Bücher als ein kulturelles Erbe

Seit dem Umzug der Stadtbibliothek in den Effingerhof fehlen Raritäten. Historiker Titus Meier hat Fragen zu den Vorgängen.
Die Stadtbibliothek präsentiert einen zeitgenössischen Ausleihbestand. (Bild: cd)

Einwohnerrat Titus Meier (FDP) reichte kürzlich eine fünfseitige Kleine Anfrage «betreffend Umgang mit dem kulturellen Erbe der Stadt Brugg im Zusammenhang mit der Integration der Stadtbibliothek in die städtische Verwaltung» ein. Der Historiker möchte von der Stadt wissen, was beim Umzug der Bibliothek vom Zimmermannhaus in den Effingerhof mit gewissen Raritäten geschehen ist. Der Bestand ausleihbarer Bücher sei beim Umzug nicht nur reduziert, sondern ein wertvoller Altbestand sei «abgewickelt», das heisst liquidiert, und weggegeben worden, schreibt Meier. «Ein Skandal!», findet der FDP-Politiker.

Bildungsstadt Brugg
Bildung hat in Brugg Tradition. Schon Ende des 13. Jahrhunderts gab es hier die Lateinschule, und der Beiname «Prophetenstädtchen», den Brugg nach der Reformation erhielt, referiert auf das Gewicht, das die Stadt als geistliche Bildungsstätte innehatte.

Im oberen Stockwerk des neuen Lateinschulhauses wurde 1640 eine erste Bibliothek gegründet – die älteste im Kanton Aargau, wie Meier betont. In seiner Kleinen Anfrage zeichnet der Politiker auch die Wege – und Umwege – bestimmter Raritäten und Kostbarkeiten nach, bis sie in den Bestand der 1864 gegründeten Stadtbibliothek gelangten.

«Bruggensia» gesammelt
Die Stadtbibliothekare hätten mit viel Hingabe und im Sinne des statutarischen Auftrags auch gezielt «Bruggensia» gesammelt, heisst es in Meiers Kleinen Anfrage.

«Bruggensia» sind Bücher von Brugger Autorinnen und Autoren, Werke über Brugg und seine Bevölkerung sowie alte Stadtansichten, erklärt der Historiker. Zahlreiche Werke waren der Bibliothek auch geschenkt worden im Wissen darum, dass sie dort in guten Händen und für die Öffentlichkeit zugänglich seien. Über die Jahre sei so eine grossartige und wertvolle Sammlung zustande gekommen, die für die Beschäftigung mit der Stadt- und Regionalgeschichte sehr bedeutsam sei, hält der FDP-Politiker fest. Die seltenen alten Bücher seien teilweise nicht im Ausleihbestand zu finden gewesen, jedoch im Archiv im Untergeschoss der ehemaligen Bibliothek im Zimmermannhaus sicher aufgehoben worden – bis zum Entscheid der Stadt, den Altbestand «abzuwickeln», so Meier. Was die «Bruggensia»-Exemplare betrifft, fragt Meier in seinem Schreiben an den Stadtrat, ob die Erteilung eines Sammlungsauftrags für die Brugger Werke in Erwägung gezogen würde.

Der Wert alter Bücher
Der Einwohnerrat stellt mit seinem Vorstoss auch die rhetorische Frage nach dem kulturellen Wert von Büchern und alten Schriften und weist auf deren hohen Eigenwert hin.

Der Entscheid, den Altbestand zu liquidieren, zeuge von mangelndem Respekt, findet Meier, und möchte wissen, wer diesen gefällt habe und was mit den Beständen geschehen sei. Abklärungen hätten ergeben, dass die Kantonsbibliothek dazu eingeladen worden war, ihren eigenen Bestand mit Werken aus Brugg zu ergänzen. Bei einigen Büchern aus dem Altbestand dürfte es sich um Unikate gehandelt haben. Von der Trennung des Altbestands erfuhr der Lehrer durch einen befreundeten Historiker. Am Chlausmarkt in Brugg entdeckte Meier daraufhin verschiedene Bücher aus der Stadtbibliothek, die seiner Meinung nach im Bestand hätten verbleiben müssen.

In den vierzehn Fragen, die Meier in seinem Papier formulierte, möchte er beispielsweise auch wissen, ob der Wert des Altbestandes durch unabhängige Expertise geschätzt wurde, ob aufgrund eines erstellten Inventars der Umfang und Verbleib der Bücher nachvollzogen werden könne, und weshalb auf entsprechende Fragen im Vorfeld der Urnenabstimmung 2021 über die Standortverlegung der Stadtbibliothek der Eindruck erweckt worden sei, der Altbestand bleibe erhalten. Der Stadtrat wird auf Meiers schriftliche Anfrage wie üblich schriftlich Stellung nehmen.

Bibliothek erfüllt Auftrag
Die Stadtbibliothek versichert, der Ausleihbestand entspreche demjenigen von vor dem Umzug in den Effingerhof. Seit Dezember weise der Bestand sogar 500 neue Titel auf. Der Auftrag einer öffentlichen Bibliothek besteht darin, einen modernen Medienbestand zu präsentieren und die Zielgruppen anzusprechen. Zudem orientiere man sich an den im Bibliothekskonzept beschriebenen Aufgabenschwerpunkten. Die Stadtbibliothek, ein Mitglied der Bibliosuisse, verzeichnet grossen Benutzerzuspruch und leistet einen wertvollen Beitrag zum kulturellen Leben.