Der Ursprung des Brauchs, bei dem der Dorfweibel das neue Jahr mit einem Segensspruch ankündigt, liegt im Dunkeln. Es fehlen entsprechende Aufzeichnungen und historisch fundierte Quellen. Es wird jedoch angenommen, dass der Brauch aus dem 18. Jahrhundert stammt, als es noch Nachtwächter gab, welche nachts auch die Uhrzeit ausriefen. In Mandach gehört es bis heute zur Pflicht des Dorfweibels, das neue Jahr anzukündigen und einen öffentlichen Bittruf zu sprechen.
Verschiedene Aufgaben
Ernst Keller (64) ist seit 1994 der Gemeindeweibel Mandachs. Bereits sein Vater hat diese Funktion ausgeübt. Der Gemeindeweibel ist für das Vertragen der Gemeindenachrichten und des Abstimmungsmaterials verantwortlich und fungiert als Gantrufer, wenn im Frühling das Brennholz versteigert wird. Bei Festivitäten ist der Dorfweibel zudem die Ansprechperson für Fragen rund um Parkordnung und Verkehr. Und in der ersten Nacht des neuen Jahres kommt ihm die spezielle Aufgabe zu, das neue Jahr mit einem überlieferten Spruch auszurufen.
An Brunnen und Wegkreuzungen
Wenn in der Neujahrsnacht die Glocken das alte Jahr ausklingen lassen und ab Mitternacht das neue Jahr einläuten, ist es für Ernst Keller Zeit, um einer seiner Aufgaben als Dorfweibel nachzukommen. Um ungefähr fünfzehn Minuten nach zwölf Uhr nachts steht er am ersten von insgesamt fünf Orten und führt das Ritual aus. Traditionellerweise seien es drei Brunnen und zwei Wegkreuzungen, an denen der Segensspruch ausgegeben werde, erklärt Keller. Zuerst bläst der Dorfweibel das Feuerhorn. «Einmal, aber richtig kräftig», kommentiert Ernst Keller diesen Teil der Mandacher Tradition, die auch vorsieht, dass das Horn von einem Gemeindeweibel an den nächsten weitergegeben wird.
Nachdem das Horn in der Nacht verklungen ist, wird die Mandacher Neujahrsbotschaft verkündet: «Unsere Glocken schlugen zwölf Uhr.» Zweimal wird diese Zeitangabe gerufen. «Nun haben wir wiederum mit Gottes Hilfe und Beistand ein neues Jahr erlebt. Ihr Hausväter, ihr Hausmütter, ihr Söhne und Töchter, ihr Knechte und Mägde, ihr Kinder und Säuglinge; ich sag euch fürwahr – Gott gebe euch ein gutes Jahr. Ein gutes Jahr, ein neues Leben. Das möge euch Gott aus Gnade geben. Amen.»
Geöffnete Fenster und Türen
Früher seien die Leute vor die Türen getreten, hätten die Fenster geöffnet und die guten Neujahrswünsche des Dorfweibels erwidert, bevor sich dieser auf den Weg zum nächsten Verkündigungsort gemacht habe. «Heute stehen die Leute nicht mehr so zahlreich vor den Türen, die Zeiten haben sich geändert», stellt der Neujahrsankünder fest. Diese Tradition, die kein Kirchenbrauch sei, werde auch andernorts weitergeführt, weiss er. «In Hottwil beispielsweise hat der Dorfweibel aber eine Glocke und kein Feuerhorn dabei», erzählt Keller.
Ihm sei es ein Anliegen, dass der Brauch weiterlebe und der Segensspruch tradiert werde, dessen Worte sich seit Generationen nicht verändert haben. Denn er wisse, so Keller, dass sich die Dorfbewohnerinnen und -bewohner darüber freuen, dass in Mandach zum neuen Jahr noch immer ein Segensspruch vertragen werde.
Apéro beim Chilebrunne
Der Neujahrsapéro in Mandach findet nach Mitternacht beim «Chilebrunne» statt. Dort ist auch die letzte Station des Dorfweibels, der auf seinem Rundgang das Neujahr ankündigt.