Eine Brücke in die Westschweiz

Seit 2001 pflegen Obersiggenthal und Saint-Maurice kulturelle und offizielle Kontakte. Nun sucht die Kontaktgruppe neue Mitglieder.
Micheline Calmy-Rey 2005 in Kirchdorf, links Ex-Ammann Dieter Martin. (Bild: zvg)

Als am 14. September 2002 die Siggenthaler Brücke eröffnet wurde, hielt es der damalige Gemeinde­ammann Max Läng auch für wichtig, «eine Brücke über die Sprachregionen» zu schlagen. Ganz in diesem Sinn pflegen seit 2001 die Gemeinden Saint-Maurice im Wallis und Obersiggenthal regelmässige Kontakte. Für Frau Gemeindeammann Bettina Lutz Güttler ist es denn auch besonders positiv, dass es sich um eine innerschweizerische Partnerschaft über Sprachgrenzen hinweg handelt.

2005 wurde die Partnerschaft (französisch «Jumelage») offiziell gefeiert, am 18. Juni 2005 in Saint-Maurice und vom 26. bis zum 28. August 2005 an der Sichlete in Kirchdorf. Selbst die ehemalige Bundesrätin Micheline Calmy-Rey liess es sich nicht nehmen, an diesem Fest teilzunehmen, hatte sie doch als Kind die Schule von Saint-Maurice besucht. Ihre kurzfristige Zusage nur einige Tage vor dem Fest führte zu einer gewissen freudigen Nervosität; der Helikopter einer Bundesrätin landet nicht jeden Tag in Kirchdorf.

Seit 2002 gab es regelmässige Schüleraustausche zwischen den Gemeinden. Der Gemeinderat von Obersiggenthal wird immer an die Fête Patronale eingeladen – ein sehr eindrückliches Fest, das jährlich am 22. September zu Ehren des Schutzheiligen Maurice stattfindet. Im Gegenzug werden Gäste von Saint-Maurice an der Sichlete in Kirchdorf ­begrüsst. Auch kulturell findet ein regelmässiger Austausch statt; so gab es gegenseitige Chorbesuche, Stadtführungen und vieles mehr.

Saint-Maurice ist eine kleine Gemeinde im Wallis mit rund 4500 Einwohnern und einer langen Geschichte. Wegen der strategisch guten Lage am Eingang zum oberen Rhonetal eroberten die Römer den Ort, der damals «Acauno» hiess, von den Kelten und richteten unter dem neuen Namen «Acaunum» einen Militärposten und eine Zollstation ein, um Abgaben der Händler zwischen Gallien und Italien zu erheben. Der Ort lag an einer der wichtigen Handelsstrassen der damaligen Zeit. 

Dort war die sogenannte «Thebäische Legion» stationiert (deren Existenz historisch nicht gesichert ist). Gemäss einem Passionsbericht, welcher erstmals im 5. Jahrhundert vom Lyoner Bischof Eucherius niedergeschrieben wurde, starben sämtliche Soldaten dieser Legion unter dem Führer Mauritius in Acaunum den Märtyrertod, weil sie als Christen nicht den heidnischen Göttern der ­Römer Opfer bringen wollten. Zwei Legionäre entkamen gemäss Legende diesem Gemetzel und flüchteten nach Solothurn, wo sie dann allerdings aus den gleichen Gründen ermordet wurden: St. Victor und St. Ursus. Bereits im 5. Jahrhundert pilgerten Menschen zur Märtyrerstätte der Legionäre, und um 515 wurde die Abtei Saint-Maurice durch Sigmund, den späteren Burgunderkönig, gegründet. Sie gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, welches ohne Unterbrechung bis heute besteht. Seit 1128 ist die Abtei ein Augustinerkloster und beherbergt einen der reichsten Kirchenschätze Europas.

Schon am Dorfeingang wird die Partnerschaft signalisiert. (Bild: mpm)

Schüleraustausch wiederbelebt
In den frühen 2000er-Jahren wurden die Möglichkeiten des Schüleraustauschs zwischen den beiden Partnergemeinden rege genutzt, was sicher auch der motivierten Arbeit der damaligen Lehrer und Lehrerinnen der Bezirksschule Obersiggenthal sowie den engagierten Gastfamilien zu verdanken war. Nach dem Mord an dem jungen Freiburger Au-Pair-Mädchen Lucie in Rieden im März 2009 nahm jedoch das Interesse von Saint-Maurice an einem Austausch ab; die Eltern waren zu besorgt um die Sicherheit ihrer Kinder, auch wenn hierfür natürlich kein objektiver Grund bestand.

Seit 2017 versuchen Obersiggenthal und Saint-Maurice, mit kleineren Projekten den Schüleraustausch wieder zu beleben. Ihre Bemühungen wurden jedoch durch die Corona-Krise verlangsamt. Durch die gleiche Pandemie, welche Reisen ins Ausland teilweise verunmöglichte, haben aber auch viele Deutschschweizer die Westschweiz, darunter das Wallis, kennen- und schätzen gelernt, was das Interesse an einem Austausch wieder fördert. In beiden Gemeinden konnten innerhalb der Schulen neue zuständige Personen gefunden werden, um den Schüleraustausch wieder aufleben zu lassen. Aufseiten Obersiggenthals geschieht die Pflege der Kontakte durch eine Unterkommission der Kultur­kommission. Nun sucht die «Kontaktgruppe Saint-Maurice» neue Mitglieder, welche sich engagieren möchten, um den wertvollen Austausch weiterzuführen und den Brückenschlag in die französischsprachige Schweiz weiterhin zu festigen. Voraussetzung ist, dass sie sich in französischer Sprache ausdrücken können. Interessierte erhalten bei Ueli Meier, Kirchdorf, nähere Auskunft über die Kontaktgruppe und ihre Aufgaben: Telefon 079 292 70 69 oder per Mail an meier-rohr@gmx.ch.