaumer und ihrer Nachfolgerin weniger darauf ankomme, in welchem Haus sich deren Praxis befinde. Am Ende der Mail legte man Rita Nussbaumer nahe, «in einer kurzen Mitteilung zu bestätigen, dass sie die Miete per 31. Dezember 2022 aufgeben möchte».

Verwaltungsrat berät erneut
Rita Nussbaumer fühlte sich vor den Kopf gestossen. «Ist dies die ursprüngliche Idee des Gesundheitszentrums?», schrieb sie am 5. April zurück. «Im dazu gebauten dritten Stock des Hauses der Medizin wurden Sprechzimmer gebaut, um anschliessend Büros darin zu verwalten?» Nussbaumer legte nochmals dar, dass sie sich für die «Vielseitigkeit des Angebots unter einem Dach» einsetze. «Die Bevölkerung sucht immer mehr auch komplementäre Therapien, um die Genesung mittels verschiedener Ansätze anzugehen», schrieb sie. «Es geht doch darum, näher zusammenzurücken, um sich bestmöglich zu ergänzen und im Austausch zu bleiben.» Sie bat den Verwaltungsrat, die Situation nochmals zu überdenken.

Am 9. April wandte sich Hans Bürge erneut per E-Mail an Rita Nussbaumer. Er äusserte Verständnis für deren Argumentation und versicherte, der Verwaltungsrat habe sich nochmals intensiv mit der Interessenlage beider Seiten befasst. Bürge lieferte weitere Begründungen für den Entscheid. «Das Haus der Medizin wurde, ergänzend zu den Gebäuden des MZB im alten Spital, primär errichtet, um die hausärztliche Versorgung in der Region gewährleisten zu können», so der Geschäftsleiter. Es habe sich damals abgezeichnet und sich zwischenzeitlich auch bewahrheitet, dass ein grosser Teil der Einzelpraxen nicht weiter würde bestehen können. «Die Entwicklung war noch dramatischer als angenommen.» Aktuell würden nur noch eine kleine Praxis sowie die beiden Ärztezentren existieren, welche die Grundversorgung gewährleisteten. «Der Verwaltungsrat erachtet es als wichtig und auch dem primären Verwendungszweck des Hauses der Medizin entsprechend, dass die hausärztliche Grundversorgung erhalten und wenn nötig noch ausgebaut werden kann. Dies und die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt mittels Raumrochaden das Parterre für die Hausarztmedizin noch erweitern zu können, hat den VR bewogen, den Zuschlag der Hausarztpraxis zu geben», so die schriftliche Begründung.

Man habe aber, so Hans Bürge, Verständnis für die Argumentation von Rita Nussbaumer. Deshalb habe man nach anderen Möglichkeiten gesucht und ein Angebot für die Mitbenützung eines Raums erhalten. Für Rita Nussbaumer war dies keine Option. «Ich habe kapituliert», sagt sie. Hans Bürge bedauert die Situation. «Die Nachfrage nach mietbaren Räumlichkeiten im Gesundheitszentrum ist gross. Leider können nicht alle Interessenten zufriedengestellt werden, auch wenn sie grundsätzlich zum Zentrum passen würden.»