Turbulente Szenen vor Gericht

Nach vierjährigem Unterbruch meldet sich der Dramatische Verein Untersiggenthal zurück – mit einem Profi-Regisseur und fünf neuen Darstellenden.
René Seiler (71) als Richter Hannimann mit Sekretärin Geraldine Bill (20). (Bild: is)

Richter Klaus Hannimann (dargestellt von René Seiler) ist an seinem letzten Arbeitstag nicht zu beneiden. Kurz vor der Pensionierung stapeln sich auf seinem Pult Fälle, die er möglichst schnell hinter sich bringen möchte: Autodiebstahl, Kleptomanie, Nachbarschaftskrieg, Heiratsschwindel, Beleidigung und Raserei stehen auf dem Tagesprogramm. Doch Kläger und Angeklagte strapazieren die Nerven des amtsmüden Richters gehörig. Hinzu kommt, dass Pflichtverteidiger Jürg Hugentobler (Beat Stucki) und Staatsanwältin ­Dorothé Hugentobler (Renate Bierhoff) ihre Ehestreitigkeiten austragen, statt ihren Job zu machen. «Mini Närve! Ich verträg das nümme», seufzt Hannimann mehr als einmal. Richtig ins Schwitzen kommt er, als ein Callgirl (Nicole Bierhoff) aussagen muss – denn er hat selber ein kleines Geheimnis …

Mimen prägnante Charaktere: Die fünf neuen Darsteller Gloria Zwyssig (als Lisbeth Vogel), Luca Zwyssig (Karl Eugster), Angelika Widmer (Lili ­Listig), Roger Müller (Friedrich Mayerholzer) und Claudia Roth (Gisela Geier) im Wartesaal. (Bilder: is)

Bühnenprofi aus Biel
Mit dem Schwank «Aber Herr Richter!» meldet sich der Dramatische Verein Untersiggenthal nach vier Jahren äusserst unterhaltsam zurück auf der Bühne der alten Mehrzweckhalle. Nach «Bittermandle und Pistole» (2019) unter der Regie von Kathrin Janser war es still geworden um den viertältesten Verein des Dorfes (gegründet 1903). Im Jahr 2020 entfielen die Aufführungen wegen interner Schwierigkeiten, und dann kam Corona. In der Zwischenzeit fand ein Umbruch statt. Für das neue Stück konnten fünf neue Akteure gewonnen werden. Mit Christoph Borer (57) kam auch ein neuer Regisseur dazu.

Der Bieler mit Wohnsitz in Wien ist ein waschechter Bühnenprofi. Als Zauberer tourt er seit 35 Jahren durch die ganze Welt. In den letzten zwanzig Jahren führte er zudem Regie in Kleintheatern, unter anderem in München und Berlin. Zum Dramatischen Verein kam er durch den Untersiggenthaler Adrian Bill alias Billy, der auch als Zauberer und Clown unterwegs ist. Im neuen Stück ist auch Billys Tochter Géraldine (20) zu sehen: Sie spielt die kecke Sekretärin des Richters, «Fräulein» Gerber.

Mit Angelika Widmer, Claudia Roth, Gloria und Luca Zwyssig sowie Roger Müller sind seit der letzten Theatersaison fünf neue Mitglieder zum Ensemble gestossen. Daneben kann Regisseur Borer auf bewährte Kräfte wie den 71-jährigen René Seiler zählen, der mit 21 Jahren dem Verein beitrat, 1972 das erste Mal auf der Bühne stand und seither alle möglichen Rollen gespielt hat – «vom Polizisten über den Rechtsanwalt bis zum Pfarrer». Diese Bandbreite ist für Regisseur Christoph Borer eine Herausforderung. «Man muss alle mitnehmen, vom langjährigen Darsteller bis zu den ganz Neuen. Wichtig ist, dass wir gemeinsam eine gute Zeit haben und gleichzeitig auch vorwärtskommen», so der Bieler mit Wohnsitz in Wien.

Die «Neuen» haben sich aber schnell ins Ensemble eingefügt, lobt Borer. «Ich fühlte mich vom Regisseur auch gut begleitet», bestätigt Claudia Roth (42). Die Badenerin streitet sich vor Gericht als Gisela Geier mit ihrer Nachbarin Lisbeth Vogel, dargestellt von Gloria Zwyssig (60) aus Würenlos. Vor Leuten aufzutreten, sei für sie nie ein Problem gewesen, sagt Roth, die früher in einem Jugendparlament aktiv war.

Der neue Regisseur Christoph Borer.

Süditalienisches Temperament
Im Stück hat die gebürtige Oberaargauerin eher den ruhigen Part der beiden «Streitvögel» inne, während Gloria Zwyssig als Lisbeth Vogel auch mal laut werden darf. «Diese Rolle passt sehr gut zu mir. Beim Streiten kann ich mein süditalienisches Temperament ausleben», findet die Würenloserin. Dennoch steige die Aufregung im Hinblick auf die Premiere, gesteht Zwyssig, deren Sohn Luca als Kläger Karl Eugster ebenfalls auf der Bühne steht. Die Aufführungen finden zum letzten Mal in der Mehrzweckhalle statt; im kommenden Jahr wird das Publikum im Sikinga-Festsaal des neuen «Zentrums» Platz nehmen. 

Seit September probt das zehnköpfige Ensemble, in den letzten vier Wochen sogar zweimal wöchentlich. Jedes Wort muss sitzen, das Timing perfekt sein. «Es ist zwar ein einfacheres Stück, bei dem die einzelnen Charaktere sehr schön zusammenarbeiten», sagt Regisseur Christoph Borer. Doch es sei viel schwieriger, lustig zu spielen als in einer Tragödie. Der erfahrene Hauptdarsteller René Seiler ist jedoch sicher, dass «Aber Herr Richter!» beim Publikum ankommen wird: «Die Leute werden lachen.» Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt.

Premiere
Freitag, 20. Januar, 20.00 Uhr
Mehrzweckhalle Untersiggenthal
Weitere Daten unter dvu.ch