Familienstreitigkeiten vorbeugen

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Sternstunde» erklärte die Rechtsanwältin Rahel Edelmann Interessierten, was es zu beachten gilt.
Rechtsanwältin Rahel Edelmann referierte im Kirchgemeindesaal. (Bild: sim)

Die Veranstaltungsreihe «Sternstunde» ist ein Angebot der Reformierten Kirche Surbtal, das sich an Seniorinnen und Senioren, aber auch an Menschen richtet, die «mitten im Leben stehen». Interessierte treffen sich dort regelmässig, um sich auszutauschen und relevante Themen aus den Bereichen Religion und Gesellschaft zu besprechen. «Die Veranstaltungsreihe gibt es seit 2018», erklärt Vreni Muntwyler, die die Abendveranstaltungen immer organisiert. «Während Corona hatten wir zuletzt allerdings nur wenige Teilnehmende, deshalb haben wir heute auch nicht mit einem so grossen Andrang gerechnet», fährt sie fort. Rund dreissig Interessierte fanden am 15. Februar den Weg in den Kirchgemeindesaal Tegerfelden, um sich dort über die Veränderungen im Schweizer Erbrecht zu informieren, die per 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind.

Neuerungen im Pflichtteilsrecht
Nach der Begrüssung durch die Pfarrerin Brigit Wintzer übernahm die Zürcher Anwältin Rahel Edelmann den fachlichen Teil. In ihrem Vortrag ging sie detailliert auf die Neuerungen im Schweizer Erbrecht ein und erläuterte deren Relevanz im täglichen Leben. Die aktuelle Erbrechtsrevision brachte keine Änderung der gesetzlichen Erbfolge mit sich. Diese tritt ein, wenn eine Erblasserin oder ein Erblasser keine anderweitigen Regelungen im Falle ihres oder seines Ablebens getroffen hat. Eine wichtige Änderung gab es aber im damit eng zusammenhängenden Pflichtteilsrecht.

Pflichtteile garantieren gewissen Erben – namentlich den Nachkommen und dem überlebenden Ehegatten – einen Anteil ihres gesetzlichen Erbanspruchs. Bisher waren auch die Eltern eines Erblassers pflichtteils­geschützt, dieser Schutz wurde im Zuge der Revision aber aufgehoben. Diese Quoten am gesetzlichen Erbanspruch – Pflichtteile – sind vom Erbrecht geschützt, entsprechend kann eine Person von Todes wegen auch nicht darüber verfügen.

Mit der Erbrechtsrevision entfällt nicht nur der Pflichtteilsschutz der Eltern des Erblassers. Auch die Quoten der noch pflichtteilsgeschützten Erben wurden von drei Vierteln auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs reduziert. «Ein Ziel dieser Gesetzesrevision war ganz klar, die Verfügungsfreiheit der Erblasser zu erhöhen. Neu hat man also die Möglichkeit, über einen grösseren Teil des eigenen Vermögens zu verfügen, sofern man darüber verfügen möchte», erläuterte Rahel Edelmann.

Damit soll laut Botschaft des Bundesrats vor allem eine stärkere Begünstigung von überlebenden Ehe­gatten oder eingetragenen Partnern erleichtert werden. «Massgeblich ist dabei tatsächlich der Todeszeitpunkt des Erblassers. Wenn also jemand nach dem 1. Januar 2023 gestorben ist, findet das neue Recht Anwendung», so die Rechtsanwältin.

Der Bundesrat beabsichtigt, die Nachfolgeregelung in Familienunternehmen mit weiteren erbrechtlichen Anpassungen in Zukunft weiter zu erleichtern. Die erhöhte Verfügungsfreiheit ermöglicht es nun bereits, solche Unternehmen beim Generationenwechsel als Einheit zu vererben, ohne dadurch Pflichtteilsansprüche des überlebenden Ehegatten oder weiterer Nachkommen zu verletzen.

Die Erbrechtsrevision berührt so gesehen den Grossteil der Bevölkerung nicht – all jene nämlich, die gar nicht von Todes wegen über ihr Vermögen verfügen. Zu Unklarheit führt die Revision unter Umständen dort, wo ein Erblasser im Wissen um den Pflichtteilsschutz den eigenen Eltern im Testament von Todes wegen einen Teil der Erbschaft vermacht hat. Da stellt sich nun die Frage, ob die nach dem 1. Januar verstorbene Person ihren Eltern diesen Betrag auch in Anbetracht des weggefallenen Pflichtteilsschutzes hinterlassen hätte. Laut Rahel Edelmann liessen sich aber die meisten Fälle lösen, indem die konkrete Formulierung vom Gericht nach dem Willensprinzip ausgelegt wird.

Viele konkrete Fragen
Nach den Ausführungen Edelmanns bot sich den Anwesenden die Gelegenheit, der Expertin ihre Fragen zu stellen. Davon wurde reger Gebrauch gemacht. Dabei bewiesen die Anwesenden, dass sie dem Vortrag aufmerksam gelauscht hatten, denn nun wollten sie von der Anwältin konkrete und detaillierte Antworten sowie Beispiele zu den eben vorgetragenen Ausführungen. Und bald schon stand die Juristin nicht mehr alleine im Zentrum der Aufmerksamkeit, weil man sich gegenseitig Tipps gab und von persönlichen Erfahrungen berichtete.

Nachdem alle Fragen geklärt waren, fand der Abend im Kirchgemeindesaal bei einem kleinen Imbiss einen stimmigen Abschluss.