Liebe auf den zweiten Blick

Eigentlich wollte René Roth (58) nicht ­Taxifahrer werden, doch aus der Freude am Umgang mit beeinträchtigten ­Kindern erwuchsen Aargovia Taxi und sein privates Glück.
Inhaber und Geschäftsführer René Roth zeigt das neueste Rollstuhltaxi von Aargovia Taxi, einen VW Caddy. (Bild: rhö)

Aargovia Taxi, angesiedelt an der Bruggerstrasse 194 in Kappelerhof, ist neben Badener Taxi der grösste Player im Taxigewerbe in den Regionen Baden-Brugg, Zurzibiet und Fricktal. Zur Flotte des gebürtigen Turgemers René Roth gehören 45 Fahrzeuge, die von 10 Fest- und 15 Teilzeitangestellten bewegt werden. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte 2001 mit der Übernahme eines Einmannbetriebs.

«Zum ersten Mal bin ich in meiner Jugend Taxi gefahren», erinnert sich Roth. «Zusammen mit vier Kollegen nach Baden in den Ausgang.» Er selbst begann in anderen Gewerben als Berufschauffeur zu arbeiten. Drei Jahre lang transportierte er als Trucker von Basel Stahlrohre für Gasleitungen nach Schweden, den Niederlanden oder Italien. Danach fuhr er zwölf Jahre Postauto, zuerst auf der Linie Baden–Endingen, dann zwei Saisons in Meiringen-Hasliberg. «Danach kündigte ich, weil es mich langweilte, immer die gleichen Routen zu fahren, und ich wieder bei meiner Familie sein wollte», erzählt Roth. Als er überlegte, wie er in Zukunft seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, riet ihm sein Vater, das Auto und die Lizenz eines italienischen Taxifahrers zu übernehmen, der zurück in seine alte Heimat wollte.

Führend bei den Rollstuhltaxis
«Ich war skeptisch, ob sich dieses finanzielle Risiko auszahlen würde, ging es jedoch ein, da mir mein ­Vater, der kurz vor der Pensionierung stand und Erfahrung als Aushilfstaxifahrer mitbrachte, Unterstützung versprach», erklärt der Aargovia-Geschäftsführer, der in den ersten Jahren nicht einmal kostendeckend unterwegs war. Danach war für ihn klar, dass er den Betrieb aufgeben oder eine Nische finden musste. Er kam auf die Idee, Transporte für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung anzubieten, welche sonst nur vom Roten Kreuz und anderen Nichtprofitorganisationen übernommen wurden. «Der Kontakt mit diesen Kindern machte mir so viel Freude, dass ich schon bald das erste von inzwischen 15 Rollstuhltaxis anschaffte.»

Während Roth sich nur noch selten hinters Steuer eines herkömmlichen Taxis setzt, fährt er oft zweimal täglich den Schulbus des Zentrums Körperbehinderte ­Aargau (Zeka) in der Region Baden. Das ­Angebot für Beeinträchtigte, Handicapierte und mobil eingeschränkte Personen, zu dem ausserdem die Liegendtransporte gehören, wurde für ihn nicht nur ein wichtiger Unternehmenszweig, sondern brachte ihm auch privat Glück. Er lernte seine heutige Lebenspartnerin über ihr beeinträchtigtes Kind kennen.

Trotz der Grösse, die Aargovia Taxi durch die Übernahme von anderen Taxihaltern erreicht hat, ist es ein Familienbetrieb geblieben. Sohn Michel arbeitet als Fahrer und ist für die Werkstatt verantwortlich, die das ganze Spektrum von der Fahrzeugwartung bis zur Behebung von Blechschäden abdeckt. Tochter Nadia ist für das Personal- und Rechnungswesen zuständig. «Ich habe meine Kinder nie dazu gedrängt, in die Firma einzusteigen, aber es ist natürlich sehr schön, dass sie sich dazu entschlossen haben», betont der Patron. «So dürfte es mir leichter fallen, mein Pensum zurückschrauben, falls ich einmal morgens nicht mehr so gern aufstehen sollte.»

Anforderungen an Taxifahrer
Obwohl Roth sich fit fühlt, ist er froh, nicht mehr dauernd auf Achse zu sein. Der Verkehr sei dichter und die Leute seien ungeduldiger geworden als noch vor zwanzig Jahren. Der Zeitdruck ist in diesem Gewerbe zwar immer ein Thema, doch angesichts der Tempolimiten und der vielen Radarkontrollen, die gemacht werden, ist der Spielraum sehr gering.

Auf die Frage, was einen guten Taxifahrer ausmache, nennt Roth an erster Stelle den Umgang mit den Fahrgästen, da dieser die Kundenbindung schaffe. «Die jüngeren Gäste sind eher anspruchslos, weil sie vor allem mit ihren Handys beschäftigt sind, während sich die älteren Leute, die unsere Hauptklientel darstellen, gern unterhalten.» Prominente Fahrgäste sind eine Seltenheit. Zu ihnen zählte Mahara McKay, die 2000 zur Miss Schweiz gekrönte Untersiggenthalerin. «Leider merkte ich erst, dass sie es war, als ich ihr Bild in der Zeitung sah.»

Wer Taxifahrerin oder Taxifahrer werden möchte, muss die Theorieprüfung bestehen, bei der es vor allem um die Einhaltung des Arbeits- und Ruhegesetzes, die Benutzung der Tachoscheiben und das vorausschauende, achtsame Fahren geht. Die praktische Prüfung durch einen Experten des Strassenverkehrsamts sollte für jeden guten Autofahrer nur eine Formsache sein. Fahrer der Behindertentaxis werden bei Aargovia Taxi im Stundenlohn bezahlt, die anderen erhalten einen umsatzabhängigen Lohn. Die meisten Fahrten werden telefonisch unter der Nummer 056 288 22 22 bestellt, wenige per E-Mail oder App und zahlreiche an Taxistandplätzen an den Bahnhöfen aquiriert. Während sich die Taxiunternehmen untereinander aushelfen, wenn eines davon einen Grossauftrag nicht allein bewältigen kann, ist das Verhältnis zu Uber immer noch angespannt.

Vater René und Sohn Michel Roth in ihrem Londoner Taxi, das wie die beiden Rolls-Royce ausschliesslich mit Chauffeur gemietet werden kann. (Bild: rhö)

Taxen und Preziosen
«Mitbewerber hat man in jedem Geschäft, doch diese müssten gleich lange Spiesse haben, was in diesem Fall aber noch längst nicht festgelegt ist», kritisiert Roth. «Taxihalter müssen ihre Fahrzeuge jedes Jahr vorführen und mit Taxameter fahren, Uber nicht.» Die Aargovia-Fahrpreise errechnen sich aus einer Einsteigepauschale von 6.80 Franken, einem Kilometerpreis von 4.20 bis 4.60 Franken und einem Zuschlag, falls eine längere Leerfahrt nötig ist. Bei den Fahrzeugen vertraut Roth auf die zuverlässigen Mercedes, Toyota und VW sowie bei Neuanschaffungen auf Hybrid. «Wir haben bereits Gas und Wasserstoff ausprobiert, nur vom reinen Elektroantrieb lasse ich noch die Finger, da mir die Reichweite zu gering ist und die Batterieladezeit zu lang.»

Manchmal steht beim Aargovia-Chef allerdings nicht die Vernunft im Vordergrund, sondern die Passion. Roth ist Autoliebhaber, insbesondere von kantigen Edelkarossen mit Achtzylindermotoren. Während der bullige Geländewagen Mercedes G63 AMG böllert, flüstern die beiden Rolls-Royce Silver Spirit. Da Roth nur selten Zeit hat, um die feine englische Art des Fahrens zu geniessen, werden die Limousinen von Aargovia Taxi auch vermietet. Allerdings nur mit Chauffeur. Da wäre es natürlich von Vorteil, wenn man eine königliche Apanage hätte …