Am 12. März finden in Baden und Turgi die alles entscheidenden Volksabstimmungen statt: Schliessen sich die Gemeinden zu einem Regionalzentrum mit grosser Ausstrahlung und ebenso grossem wirtschaftlichem und politischem Gewicht zusammen? Oder bleibt das ein Traum? In Turgi deutet nichts in die Richtung eines Neins. In den verschiedenen demokratischen Schritten hin zum finalen Entscheid haben sich immerhin bis zu neunzig Prozent jener Stimmbürgerinnen und -bürger, die sich am politischen Leben beteiligen, für die Fusion ausgesprochen.
In Baden sind die SVP und vereinzelte Leute aus den Reihen der FDP gegen die Fusion – ein Nein-Komitee gibt es aber ebenso wenig wie einen Abstimmungskampf, der diesen Namen verdient. Für ein Ja machen sich SP, FDP, Die Mitte, team baden, Grüne, GLP und EVP stark und haben ein Ja-Komitee gegründet. Es gab Spaziergänge durch die Quartiere der beiden Gemeinden und Infoveranstaltungen. Genügt das für ein Ja in Baden?
Andere Ausgangslage als 2010
2010 sah es ähnlich gut aus. Damals standen Baden und Neuenhof unmittelbar vor einer Fusion – die aufgrund von Umfragen und Prognosen beschlossene Sache zu sein schien. Dann, am Nachmittag des 13. Juni 2010, der grosse Kater: Die Neuenhoferinnen und Neuenhofer befürworteten den Zusammenschluss mit 93 Prozent Ja-Stimmen, in Baden aber gab es ein äusserst knappes Nein, mit nur 24 Stimmen Differenz. Die Ausgangslage ist 2023 eine deutlich andere. Zwischen Baden und Turgi gibt es sehr viele Berührungspunkte – gemeinsame Interessen, Perspektiven und Probleme. Beide wollen sich weiterentwickeln. Baden sind in der Limmatklus Grenzen gesetzt, auch wenn es im Gebiet Nord (ehemalige BBC) oder in der Oberstadt noch Möglichkeiten gibt.
Anders die Situation in Turgi. Hier ist Raum für Wohnungen und eine wirtschaftliche Entwicklung vorhanden. Im Gegensatz zum derzeit boomenden Dättwil sind die entsprechenden Zonen mit dem öV (SBB) so gut erschlossen, dass kein Verkehrskollaps droht. Im Gegenzug gibt es für die Einwohnerinnen und Einwohner Turgis einen tieferen Steuerfuss.
Eine «Win-win-Situation»
Baden kann seine Zentrumslasten auf mehr Schulterpaare verteilen, während die Leute in Turgi für weniger Geld ein Mehr an Leistungen der öffentlichen Hand erhalten. Oder anders ausgedrückt: Eine «Win-win-Situation» entsteht, wenn sich Gross und Klein finden. Das belegen die Erfolgsgeschichten von Dättwil (ab 1962 mit Baden) oder Lauffohr, seit 1970 ein Stadtteil von Brugg.
Weshalb tun wir uns mit Fusionen so schwer? Auf dem Reissbrett kann man aus Gemeinden neue Einheiten bilden, die effizienter, kostengünstiger und bürgerfreundlicher funktionieren. Doch wo Heimat ist, regiert nicht nur der Kopf, sondern auch das Herz. Das macht die Fusionen von Gemeinden so schwierig. Turgi, Trägerin des Wakkerpreises, ist da in einer anderen Ausgangslage. Turgi hat ein intaktes Ortszentrum und ein reges Vereinsleben. Politisch engagierte Leute aus Turgi finden ihren Platz in den Badener Gremien, wo für sie in einer Übergangsphase acht Sitze im Einwohnerrat reserviert sind. Danach? Leute, die sich für die Gemeinschaft einsetzen, sich für Politik zur Verfügung stellen, sind eher rar. Die Parteien der Fusionsgemeinde sind froh über Kandidatinnen und Kandidaten aus dem heutigen Turgi.
Gegen den Sog aus Zürich
Nicht Baden wird Turgi prägen, sondern Turgi wird Baden mitgestalten. Die Stadt Baden wird als Regionalzentrum gestärkt – eventuell zur Partnerin für weitere Fusionen. Wir befinden uns in einer verkehrs- und siedlungstechnisch zusammengewachsenen Agglomeration. Die Zerschneidung funktional eng verflochtener Siedlungsräume durch Gemeindegrenzen führt insgesamt zu hohen Reibungsverlusten und Koordinationskosten – ein Beispiel ist das künftige Mobilitätskonzept Ostaargau. Der Sog Zürichs hat die Region längst erreicht. Dem könnte die fusionierte Gemeinde Baden-Turgi ein starkes Regionalzentrum entgegensetzen.