Im «Dampfschiff» tanzen alle gemeinsam

Ob Abba, Nightwish oder Helene Fischer: Bei «Dance for all» ist Offenheit Konzept. Und das über die musikalischen Genres hinaus.
Freuen sich auf die nächste Disco: Marcello Zufferli und Bea Steiner. (Bild: aru)

Marcello Zufferli hat das Tanzen im Blut und ein sehr feines Gespür für die richtige Musik im richtigen Moment. Kein Wunder, ist der 43-Jährige Birrer, der in der Abteilung Mechanik der Stiftung Domino in Hausen arbeitet, in seiner Freizeit als DJ Cello Bello unterwegs. Angefangen hat er 1997/98 im Jugendtreff in Birr – «mit einem einfachen CD-Player». Mittlerweile besitzt er eine Sammlung von rund 600 CDs – ein Klacks gegenüber den digitalisierten Riesenarchiven, auf die er heute als DJ zurückgreift. Schon als Kind hat Zufferli gern Musik gehört und dazu getanzt. «Ich erinnere mich noch ganz genau an meine erste Kassette», sagt er schmunzelnd. «Sie war von Michael Jackson.»

Einmal im Monat ist Disco
Seine Musikkenntnisse und seine Erfahrung, die er nach dem Birrer Jugendtreff unter anderem im «A1» in Dietikon, bei Insieme Lenzburg und im Aarauer Flösserplatz gesammelt hat, kommen dem leidenschaftlichen DJ nun in der Dampfschiffbar Brugg zugute. Hier legte er vor einem Monat zum ersten Mal in der Reihe «Dance for all» auf. Die Party für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung findet im Rahmen eines Pilotversuchs bis zum 9. Juni monatlich statt.

Am ersten Abend fanden rund vierzig Gäste – manche davon gar aus den umliegenden Kantonen – den Weg in die Dampfschiffbar. Egal ob mit Rollstuhl, Rollator, Betreuungsperson, mit Beeinträchtigung oder ohne: Der Abend drehte sich vollumfänglich ums Tanzen. «Die Premiere ist gelungen», meint Bea Steiner, Vorstandsmitglied von Insieme Region Brugg-Windisch, erfreut. Sie hat den Anlass initiiert – gemeinsam mit Andi Gyr, dem Betreiber der Dampfschiffbar, der die Räumlichkeiten für die Reihe kostenlos zur Verfügung stellt. «Es ist ein Experiment», so die 64-jährige Bruggerin, die viele Jahre als Heilpädagogin an der Heilpädagogischen Schule Windisch (HPS) tätig war. Bei ihrem Projekt gehe es im Kern um den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. «Man kann hier Berührungsängste abbauen und einfach gemeinsam Spass haben», erklärt sie.

Betreuung ist vor Ort
Für Stimmung ist dank DJ Cello Bello, der sich mit Selina Furter beim Auflegen abwechselt, gesorgt. Feinfühlig und offen reagiert er auf die Bedürfnisse des Publikums, das ungeniert musikalische Wünsche anbringen darf. Die Palette sei dabei grenzenlos und reiche von Helene Fischer bis zu Techno. Nur eines spielt Marcello Zufferli nicht: Ländler. «Das passt einfach nicht in eine Disco», sagt er lachend. Seine Auswahl an Songs passt er spontan der aktuellen Situation an. «Ich beobachte sehr genau, zu welcher Musik die Menschen gern tanzen», erzählt der Birrer. «Und dann spiele ich mehr davon.» Spüre er, dass die Energie abnehme und die Gäste sich von der Tanzfläche zurückzögen, reagiere er sofort. «Dann wechsle ich schon mal das Stück, bevor das andere fertig ist», meint er schmunzelnd.

Dieses intuitive Reagieren habe sie bei der ersten Ausgabe von «Dance for all» sehr beeindruckt, erzählt Bea Steiner. «Marcello brachte es fertig, dass die Leute, kaum hatten sie sich hingesetzt, wieder aufstanden und weitertanzten.» Während der ersten Ausgaben der Veranstaltungsreihe wird die Musik von den DJs gespielt. «Wird das Projekt weitergeführt, würde ich gern ab und zu Livemusik engagieren», sagt Steiner. Doch eines nach dem andern.

Auch finanziell steht «Dance for all» noch ganz am Anfang. Dank der Unterstützung von Andi Gyr, der auf die Mieteinnahmen verzichtet und in dessen Kasse einzig die Erträge der Bar fliessen, kann der Eintrittspreis momentan bei zehn beziehungsweise fünf Franken für IV-Bezügerinnen und -Bezüger gehalten werden. «Können wir nach den Sommerferien weiterfahren, werde ich in die Suche nach Unterstützungsbeiträgen investieren», verspricht Bea Steiner.

Die erfahrene Fachfrau nimmt mit ihren Kolleginnen und Kollegen von Insieme Region Brugg-Windisch selbst mit Begeisterung an den Veranstaltungen teil. Und ist zudem als Betreuerin im Einsatz. «Uns ist wichtig, dass es Ansprechpersonen vor Ort gibt, an die man sich bei Schwierigkeiten und Fragen wenden kann», sagt sie. Ausserdem sei so gewährleistet, dass Fachleute da seien, die wüssten, was beispielsweise bei einem Epilepsieanfall zu tun sei. «Auf diese Menschen nehmen wir speziell Rücksicht, indem wir bei der Lichtshow auf Blitzlichter verzichten», erklärt Bea Steiner. So wolle man mit «Dance for all» einen Ort schaffen, an dem sich alle wohlfühlten. Das offene Konzept entspricht DJ Cello Bello voll und ganz. «Ich habe keine Lieblingsmusik», betont er denn auch, «ich mag und spiele alles.»

Freitag, 14. April, ab 19.30 Uhr
Dampfschiffbar Brugg
dampfschiffbar.ch