Eins dürfte unbestritten sein: Die Wettingerinnen und Wettinger haben das Budget 2023 im November in einer obligatorischen Referendumsabstimmung mit 59,9 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt, weil sie gegen eine Steuerfusserhöhung um 3 Prozentpunkte waren – eine Massnahme, die laut Gemeinderat für eine schwarze Null unter der laufenden Rechnung zwingend gewesen wäre.
Wie kam es dazu? Der Gemeinderat und insbesondere Markus Maibach, Vizeammann und Ressortvorsteher Finanzen, haben sich ihre Gedanken gemacht. Eine Ursache sind die geopolitischen Verwerfungen, welche mit Teuerung (Energiepreise) und Inflation die Portemonnaies und Sparkonten bereits arg belasten. Und aus politischer Warte stellt sich die Frage: Hätte das Budget den Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert gebracht? Dazu muss Maibach klar Nein sagen. Gebundene (und damit nicht beeinflussbare) Aufgaben und nicht neue Angebote haben zu mehr Ausgaben geführt. Auch bereits getätigte Investitionen wollen finanziert sein.
Keine Sparschraube
Die Sparschraube ohne schmerzliche Abstriche bei den Leistungen ansetzen? Der Einwohnerrat hat letzten Oktober sechs Stunden lang debattiert und 315 000 Franken an Einsparungen beschlossen – das ist wenig angesichts von 1,65 Millionen Franken, welche die Steuererhöhung gebracht hätte. Auf diese verzichtet der Gemeinderat in seinem neuen Budget: «Trotz seriöser Finanzplanung und dem klaren Nachweis der erforderlichen zusätzlichen Steuermittel zur Sicherstellung des mittelfristigen Haushaltsgleichgewichts scheint die politische Machbarkeit einer Steuerfusserhöhung in der aktuellen Lage nicht gegeben.»
Bessere Prognosen
Also zusätzliche Sparmassnahmen? Dazu Maibach und Gemeindeammann Roland Kuster: «Diese wären nur mit einem deutlich spürbaren Leistungsabbau möglich – was sicherlich nicht im Interesse der Stimmberechtigten liegt.»
Bei der Neuauflage des Voranschlags 2023 hat sich der Gemeinderat daher auf die grossen Positionen Sozialhilfe, Pflegekosten und Steuern fokussiert, bei deren Neubudgetierung vieles auf Schätzungen, aber auch auf immer aktuelleren Werten beruht. Kuster erinnerte daran, dass das ursprüngliche Budget auf Zahlen von August 2022 basierte. «Inzwischen konnten wir beispielsweise feststellen, dass sich die Kostensituation im Sozialbereich – den Asylbereich ausgeklammert – entspannt», sagt Maibach. Zusätzlich ergeben sich Einsparungen aufgrund des Umstands, dass im ersten Quartal 2023 bis zur Bewilligung des Budgets nur gebundene Ausgaben getätigt werden dürfen – ein Paradebeispiel ist der Neujahrsapéro, der nicht finanziert werden konnte. Unter dem Strich ergeben sich in der Summe Einsparungen von 886 500 Franken – und ein Defizit von 763 500 Franken.
Der Blick in die Zukunft
Und der Blick in die Zukunft? Für 2024 sei von praktisch identischen Planergebnissen auszugehen, stellt der Gemeinderat fest. Heisst das, der Steuerfuss soll auch für nächstes Jahr bei 95 Prozent verharren? «Ja», bestätigt Maibach. Aber: Ab 2025 ist vorgesehen, den geplanten Neubau des Oberstufenzentrums mit vorgezogenen Abschreibungen von rund 2,2 Millionen Franken pro Jahr vorzufinanzieren. Dafür sind zusätzlich 5 Steuerfuss-Prozentpunkte erforderlich. Würden diese abgelehnt, hätte Wettingen mit seiner steigenden Schuldenlast ein happiges Problem. Mit 116,6 Millionen Franken oder 5421 Franken pro Kopf der Bevölkerung ist eine kritische Verschuldung bereits erreicht und belastet die Rechnung bei steigenden Zinsen zusätzlich.
Die Volksabstimmung über das neue Budget ist für den 12. März geplant. Sie findet allerdings nur statt, wenn der Einwohnerrat den Voranschlag an seiner Sitzung vom 26. Januar genehmigt. Tut er dies nicht, geht das Budget direkt zum Entscheid an den Regierungsrat. Maibach: «Das wäre für die Gemeinde Wettingen so etwas wie eine Bankrotterklärung.»