«Die Ästhetik der E-Bikes hat zugelegt»

Roland Moser (59) lebt fürs Velo. Als Pionier hat er in der Bike Zone Windisch schon früh aufs E-Bike gesetzt. Zu Recht, wie sich heute zeigt.
Hat 1998 seinen einstigen Lehrbetrieb Koall übernommen und zur Bike Zone gemacht: Roland Moser (rechts), hier mit Mitinhaber Sandro Acklin. (Bild: aru)

Roland Moser, können Sie sich noch an Ihre erste Fahrt mit dem E-Bike erinnern?
O ja! Sie fand in der Nacht statt.

Wie bitte?
Damit mich niemand sieht, stieg ich damals im Dunkeln auf den Sattel. (Lacht.) Schliesslich war ich mal Spitzensportler, mein Leben war das Rennvelo. Nun wagte ich den Versuch mit einem Bike, von dem alle sagten: Das ist was für Weichlinge! Aber ich war hin und weg von diesem Fahrgefühl – und ehe ich mich versah, sass ich sechs Abende pro Woche auf diesem E-Bike, war total angefressen. Und dann kam der Moment, als ich mich vor meinen Rennfahrerkollegen outen musste. Das war hart! Zuerst kamen die flotten Sprüche, danach stieg einer nach dem anderen ebenfalls um.

Was hat Sie am E-Bike so fasziniert?
Der Trainingseffekt. Das E-Bike wird oft belächelt. Viele denken, es sei etwas für Faule. Das stimmt nicht. Durch die Unterstützung kann man auf einem E-Bike dauernd in einem Bereich trainieren, in dem der Puls niedrig bleibt, ähnlich wie beispielsweise beim Nordic Walking. Solche konstanten Trainings wirken in hohem Masse aufbauend. Dazu kommt der Spassfaktor. Mit dem E-Bike pedalt man in einem lockeren Tempo den Berg hoch und saust auf der anderen Seite wieder herunter.

Also ist ein E-Bike nicht nur etwas für Rentnerinnen und Rentner?
Ganz und gar nicht. Obwohl Rentner dank den E-Bikes natürlich viel mehr Kilometer machen, als sie ohne machen würden. Es macht einfach Spass! E-Bikes lohnen sich auch, wenn man auf dem Weg zur Arbeit, zum Bahnhof oder zum Einkaufen starke Steigungen überwinden muss – noch dazu mit Kindern im Anhänger. Oder wenn man zur Arbeit pendeln will, ohne im Stau stecken zu bleiben oder total verschwitzt im Büro anzukommen.

Sie gehörten mit Bike Zone zu den E-Bike-Pionieren in der Region. Wie kam das?
Wir entschieden uns vor rund zwanzig Jahren, Flyer ins Sortiment aufzunehmen. Die ersten E-Bikes waren teuer – zwischen 8000 und 10 000 Franken. Das Pendeln kam damals immer mehr auf, und wir wussten: Im E-Bike liegt die Zukunft! So entschieden wir uns für diesen Weg. Heute verkaufen wir viel mehr E-Bikes als konventionelle Velos.

Mit dem E-Bike kamen viele neue Fragen – zum Beispiel: Was kann ich tun, damit mein Akku möglichst lang hält?
Wenn Kundinnen und Kunden so ein teures Bike kaufen, will ich ihnen auch etwas zurückgeben. So rief ich den E-Bike-Treff ins Leben. Bei den sonntäglichen gemeinsamen Fahrten – sie sind übrigens kostenlos – kann ich die Leute dort begleiten, wo sie praktische Unterstützung brauchen. Wichtig für die Betriebsdauer eines Akkus ist zum Beispiel, dass man nicht in einem zu hohen Gang anfährt und dass die Pace stimmt.

Das bedeutet?
Mit Pace ist die Kurbelumdrehung pro Minute gemeint. Mit der richtigen Pace ist die Kraftübertragung am effizientesten. Bei einem E-Bike strebt man 80 bis 90 Umdrehungen pro Minute an, bei einem Citybike 60 bis 70. Am Anfang orientiert man sich nach den Angaben am Velo oder in der App, und allmählich bekommt man ein Gefühl dafür. Als ehemaliger Radrennfahrer habe ich die optimale Kraftübertragung viele Jahre trainiert – meine Akkus halten folglich sehr lang. Ich habe einen 700-Wattstunden-Akku, mein Velo ist jetzt knapp drei Jahren alt, und der Gesundheitszustand des Akkus liegt aktuell bei 94 Prozent. Die Hersteller geben oft eine niedrigere Laufzeit an, da sie sich absichern wollen. Wir machen die Erfahrung, dass ein Akku durchschnittlich 3 bis 7 Prozent pro Jahr verliert.

Das heisst, ein E-Bike-Akku hält etwa zehn Jahre.
Ja, die ersten Flyer-Kundinnen und -Kunden kamen nach circa acht Jahren und sagten, der Akku reiche nur noch für 20 Kilometer. Die Akkus sind sehr teuer, deshalb empfehlen wir den Kauf eines Zweitakkus in der Regel nicht. Will man längere Touren machen, kann man auch einen ausleihen.

Ist die Umstellung aufs E-Bike schwierig?
Es ist es ein Umlernen, ganz klar. Aber mit einer guten Beratung bekommt man das schnell hin. Es gibt ja ganz verschiedene E-Bikes, und wichtig ist, dass man eines kauft, das den eigenen Bedürfnissen entspricht. Menschen, die grössere Strecken pendeln, empfehle ich die Highspeed-Variante. Wir haben Kunden, die damit von Brugg nach Zürich zur Arbeit fahren. Man muss allerdings wissen, dass man damit nur auf Wegen fahren darf, die für Motorfahr-räder freigegeben sind. Dann gibt es E-Varianten für kürzere Strecken oder längere Touren, Mountainbikes oder Rennvelos.

E-Rennvelos: Ist das nicht absurd?
Bei diesen hat man meist nur eine leichte Unterstützung, sonst wird das Rennrad zu schwer. Wir verkaufen sie oft an Frauen, die mit ihrem Partner trainieren wollen, aber aufgrund der unterschiedlichen Kraftverhältnisse bei Touren schnell abgehängt werden. Wir haben auch schon die Rückmeldung erhalten: Das E-Bike hat unsere Ehe gerettet. (Lacht.)

Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren beim E-Bike besonders entwickelt?
Markant verändert haben sich die Reichweite sowie die Lautstärke und die Kraft des Motors. Auch die Ästhetik der E-Bikes hat insgesamt extrem zugelegt. Die Akkus wurden immer leistungsstärker – viele sind heute zudem ins Fahrgestell integriert.

Sind die Akkus unter dem Gepäckträger ein Auslaufmodell?
Das Problem ist, dass dabei das Gewicht nach hinten und oben verlagert wird. Das wirkt wie eine schwere Gepäcktasche – das Velo beginnt beim Fahren zu flattern. Deshalb kommt man mehr und mehr davon ab.

Apropos Gewicht: E-Bikes sind ja ziemlich schwer. Mal schnell die Treppe hochtragen, liegt nicht mehr drin.
Deshalb kommen die SL-, also die Superlight-Varianten, immer mehr auf – speziell beliebt sind sie bei den Citybikes und den Rennvelos, bei denen man nicht die Megaleistung eines Akkus braucht. Diese Fahrräder wiegen nur 17 bis 20 Kilogramm und kommen damit an ein herkömmliches Velo heran. Aber Varianten mit grösseren Akkus sind logischerweise schwerer. 

Woher kommt eigentlich Ihre Leidenschaft fürs Velo?
Bereits mit zehn Jahren durfte ich die Radsportschule Gippingen besuchen, später ging ich als Junior zum RV Ehrendingen. Mit 23 hörte ich auf und wechselte zum Kampfsport. Als in den 90ern das Mountainbike aufkam, hat es mich erwischt. Mein Herz schlägt zwar immer noch für den «Gümmeler», aber ich liebe die Touren mit dem E-Mountainbike. Das Radfahren war für mich eine Lebensschule: Ich trainierte Disziplin, Konzentration, Ausdauer und Reaktion. Noch heute erwacht beim Biken der Bub in mir. Diese Wendigkeit, die schnellen Entscheide, das Hüpfen auf dem unebenen Untergrund: Da lebe ich auf!

Der E-Bike-Treff Windisch bietet E-Mountainbike-Fahrern jeden Sonntag von 9.30 bis 12 Uhr Gelegenheit, mit Gleichgesinnten auf Touren zu kommen. Ab April findet zudem jeden zweiten Dienstag um 13.30 Uhr eine Tour für Ü60-Fahrerinnen und -Fahrer von E-Citybikes und Bikes statt. Infos gibts unter ebiketreff.ch.