Die Corona-Pandemie und deren mögliche Auswirkungen auf die Steuereinnahmen oder die Sozialhilfeausgaben prägten nicht nur in Wettingen den Budgetprozess für 2022. «Schaut man sich nun die Rechnung für das verflossene Jahr an, scheint Corona nicht stattgefunden zu haben», stellt Markus Maibach, Vizeammann und Finanzvorstand der Gemeinde Wettingen, fest. In Zahlen: Die Steuererträge fielen um 2,6 Millionen Franken höher aus als prognostiziert – für die Sozialhilfe mussten ebenfalls 2,6 Millionen weniger ausgegeben werden. Beides sind Werte, welche sich nicht beeinflussen lassen. Dies gilt ebenso für die Gesundheitskosten (Pflegefinanzierung) und die Löhne der Lehrerinnen und Lehrer, an welche die Gemeinden einen Anteil von 35 Prozent zu leisten haben. Beide Positionen sind im Steigen begriffen – auch für das laufende Jahr. Dort, wo es Stellschrauben gibt und die Gemeinde Einfluss nehmen kann, habe man gespart, was sich sparen liess – und das Controlling dafür im Griff, sagt Maibach.
Fachkräftemangel und tiefe Personalkosten
Aufhorchen lässt ein Minus von 700 000 Franken bei den Personalkosten. Dieses ist so nicht gewollt, sondern die Folge des Fachkräftemangels, der sich in Wettingen besonders in Vakanzen bei der Regionalpolizei, aber auch in der Verwaltung niederschlägt. Einige Lücken konnten zwar mit externer Hilfe überbrückt werden (Kosten: 250 000 Franken) – was auf Dauer aber keine Lösung sei. Maibach bringt einen Teil des Problems auf den Punkt: «Wir sind Nachbar von Stadt und Kanton Zürich, wo die Verwaltungen andere Löhne bezahlen als Wettingen.» Die Gemeinde sei gezwungen, punkto Lohnanpassungen und weiteren Anreizsystemen für Angestellte Schritt zu halten.
Zu den Verwerfungen auf dem Kapitalmarkt äusserte sich Martin Frey, Leiter Finanzen: «Dank Minuszinsen verdienten wir bis zu 170 000 Franken an unseren Schulden.» Nun aber müssen auch Gemeinden mit Schuldzinsen von 1,5 bis 2 Prozent rechnen. In Wettingen habe man sich rechtzeitig zu einer Umschuldung entschlossen und so sichergestellt, dass mittelfristig im Durchschnitt 0,6 Prozent Zinsen fällig werden.
Verschuldung bei 5086 Franken
Apropos Schulden. Dank unterdurchschnittlich tiefen Investitionen und dem Überschuss im operationellen Bereich der Gemeinde konnten die Schulden leicht abgebaut werden – von 5239 auf 5086 Franken pro Einwohnerin und Einwohner. Das sind bei einem kantonalen Richtwert von 2500 Franken noch immer astronomische Sphären. Dazu Martin Frey: «Die Kennzahl des Kantons muss in Relation zur Gemeindegrösse gesetzt werden.» Eine 2000-Seelen-Gemeinde sei punkto Finanzen anders aufgestellt als Wettingen mit seinen 21 000 Einwohnern, die einen Schuldendienst von 733 000 Franken zu bewältigen haben.
Was bedeuten diese «Good News» nun konkret? Ist eine Erhöhung des Steuerfusses vom Tisch? Dazu Markus Maibach: «Ein ausgeglichenes Budget für 2024 ist tatsächlich in Reichweite.» Aber: «Das Strukturproblem der ungenügenden Selbstfinanzierung bleibt bestehen.» Damit ist gemeint, dass sich Wettingen ohne Massnahmen für weitere Investitionen – beispielsweise das von langer Hand geplante Generationenprojekt Oberstufenzentrum – massiv verschulden müsste. Deshalb will der Gemeinderat künftig grosse Investitionsprojekte an Vorfinanzierungen über Steuerfusserhöhungen koppeln. «Damit kann der Mehrbedarf an Steuermitteln zweckgebunden nachgewiesen werden», sagt Maibach. Erstmals dürfte dieser Schritt für das Jahr 2025 nötig werden.
Tempo-30-Versuch
Quasi als Surprise wartete Gemeinderätin Kirsten Ernst an der Medienorientierung mit der Nachricht auf, dass Wettingen etwas gegen den Ausweichverkehr auf der Route Märzengasse–Schartenstrasse unternehmen will. Von täglich 5000 Fahrzeugen befahren sechzig Prozent diese Route einzig, um die Stop-and-Go-Phasen auf der Landstrasse zu umfahren. Ab Sommer ist ein Testbetrieb mit Tempo 30 geplant. Dieser soll aufzeigen, ob mit diesem Schritt die Strecke für den Ausweichverkehr unattraktiv wird.