Der Hauptbahnhof Zürich wird täglich von bis zu 500 000 Menschen frequentiert. Am 8. März, dem Weltfrauentag, wurde in der Haupthalle die Ausstellung «Equalities» eröffnet. Mittendrin das Werkprojekt «Female justice for all» der beiden Untersiggenthaler Künstlerinnen Natalie Frick und Franziska Venrath alias «Deuxschwo»: Ihre Figur ist eine von insgesamt dreissig Skulpturen und wurde in der Nähe des «Treffpunkts» platziert. Für das Kleid ihrer Skulptur benötigten die beiden 23 000 Fünfrappen-Stücke. Um der Bevölkerung die Mitwirkung an ihrem Projekt zu ermöglichen, hatten Venrath und Frick Ende Jahr zu einer Sammelaktion eingeladen («Rundschau» vom 5. Januar). Die kleinen goldenen Münzen fanden daraufhin auf vielen Wegen ins Deuxschwo-Atelier.
Überwältigende Solidarität
Die Geldstücke seien schneller zusammengekommen als erhofft. «Wir erhielten zudem unzählige Briefe und Karten mit ermutigenden Worten, und die gesammelten Fünferli waren oft reizend verpackt», erzählt Frick. Viele Frauen hätten ihre Solidaritätsbekundungen mitsamt den gesammelten Münzen sogar persönlich überbracht. «Es war überwältigend und bewegend zu erleben, wie es den Frauen gleich klar war, um was es uns bei der Sammelaktion geht», berichtet Frick. In den Briefen, welche die Spenderinnen den Fünfräpplern beilegten, sei deutlich zum Ausdruck gekommen, wie sehr sie es schätzten, einen kleinen Beitrag zu den Gleichstellungsbestrebungen leisten zu können.
Auch das Bewusstsein, dass sie durch ihre gesammelten Fünferli die Frauen repräsentieren, sei des öftern formuliert worden. Immerhin seien auch von sechs Männern Münzspenden eingegangen, erzählt Frick. «Wir sind berührt von den Reaktionen, welche unsere Arbeit schon im Vorfeld hervorgerufen hat», sagen die Künstlerinnen einstimmig.
Das Konzept und die Botschaft der Deuxschwo-Werkeingabe hatte im Dezember letzten Jahres auch die Jury von «Advance», einer führenden Zürcher Non-Profitorganisation für Geschlechtergleichstellung, überzeugt.
Fünfliber symbolisieren Männer
Die künstlerische Umsetzung ihrer Botschaft hatte das Deuxschwo-Duo vorwiegend auf die Tatsachen gestützt, dass 75 Prozent aller Führungspositionen in der Schweiz von Männern bekleidet sind. Auf ihrer zwei Meter hohen, von der Jury vorgegebenen Skultpur ist dieses Faktum jedoch auf den Kopf gestellt, denn sie ist hoffnungsvoll zu drei Vierteln mit Frauen besetzt, die auf der Prägung der kleinsten Umlaufmünzen hierzulande durch die Libertas repräsentiert sind. «Sie zeigen die vielen unterbezahlten Frauen», vermitteln die kritischen Künstlerinnen damit. Sie haben ihrem Werk den Titel «Female justice for all» gegeben.
Die Verteilung der Münzen auf der «Advancine» verdeutlicht gleichzeitig, dass in den oberen Etagen noch immer mehrheitlich Männer tonangebend sind. So sind die Schultern und das wehende Haar mit Fünflibern aus dem 3-D-Drucker verziert: Den grössten und schwersten Münzen, auf denen mit einem Alphirten ein Mann abgebildet ist. Die Skulptur bildet die gesellschaftliche Realität künstlerisch ab und macht sie sichtbar.
Vom HB in den «Circle»
Die Ausstellung dauert noch bis zum 22. März. Danach wird die Untersiggenthaler «Advancine» noch ein Jahr lang im «Circle» am Flughafen stehen. «Danach wird sie in der Rentenanstalt in Zürich zu sehen sein», erzählen die Künstlerinnen glücklich.