Eiskalte «Zuckerwatte» im Wald

Haargenau die richtigen Witterungsbedingungen braucht es, damit im Wald Haareis auf morschem Holz entstehen kann.
Haareis wächst aus einem Stück morschem Holz auf dem Waldboden, hier circa 10 Zentimeter lang. (Bild: bh)

Die Sendung SRF Meteo vom 16. Januar berichtete über das Naturphänomen Haareis. Hierbei wurde erwähnt, dass zurzeit die Bedingungen zur Entstehung dieser Eisgebilde günstig seien. Eine Erkundungstour am folgenden Morgen im Wald von Villnachern sollte dies bestätigen. Dabei war die Suche nach den relativ kleinen Haareis-Skulpturen auf dem mit Raureif bedeckten Waldboden nicht so einfach. Nachdem jedoch der erste Fund gelungen und Auge und Sinne sensibilisiert waren, zeigten sich immer mehr dieser einzigartigen Kunstwerke der Natur.

Wie Zuckerwatte auf dem Waldboden
Von Weitem sehen die Eisgebilde ein wenig aus wie kleine Stücke von auf den Waldboden geworfener Zuckerwatte. Geht man vorsichtig mit der Kamera näher heran, zeigt sich in der Makrolinse ein filigranes Wunderwerk aus haardünnen Eisnadeln. Als Wachstumsgrundlage dient ein morsches, meist etwa fingerdickes Stück Holz. Daraus wachsen die Eishaare in unterschiedlichster Form: Mal haben sie ein strähniges Aussehen, mal sehen sie aus wie mit dem Lockenwickler geformt. Dabei ist jedes der Eisgebilde ein Unikat, ähnlich wie dies bei Schnee der Fall ist – mit dem Unterschied, dass die Schneekristalle einem streng geometrischen Bauplan folgen, während beim Haareis eher das Prinzip «phantasievolles Chaos» vorzuherrschen scheint.

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Oft sehen die Eishaare aus wie mit dem Lockenwickler geformt. (Bild: bh)

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Manchmal faszinieren die Eishaare hingegen mit einem eher strähnigen Aussehen. (Bild: bh)

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Wie sind diese Haarlocken aus Eis entstanden?
Baustoff für die Eisnadeln ist flüssiges Wasser, welches sich im Holz befindet. Es tritt aus kleinen Poren aus, gefriert und zieht weiteres Wasser aus den Poren nach.

Normalerweise würde aber das austretende Wasser einfach grosse Eiskristalle auf der Holzoberfläche bilden. Das wird aber verhindert durch einen winteraktiven Pilz namens Exidiopsis effusa, welcher im morschen Holz «wohnt». Dieser löst den Prozess zur Bildung des filigranen Haareises aus. Weil die im Wasser enthaltenen Abbaustoffe des Pilzes den feinen Eisfäden die nötige Festigkeit verleihen, können diese bis 20 Zentimeter lang werden. Dabei sind sie mit 0,02 Millimetern extrem dünn, also rund fünf Mal dünner als menschliches Haar. Das Phänomen wurde übrigens erst vor wenigen Jahren durch ein schweizerisch-deutsches Forschungsteam restlos geklärt und beschrieben.

Äusserst diffizile Wachstumsbedingungen
Haareis bildet sich nur auf morschem Holz von Laubbäumen und nur bei Temperaturen knapp unter null Grad Celsius. Notwendig sind auch eine hohe Luftfeuchtigkeit und Windstille. Denn durch bewegte, trockene Luft würde das austretende Wasser sofort sublimieren, also sich in Wasserdampf auflösen, und gar keine Eiskristalle bilden.

Die Kunstwerke der Natur sind damit ebenso schön wie vergänglich, weil die Witterungsbedingungen meist nicht über einen längeren Zeitraum hinweg stabil sind. So setzte bereits am Nachmittag nach der Entdeckung Schneefall ein, und der nasse Schnee hat höchstwahrscheinlich die «Eislocken» zum Schmelzen gebracht und zerstört.