Trompetenrufe und Schwanengesang

Neben dem verbreiteten Höckerschwan kann man im Winter bei uns seinen nordischen Verwandten, den Singschwan, beobachten.
Junge Singschwäne scheinen immer irgendwie zu lächeln (Island, Juli 2022). (Bild: bh)

Schwäne gehören zu den verbreitetsten und bekanntesten Wasservögeln. Das war aber nicht immer so: Der Höckerschwan – und um ihn geht es meist, wenn man bei uns von Schwänen spricht – kam ursprünglich in Mitteleuropa nicht vor. Sein Verbreitungsgebiet reichte von Nordeuropa über das Baltikum bis in die Schwarzmeer-Gegend und weit nach Asien hinein. Die Brutpopulationen in Westeuropa hingegen gehen zurück auf ausgesetzte und verwilderte Park- und Ziervögel, die ab dem 16. Jahrhundert an den europäischen Höfen gehalten wurden. Nach heutigem Verständnis gehört der Höckerschwan also zu den Neozoen, wie etwa der Waschbär oder die Nilgans. Er wird heute aber als einheimische Art betrachtet.

Boten des Nordens
Im Winter lassen sich bei uns noch weitere Arten von Schwänen beobachten. Es handelt sich um den seltenen Zwergschwan, der hier nicht näher behandelt werden soll, und um den Singschwan, von dem alljährlich rund tausend Individuen überwintern. Ungefähr 95 Prozent dieser Vögel lassen sich am Bodensee nieder, und zwar sowohl am schweizerischen wie auch am deutschen und österreichischen Teil des Sees. Die Ankunft der Singschwäne in den traditionellen Winterquartieren kündet den nahenden Winter an. Wie aus dem Nichts erscheinen die Boten des Nordens und machen mit ihren melodiös posaunenden und trompetenden Rufen auf ihre Anwesenheit aufmerksam. Die weithin hörbaren Rufe reihen sich mit denjenigen von Kranichen und verschiedenen Watvögeln in die melancholischen Melodien der nordischen Weiten ein. Die Schwäne in der verschneiten Winterlandschaft bieten ein einzigartiges Stimmungsbild, beispielsweise wenn Alt- und Jungschwäne im Familienverband vor der Kulisse der alten Kirche St. Georg auf der Insel Reichenau kreisen. Die Familien ziehen gemeinsam in die Winterquartiere und bleiben bis gegen Ende des Winters zusammen.

Eisfreie Zonen zum Überwintern
Zum Überwintern suchen die Singschwäne ausgedehnte eisfreie und störungsarme Flachwasserzonen an Seen und Flüssen auf, die reich an Unterwasservegetation sind. Sie fressen vor allem Wasserpflanzen, die mit dem Schnabel aus dem Sediment ausgegraben werden. Daneben sind sie auch häufig weidend auf seenahen Wiesen und Feldern anzutreffen.

Ab Mitte Februar bis Ende März fliegen sie getrennt zurück in die Brutgebiete in den Wäldern und an den Seen in Nordskandinavien, Finnland und Island, wobei die Art eine zunehmende Verbreitungstendenz Richtung Süden zeigt und immer mehr auch in Südskandinavien, Polen und sogar Norddeutschland brütet. Einige weitere Überwinterungsgebiete finden sich in der Schweiz vor allem am Neuenburger- und Bielersee. Zudem können Singschwäne ab und zu an anderen Orten wie am Klingnauer Stausee, Flachsee oder an Flüssen und in Feuchtgebieten auftreten, bleiben dann aber meist nur wenige Tage. Bisher hat es in der Schweiz noch keine Brutversuche gegeben. Singschwäne bleiben als Paar ihr ganzes Leben zusammen, wobei diese Beziehung zwanzig Jahre überdauern kann.

Nationalvogel in Finnland
Schwäne spielen auch in der Mythologie eine wichtige Rolle, je nach Ort handelt es sich dabei um den Höcker- wie den Singschwan. In vielen Kulturen sah man den imposanten weissen Vogel als Bindeglied zwischen Leben und Tod. Man sprach ihm auch hellseherische Fähigkeiten zu, was sich noch heute in der Redensart «es schwant mir» äussert. In Finnland ist der prachtvolle und elegante Singschwan, der für Reinheit und Würde steht, zum Nationalvogel geworden. Im Nationalepos Kalevala schwimmt im Fluss vor der Unterwelt der Schwan von Tuonela. Der schöne Vogel gilt in diesen Geschichten als heilig, und wagt es jemand, ihn zu töten oder dies zu versuchen, geht er selber zugrunde. Auch der finnische Komponist Jean Sibelius widmete einen Teil seines Musikwerkes diesem mystischen Vogel der Unterwelt. Als jüngste Ehrung wurde der Singschwan auf der finnischen Euro-Münze verewigt.

Und woher kommt der Begriff «Schwanengesang»? Der Ausdruck geht auf einen alten griechischen Mythos zurück, der besagt, dass Schwäne vor ihrem Tod noch einmal mit trauriger, jedoch wunderschöner Stimme ein letztes Lied anstimmen. In der Tat kann bei sterbenden Vögeln das länger anhaltende Ausströmen von Luft aus der Luftröhre musikalische Laute erzeugen. Der Begriff hat sich für die Bezeichnung des letzten Werks eines Musikers oder Dichters etabliert.

ga_b_birrf_die_flugkunst_hauser_3522

Fliegende Singschwan-Familie vor der Insel Reichenau. (Bild: bh)

ga_b_birrf_die_flugkunst_wengi_3522

Der Höckerschwan hat einen roten Schnabel mit schwarzem Höcker, der Singschwan hat einen gelben Schnabel mit schwarzer Spitze. (Bilder: bh)

previous arrow
next arrow
Shadow