Ein Null­summen­spiel?

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

Als Mensch stellt man sich immer mal wieder die Frage, ob sich das, was wir tun, überhaupt lohnt. Also welcher Ertrag letztlich unserem ganzen Aufwand wirklich gegenübersteht. Ob sich die beiden Lebenskolonnen «Soll und Haben» einigermassen ausgleichen oder ob man nicht doch etwas mehr auf der rechten Seite haben sollte? Schliesslich wird von der Gesellschaft doch neidvoll respektiert, wenn man es sprichwörtlich auf einen grünen Zweig gebracht hat, per Saldo also etwas rausgeschaut hat. Da sind wir uns wohl alle einig.

Weniger eindeutig ist indessen, woraus ein angestrebter «Ertragsüberschuss» bestehen könnte. Viele werden sich da an die ökonomische Maxime «Nur Bares ist Wahres» halten. Und natürlich lebt es sich viel unbeschwerter, wenn rote und schwarze Zahlen sich nicht dauernd die Hand geben. Doch während man beim Zuwenig sehr schnell merkt, wenn es davon zu viel gibt, ist es beim Zuviel ganz anders: Nach dem Motto «Genug ist nicht genug» ist ja auf der monetären Richterskala nach oben alles offen. Ein Klumpenrisiko haben dabei beide: Den einen steckt der Klumpen im Hals, die anderen haben ihn am Hals. Was ist besser? Rational betrachtet keine Frage: Haben kommt vor Soll.

Nach dem guten alten Sigmund Freud lautet jedoch die Saldo­bilanzfrage nicht «Soll» – sondern «Sein oder Haben». Das tönt zwar sehr alternativ: entweder das eine oder das andere. So weit möchte man es dann doch nicht kommen lassen. Erst der richtige Mix ergibt wohl jene Balance, die den Seiltanz des Lebens sowohl ökonomisch tragbar als auch inhaltlich wertschöpfend macht. Was vermeintlich nach einem Nullsummenspiel aussieht, widerspiegelt ja tatsächlich das Leben selbst: Wir beginnen mit der Geburt bei null und enden mit dem Ableben wieder bei null. Entscheidend ist daher nicht der kumulierte «Ertragsüberschuss», sondern nur die jeweils real erlebte qualitative Tagesbilanz. Transitorische Guthaben kann man jedenfalls im Jenseits vergessen.

ernst.bannwart@bluewin.ch