Schon wieder!

In der Rubrik «Querbeet» beleuchten namhafte Autorinnen und Autoren ein von ihnen gewähltes Thema – und sorgen damit wöchentlich für Inspiration.

Ich bin unverbesserlich. Das ist aktenkundig. Allein letztes Jahr habe ich das Kunststück fertiggebracht, vier Mal exakt einen Kilometer zu schnell zu fahren. Wiederholungstäter nennt man sowas, uneinsichtiger obendrein. Nein, ich hadere nicht mit dem Schicksal oder dem Messsystem – Grenzwerte sind unvermeidlich, wenn man ein Rechtsprinzip durchsetzen will. Meine «Abonnementsgebühr» von vierzig Franken begleiche ich denn auch anstandslos und bin erst noch froh, nicht bereits als notorischer Stammkunde registriert zu sein. Obwohl ich mir da nicht so ganz sicher bin, weil auf der Zahlungseinladung immer auch eine Register-Nummer steht – und wofür braucht es diese, wenn nicht zum Registrieren?

Aber darum gehts mir ja gar nicht. Was mich stört, ist dieses unsägliche Schuldgefühl, das einen befällt, wenn man nur schon ein amtliches Kuvert mit der Aufschrift «Stadt Baden», «Regionalpolizei Brugg» oder «Kanton Luzern» aus dem Briefkasten angelt. Da läuten alle Sturmglocken, und schon beim Aufreissen des Kuverts steigt der Blutdruck wie bei einem Tombolatreffer, nur aus gegenläufigen Motiven.

«Schon wieder?», frage ich mich da als sonst chronischer Tugendbold. Und dann diese lähmende Gewissheit, von einem völlig empathielosen Gerät in flagranti ertappt worden zu sein, das Gesetz einmal mehr übertreten zu haben, und zwar um ebendiesen Kilometer! Könnte man mir das denn nicht wenigstens etwas schonender, einfühlsamer, aufbauender mitteilen, als Motivation, mich doch reumütig wieder in die motorisierte Gemeinschaft zu integrieren?

Zum Beispiel so: «Vorab danken wir für Ihre Bemühungen, die Verkehrsregeln auf einen Kilometer genau zu befolgen! Sie fahren damit präziser als 864 andere Strassenbenützer, denen dies nicht so gut gelungen ist! Übrigens trägt Ihr Kilometerbeitrag auch wirksam dazu bei, unsere Blitzer zu amortisieren, die wir uns ohne Sie gar nicht leisten könnten.» – Wenn die wüssten, wie viel lieber ich dann immer meinen Obolus entrichten würde!

ernst.bannwart@bluewin.ch