Durch die Fensterfront fällt weiches Morgenlicht, als die Seniorinnen nach und nach in der Turnhalle in Oberbözberg eintreffen. Viele wechseln ihr Schuhwerk und streifen sich Tanz- oder Gymnastikschuhe über die Füsse, bevor die Trainingsstunde beginnt. Jeweils am Montagmorgen von 9.40 bis 11.10 Uhr trifft sich die Tanzgruppe «Internationale Volkstänze» von Pro Senectute und studiert neue Schritte, Figuren und Drehungen ein, welche die Leiterin Erika Thomi (65) vorbereitet hat. Sie möchte ihre Faszination über die grosse Vielfalt von Volkstänzen und traditioneller Tanzmusik mit den Teilnehmerinnen teilen – dass die über 60-Jährigen beim Tanzen ausserdem Beweglichkeit, Gleichgewicht, Koordination und Konzentration trainieren, ist ein willkommener Nebeneffekt. «Aber das Wichtigste an der Übungsstunde ist das Lachen», betont Thomi. «Ohne Spass geht bei uns gar nichts.»
Vorbereitung im Wohnzimmer
Erika Thomi war 25 Jahre lang ein aktives Mitglied in der Trachtengruppe Eigenamt. Dort wurden vor allem Schweizer Trachtentänze einstudiert. Thomi, die nach der Pensionierung eine neue Herausforderung brauchte, besuchte Ausbildungsmodule bei Pro Senectute und bildete sich zur Tanzleiterin «Erwachsenensport Schweiz» für internationale Volkstänze aus. «Von einer Tanzleiterin aus Klingnau konnte ich ein riesiges Repertoire an Liedern und Tänzen übernehmen», erzählt Thomi begeistert. Aus diesem reichen Fundus stellt sie die Pro-Senectute-Tranztrainings zusammen. Jede Lektion erfordere bis zu fünf Stunden Vorbereitung. «Dann übe ich die Schritte zu Hause im Wohnzimmer ein», berichtet die Tanzlehrerin. Um die Choreografie zu verinnerlichen, fertige sie häufig Skizzen der verschiedenen Figuren an, nummeriere die Platzhalter und stelle jede Tanzabfolge auf Papier dar. «Es muss ja am Schluss für eine Gruppengrösse von zehn bis zwanzig Teilnehmerinnen aufgehen», so Thomi, die sich die Leitung mit zwei weiteren Frauen teilt und zweimal im Monat das Tanztraining führt. «Wir drei Leiterinnen ergänzen uns hervorragend. Bei Regi Meier steht der Linedance im Fokus, und Therese Hasler bringt ganz verschiedene Tänze mit ins Trainingsprogramm», berichtet die Volkstänzerin über die Aufteilung in der Tanzleitung.
Schwieriger, als es aussieht
Nachdem sich die Teilnehmerinnen im Kreis aufgestellt haben, erklärt Erika Thomi die Abläufe der Tanzformationen Schritt für Schritt und führt sie mit einer Teilnehmerin zusammen vor. Die Seniorinnen nehmen die Bewegungen auf, führen sie aus, zunächst langsam, dann zügiger, und prägen sich die choreografischen Details der Schreit- und Figurentänze und die Gruppenformationen ein. Wer von beiden muss vorn sein, wenn die Drehung kommt? Wie werden die Hände gekreuzt, und wie gross ist der Zwischenschritt, damit der richtige Fuss für die nächste Tanzbewegung parat ist? Das Ganze ist viel schwieriger, als es aussieht. Die Tanzleiterin zeigt einem Paar nochmals die Übergänge, andere Tänzerinnen üben sie schon eifrig und bewegen sich in einem Ringeltanz im Kreis, in dem die eine Tanzpartnerin mit derjenigen vom Nachbarpaar harmonisch und Arm in Arm die Positionen tauscht. Sobald die Musik im Walzertakt dazu abgespielt wird, werden die Schritte leichtfüssiger und flüssiger. «Viele mittel- und nordeuropäische Volkstänze sind im Dreivierteltakt komponiert», weiss Erika Thomi. «Griechische Tänze zeichnen sich hingegen durch eine grosse Bandbreite von häufigen Rhythmuswechseln aus.» Die Trainerin übt stets einen Schweizer Volkstanz mit ihrer Gruppe, von der Thomi sagt, dass sie das Potenzial für Auftritte habe. An diesem Montagmorgen stehen nebst dem Schweizer Volkstanz «Alewander» der «Feuerfest», ein österreichischer Tanz, sowie der aus Deutschland stammende «Siziliano» auf dem Programm. Die Teilnehmerinnen – «manchmal kommt ein Herr mit seiner Partnerin, ansonsten sind wir nur Frauen», wie Thomi erklärt – sind mit Feuereifer und grosser Konzentration bei der Sache, als sie beschwingt die Tanzschritte und Figuren ausführen und im Takt der Musik die Formationen abschreiten.
Gelegentlich gleicht Erika Thomi die verschiedenen Tanzniveaus der Teilnehmerinnen etwas an. Keine soll sich langweilen, aber auch keine überfordert sein. Ihrer Tanzgruppe präsentiert sie immer neue Volkstänze und tanzt sich so mit den Seniorinnen durch die Volkstanztraditionen aus aller Welt.
Neuer Tanzkurs in Brugg
Die tanzbegeisterte Gruppenleiterin wurde kürzlich von Vitaswiss angefragt, ob sie unter anderem in Brugg einen Kurs für internationale Volkstänze geben könne. Nun findet am 13. April der Auftakt in Form einer Schnupperlektion statt. Interessierte ab 50 Jahren sind eingeladen, sich dafür zur Abendtanzstunde von 17.45 bis 18.45 Uhr in der Turnhalle Schützenmatt einzufinden. Danach wird der von Vitaswiss durchgeführte Tanzkurs wöchentlich in Brugg abgehalten und kostet fünf Franken für Mitglieder von Vitaswiss, für alle anderen 15 Franken. «Das Ziel des Vitaswiss-Kurses ist es nicht, für eine Aufführung zu üben. Einzig und allein der Spass am Tanzen, das Interesse an Volkstänzen und an der Bewegung zur Musik stehen im Mittelpunkt», informiert Erika Thomi. Mittanzen, das sei die Devise.