«Es soll vintage sein, aber nicht museal»

Bluesmusiker Philipp Fankhauser kommt mit seinem neuen Album «Heebie Jeebies» nach Brugg. Gewidmet ist es Idol Johnny Copeland.
«Du hast zehn Sekunden Zeit, um das Publikum zu packen!»: Bluesmusiker Philipp Fankhauser. (Bild: zvg)

Philipp Fankhauser, wann hat Ihnen Johnny Copeland erstmals «Heebie Jeebies» (Gänsehaut) beschert?
Das weiss ich noch ganz genau. Es war am 16. Juli 1983 in einer Blues Night des Montreux Jazz Festivals. Zuerst traten die Headliner Willie Dixon, Buddy Guy und Luther Allison auf, aber erst Johnny Copeland aus Houston, Texas, den ich vorher gar nicht kannte, hat mich aus den Socken gehauen.

Was machte ihn und seine Songs aus?
Bei ihm bestand Blues nicht nur aus drei Akkorden, zwölf Takten, vielen Gitarrensoli und Texten aus einer Zeit und Realität, die ich nicht kannte. Seine Musik war komplexer, und die Texte waren nicht machohaft, sondern ungewohnt zärtlich, zuversichtlich und humorvoll. Ich liebe seinen Texas Shuffle und seine Soulballaden.

Wie kam es zur ersten Begegnung?
Ich habe nach dem Auftritt im Casino frech einen Weg in seine Garderobe gesucht, wurde tatsächlich vorgelassen und konnte mich kurz mit ihm unterhalten. Obwohl ich mit meinen neunzehn Jahren schon relativ gut Englisch sprach, habe ich leider nur die Hälfte von dem verstanden, was dieser Bluessänger im Slang des tiefen amerikanischen Südens sagte.

Wie eng war die Beziehung, die sich zwischen Ihnen entwickelt hat?
Sie war schon sehr persönlich. Ich habe auch einige Monate bei ihm gewohnt. Trotzdem blieb bis zu seinem frühen Tod 1997 immer eine gewisse Distanz, da er 27 Jahre älter war und für mich auch deshalb eine Respektsperson blieb.

Wie haben Sie ihn auf Ihren gemeinsamen Tourneen als Mensch kennengelernt?
Er war sehr bescheiden und demütig, manchmal aber auch jähzornig, wenn er mit einem Musiker unzufrieden war. Nach den Konzerten wollte er einfach seine Ruhe haben und zog sich ins Hotel zurück. Er wusste jedoch, dass das Publikum den Johnny Copeland wollte, der mit grossem Cowboyhut und stolz geschwellter Brust auf die Bühne trat. Seine Präsenz und sein Charisma waren so einnehmend, dass SRF-Moderator Reeto von Gunten einmal nach einem Konzert zu mir sagte, Johnny wäre sexyer als Madonna und Prince zusammen! (Lacht)

Wie hat er Sie inspiriert?
Von ihm habe ich einige Manierismen übernommen, die mit gefielen, etwa wie er seine Gitarre auszog oder die ununterbrochene Verbindung zu seinem Publikum. Aber das Wichtigste, was ich von ihm gelernt habe, ist: Wenn du auf die Bühne kommst, hast du zehn Sekunden, um das Publikum zu packen, und wenn du es in dieser Zeit nicht schaffst, wird es dir nicht mehr gelingen! So versuche ich, bei Konzertbeginn immer zu 150 Prozent parat zu sein.

Wie viel vom Soul in Ihrer Stimme haben Sie von ihm?
Das weiss ich nicht. Aber Fakt ist, dass ich jahrelang grosse Probleme damit hatte, mich selber zu hören. Ich fand, dass ich keine Bluesstimme hätte, und hatte Minderwertigkeitskomplexe, weil mein Stimmumfang begrenzt war und ich als Autodidakt auf der Gitarre nicht über den technischen Feinschliff meiner studierten Mitmusiker verfügte. Das ging so lange, bis mir der Produzent Dennis Walker einmal gesagt hat: «Was du machst, ist musiktheoretisch falsch, aber es ist cool!» Seither kann ich zu meiner Musik stehen.

Wie kam es zu «Heebie Jeebies»?
Das Album wurde aus der Not geboren. Während Corona hatte ich zwar Musse, um kreativ zu sein und neue Songs zu schreiben, doch waren bis Mitte Dezember letzten Jahres erst wenige fertig. Das Hotel Giessbach am Brienzersee war aber bereits für die Bandproben im Februar reserviert. So legte ich Anfang Januar aus einer Intuition heraus eine alte Platte von Johnny Copeland auf und war sofort hin und weg.

Wie gingen Sie vor?
Ich wählte aus seinem riesigen Katalog zwölf frühe Songs aus und schickte sie meinen Bandmitgliedern. Mein Gitarrist und Produzent Marco Jencarelli hatte dann die gute Idee, die Proben gleich in Studioqualität aufzunehmen. Und tatsächlich waren manchmal die ersten Takes die besten und kamen auf die Platte.

Haben Sie die Songs neu interpretiert?
Nein, wir haben nicht versucht, einen modernen Twist reinzubringen. Die obskuren Originale, die noch nicht oft gecovert wurden, gefielen uns so gut, dass wir sie genau so spielen wollten. Der Spirit der Sechzigerjahre sollte erhalten bleiben. In diesem Sinn wählten wir auch das Instrumentarium aus. Es sollte vintage sein, aber nicht museal wirken. Wir haben extrem Freude daran, wie das Album herausgekommen ist. Für mich ist es nichts anderes als ein Lucky Punch!

Weshalb haben Sie «Heebie Jeebies» zum Titelsong auserkoren?
Ich finde es eine gut klingende Wortkombination, bei der man sich sofort fragt, was das wohl heisst. Ausserdem passt diese fröhliche Nummer zu Johnny, der immer einen Spruch auf Lager hatte.

«Every dog’s got his day» haben Sie wohl Ihrem Mops Trevor gewidmet …
Nicht direkt. In erster Linie gefallen mir der Song und die Redewendung, die bedeutet, irgendwann hat jeder mal Glück.

Wie man im Booklet sieht, war Ihr Hund bei den Aufnahmen im Hotel Giessbach dabei. Wie reagiert er auf Ihre Musik?
Ich glaube, sie interessiert ihn nur am Rande. Dafür rastet er fast aus, wenn er mich im Fernsehen sieht oder Gebell zu hören ist. Aus diesem Grund muss ich die Fernbedienung immer zur Hand haben, um bei Bedarf schnell umschalten zu können. (Lacht)

Ist die Lautstärke für ihn ein Problem?
Bei normalen Konzerten bleibt er in der Garderobe. Wenn sie unplugged sind, darf er bei der Zugabe kurz auf die Bühne. Trevor ist schon ein kleiner Show-Mops, der sich gerne den Leuten zeigt!

Mit welchen Gedanken treten Sie schon bald in Brugg auf?
Das Salzhaus kenne ich seit vielen Jahren. Wir haben schon oft dort gespielt, und das Publikum ist treu. Ich erinnere mich gerne an die vielen Freiwilligen, die sich um unser Wohl bemühen, und die familiäre Atmosphäre beim gemeinsamen Abendessen am grossen Tisch.

Samstag, 14. Januar, 20.30 Uhr
Salzhaus, Brugg
salzhaus-brugg.ch