Machtkämpfe lösen Trauerspiel aus

Das Gemeindeparlament verabschiedet ein Budget mit einem Steuerfuss von 95 Prozent und tut sich schwer, ein Fiko-Präsidium zu finden.
Acht der insgesamt fünfzig Wettinger Einwohnerräte gehören der Finanzkommission an. (Bild: Archiv)

Das für die Wettingerinnen und Wet­tinger Wichtigste zuerst: Der Einwohnerrat hat das vom Gemeinderat überarbeitete Budget 2023 mit einem gleichbleibenden Steuerfuss von 95 Pro­zent – und einem 763 000 Franken Defizit – mit 32 gegen 12 Stimmen genehmigt. Anträge der Finanzkommission (Fiko), den Steuerfuss auf 96 Prozent anzuheben und mit kleineren Einsparungen den Voranschlag auch ausgabenseitig etwas zu verbessern, wurden abgelehnt. Auch ein Rückweisungs­antrag der Fraktion SP/Wetti­Grüen hatte keine Chance. Eine Rückweisung hätte automatisch bedeutet, dass der Aargauer Regierungsrat den Wettinger Steuerfuss festlegt. So werden die Stimmberechtigten am 12. März erneut an der Urne über das Budget zu entscheiden haben.

Zum Auftakt der Behandlung des Budgets gab es – je nach Wahrnehmung – eine Posse oder ein Trauerspiel. Die Kurzfassung der Vorgeschichte: Nach der Abfuhr für das ursprüngliche Budget an der Urne war Thomas Benz (Die Mitte) mit sofortiger Wirkung aus dem Einwohnerrat ausgeschieden, womit dieser seinen Fiko-Präsidenten verlor. Eine Nachfolgerin für den Fiko-Sitz wurde mit Simona Nicodet (Die Mitte) gefunden. Für das Präsidium hingegen lagen dem Einwohnerratspräsidenten Lutz Fischer-Lamprecht (EVP) keine Bewerbungen aus dem Kreis der acht wählbaren Fiko-Mitglieder vor – insbesondere auch von jenen nicht, deren Parteien (namentlich SVP und GLP) sich mit aller Kraft gegen eine Erhöhung des Steuerfusses gestemmt hatten.

Wahlk(r)ämpfe um Fiko-Präsidium
Dass der Kelch nicht an ihm vorbei gehen dürfte, ahnte Leo Scherer (WettiGrüen) als Vizepräsident der Kommission. Der «alte Haudegen», seit 1990 Einwohnerrat, kontaktierte deshalb die Mitglieder des Gemeinde­parlaments. Er verlangte, dass man ihn zu einer Kandidatur auffordert und ihm vor dem Wahltag das Vertrauen ausspricht. Der erste Wahlgang – in geheimer Abstimmung, wie im Geschäftsreglement vorgesehen: «Gewählt ist, bei einem absoluten Mehr von 21 Stimmen, Leo Scherer mit 21 Stimmen.» Der erklärte umgehend Nichtannahme der Wahl und sagte: «Mit den exakt 21 Stimmen habt ihr mich gedemütigt.»

In der ihm eigenen, wenig diplomatischen Art forderte er den Rat auf, ihm im zweiten Wahlgang für eine Annahme der Wahl mindestens die maximale Zahl Stimmen minus zehn zu geben. «Das ist faktisch eine Erpressung», sagte SVP-Fraktionspräsident Martin Fricker – wobei die Frage erlaubt sein muss, weshalb Scherer ohne gewisse Garantien in den sauren Apfel beissen sollte? Der zweite Wahlgang? 21 Stimmen für Scherer, der umgehend als Fiko-Vize zurücktrat – und auch das vorbereitete Kommissionsreferat zum Budget nicht vortrug. Ratspräsident Fischer-Lamprecht beendete das Trauerspiel und vertagte die Wahl eines Fiko-Präsidiums auf die nächste Einwohnerratssitzung im März.

Fachkräftemangel bei der Polizei
Am Vortag der Einwohnerratssitzung hatte der Fernsehsender «Tele M1» berichtet, dass 17 Angehörige der Regionalpolizei Wettingen in den vergangenen Monaten gekündigt hätten. Ist der neue ­Polizeichef – seit zehn Monaten im Amt – schuld daran, wie die Berichterstattung suggerierte? Gemeinde­ammann Roland Kuster widersprach dem in einer Erklärung vehement: «Der Polizeikommandant hat mein vollstes Vertrauen.» Das gleiche gelte für die Verbandsgemeinden – «sonst wäre wohl der neue Vertrag mit den Gemeinden nicht zustande gekommen». Fakt sei, dass ein erheblicher Stellenwechsel zu verzeichnen ist und verschiedene Vakanzen bestehen. Darüber habe er bereits im Oktober im Rahmen der Budget­debatte orientiert. Damals waren 900 Stellenprozente nicht besetzt. Aktuell seien 29 Polizisten sowie 3 Aspiranten angestellt. Budgetiert sind 3900 Stellenprozente.

Auch andere Korps in der Region, ja schweizweit, leiden unter Fachkräftemangel, wie der Polizeiverband klagt. Was tun? Kuster setzt auf die Rekrutierung von Berufseinsteigern (Aspiranten), vor allem aber auf attraktive Arbeitsbedingungen. Für die Bürgerinnen und Bürger wichtig: «Die Sicherheit im Repol-­Gebiet ist jederzeit gewährleistet», sagt Kuster. «Sicherheitsbedürfnisse und Polizeipräsenz haben vor verwaltungspolizei­lichen Aufgaben Priorität.»