«Heute ist ein unheimlich schöner Tag!»

Turgi mit 85,7 und Baden mit 59,2 Prozent: Die Bevölkerung hat die Fusion der beiden ­Gemeinden angenommen. Das wurde im Bauernhaus gefeiert.
Angeführt von Stadtammann Markus Schneider, stattete der Stadtrat Baden der Gemeinde Turgi zur Feier des Abstimmungsresultats am 12. März einen Besuch ab.

Kurz vor dem Mittag schaut Adrian Schoop am Sonntag im Bauernhaus an der Limmat immer wieder ungeduldig auf sein Handy. «Markus schreibt …» liest er dort. Wenig später die Erlösung für den Gemeinde­ammann von Turgi: «59,2 Prozent JA – aber behalte es noch für dich», hat sein Badener Amtskollege Markus Schneider mit­geteilt. Nun ist es amtlich: Turgi wird per 1. Januar 2024 ein Quartier von Baden und heisst dann Turgi (Baden). Die beiden Gemeinden werden zur grössten Stadt im Kanton Aargau mit rund 22 800 Einwohnern fusionieren. Bei Schoop brechen nun alle Dämme. «Es ist unglaublich! Wir schliessen uns zusammen», ruft der 37-Jährige wieder und wieder. Als kurz darauf der vollzählige Badener Stadtrat in der Bahnhofstrasse auftaucht, sprintet Schoop der Gruppe entgegen und fällt Schneider um den Hals: «Herzlich willkommen in Baden!» Der Spruch wird an diesem Nachmittag zum «Running Gag».

Baden kommt nach Turgi: Dass die Exekutivmitglieder der Stadt das Abstimmungsergebnis im künftigen Quartier mit 3000 Einwohnern feiern, wird von den Anwesenden geschätzt. Turgi habe sich in den vergangenen zwei Jahren von Baden immer auf Augenhöhe behandelt gefühlt, sagt Adrian Schoop. Auch Markus Schneider zeigt sich begeistert: «Heute ist ein unheimlich schöner Tag! Turgi wird ein eigenständiges, cooles Quartier», ist der 58-Jährige überzeugt.

Die Erleichterung ist auch ihm anzumerken. Die grosse Angst vor einer knappen Ablehnung wie im Jahr 2010 bei Neuenhof – 24 Badener Stimmen machten damals den Unterschied – schwirrte in den Köpfen aller Beteiligten herum. «Nun haben wir uns endlich aus dem angespannten Fusions-Sog gelöst», freute sich Stadtrat Philippe Ramseier. Beide «Bräute» bringen eine Mitgift in die Verbindung: Turgi bietet Potenzial für eine räumliche Weiterentwicklung und Investitionen, Baden den Steuerfuss von 92 Prozent; in Turgi lag dieser bisher bei 113 Prozent.

Das «Ja» der Bevölkerung hat Signalwirkung weit über die beiden Gemeinden hinaus: Mit einer Ablehnung wären Fusionen mit kleineren Gemeinden für die Stadt Baden auf Jahrzehnte hinaus kein Thema mehr gewesen. Nun aber liegt der Ball bei den Nachbargemeinden. «Bei uns müsste das Signal aber von der Bevölkerung kommen», sagt Gebenstorfs Gemeindeammann Fabian Keller, der ebenfalls zum Gratulieren gekommen ist.

Bei der Abstimmungsfeier im Bauernhaus werden Hochzeitsgeschenke verteilt: Adrian Schoop überreicht Markus Schneider eine Turgemer Wappenscheibe, dieser revanchiert sich mit einem Baden-Pin. (Bild: is)

Genehmigung vom Grossen Rat
Offiziell wird die «Hochzeit» allerdings erst, wenn sie vom Grossen Rat des Kantons genehmigt ist. Dies dürfte voraussichtlich im September der Fall sein – und reine Formsache, weiss Schoop: «Wir dürfen das Geschäft sogar selber präsentieren.»

In gut neun Monaten wird die Verwaltung der Gemeinde Turgi aufgelöst, das Gemeindehaus könnte als Schulraum genutzt werden. Am Montagmorgen trat Schoop vor die Angestellten der Kanzlei und sagte: «Wir setzen uns für euch ein und stehen hinter euch.» Sämtliche Festangestellten dürfen nach Baden wechseln und haben eine Anstellungsgarantie bis 2026.

Auch der fünfköpfige Turgemer Gemeinderat wird per 31. Dezember 2023 aus der Pflicht entlassen. Für eine Übergangszeit von zwei Jahren darf das Quartier Turgi acht Einwohnerrätinnen und Einwohnerräte stellen, ab 2026 wird das Gremium dann wieder auf fünfzig Mitglieder reduziert. Die Wahlen sind im November.

Wer von den fünf aktuellen Ratsmitgliedern möchte die politische Karriere in Baden fortsetzen? Gegenüber der «Rundschau» bestätigen Vize­ammann Astrid Barben, Emanuel Ritzmann und Lucia Vettori, dass sie für den Einwohnerrat kandidieren wollen. Pascal Marder Vögele (Bürgerliche Vereinigung Turgi) hat sich noch nicht endgültig entschieden.

Das grosse Werben der Parteien
Bereits am Sonntag im Bauernhaus begann das grosse Werben um Barben (BVT), Ritzmann und Vettori (beide parteilos). Die Badener Parteien waren vor Ort und haben dem Vernehmen nach erste Gespräche mit potenziellen Einwohnerräten geführt. Lucia Vettori ist bewusst, dass sich ihre politische Tätigkeit als Einwohnerrätin stark verändern würde: «In einem Dorf wie Turgi wird Sachpolitik betrieben. In Baden wird es um Komunal- und Parteipolitik gehen.»

Für Adrian Schoop kommt Ende Jahr hingegen nach drei Legislaturen definitiv der Abschied aus der Kommunalpolitik. Er will für die FDP in den Nationalrat einziehen und werde weder für den Stadtrat, noch für den Einwohnerrat zur Verfügung stehen, hielt der Unternehmer fest: «Mir ist wichtig, dass ich die Ära in Turgi als Gemeindeammann abschliessen kann.»

Gründung eines Dorfvereins
Dennoch soll das Leben auch im Badener Quartier Turgi weitergehen: Bereits am 25. April findet die Gründungsversammlung des «Dorfvereins 5300 Turgi» im Bauernhaus an der Limmat statt. «Ziel ist, nach der Fusion mit Baden die Gemeinschaft in Turgi zu erhalten und zu fördern», erklärte Gemeinderätin Pascale Marder.

Am 23. November finden die letzte Gemeindeversammlung der Gemeinde Turgi statt. «Das wollen wir mit einem Riesenfest feiern», kündigte Adrian Schoop an. Und Markus Schneider sagt: «Ich freue mich schon jetzt auf den ersten gemeinsamen Neujahrsapéro in der Trafo-Halle.»

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(Bilder: is)

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