«Mein Sieg gibt mir recht»

Allen kritischen Stimmen zum Trotz folgte die Schinznacher Karateka Elena Quirici ihrem Herzen. Das zahlte sich aus – mit einem vierten EM-Sieg.
Ehrenvoller Empfang für Elena Quirici. (Bild: aru)

Elena Quirici, Sie haben vor Kurzem in Spanien Ihren vierten Europameistertitel gewonnen. Wie fühlt es sich an, wieder zu Hause zu sein?
Nach Hause zu kommen, ist immer schön. Ich freue mich darauf, hier
wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Spanien ist allerdings auch eine Art Heimat für mich – denn mein Partner Raul Cuerva Mora kommt von dort.

Die Anspannung bei einem solchen Wettkampf ist sicher enorm. Wie konnten Sie die Konzentration bis zum Schluss halten?
Es war anstrengend. Ich hatte vier Vorkämpfe am Mittwoch, und das Finale fand erst am darauffolgenden Samstag statt. Diese Zeit dazwischen ist lang, und es ist eine Herausforderung, herunterzufahren und gleichzeitig fokussiert zu bleiben. Das Finale war dann speziell. Meine Gegnerin und ich, wir kennen uns über all die Jahre hinweg sehr gut. Ich wusste also, dass Kleinigkeiten entscheidend sein würden. Aber der Sieg war diesmal auf meiner Seite. Unsere Taktik hat gepasst. Es ging alles auf.

Sie kennen Ihre Gegnerin sozusagen in- und auswendig. Ist denn der ganze Kampf vorhersehbar?
Die Topathletinnen und -athleten im Karate sind über zehn Jahre in der gleichen Kategorie zusammen, man kennt sich dann wirklich sehr gut. Aber es gibt immer wieder Überraschungen. Das gilt natürlich für beide Seiten. Ich weiss, dass meine Gegnerinnen auch mich sehr gut kennen. Also probiere ich stets von Neuem, eine kleine Lücke zu finden und für eine Überraschung zu sorgen.

Sie haben bereits Ihren vierten Europameistertitel gewonnen. Gewöhnt man sich an Medaillen?
Meinen ersten Titel erreichte ich 2016 in der Elite. So viele Jahre später wieder eine Europameisterschaft zu gewinnen, gibt mir die Bestätigung, dass ich mit allen Entscheidungen, die ich getroffen habe, auf dem richtigen Weg bin. Diesbezüglich bin ich in den letzten Jahren viele Risiken eingegangen und schwamm in einigen Bereichen gegen den Strom. Dass mein Sieg nun nicht den Kritikern recht gibt, sondern mir, freut mich.

Sagen wir es so: Der erste EM-Sieg war speziell, wie es ein erster Titel immer ist. Der zweite und dritte war beglückend, weil ich mich von einer Verletzung zurückgekämpft hatte und gleich Doppel-Europameisterin wurde. Der vierte nun steht für die Konstanz, die ich erreicht habe.

Glücklich zu Hause in Schinznach angekommen: Elena Quirici beim Empfang mit Ammann Peter Zimmermann. (Bild: aru)

Es scheint eine Stärke von Ihnen zu sein, ständig alles zu hinterfragen und neue Lösungen zu finden.
Das ist mitunter etwas vom Schwierigsten im Spitzensport: sich stets von Neuem zu hinterfragen und sich ständig zu verbessern. Dahinter steht die genaue Analyse der Wettkämpfe und der Strategien. Bleibt man stehen, bedeutet das einen sportlichen Rückschritt. Aber ja, auch mir fällt es nicht jederzeit leicht, mich aus der Komfortzone zu holen.

Die Kritiker monierten ja, dass Ihr Coach gleichzeitig Ihr Freund ist. Bringt das Nachteile mit sich?
Das Risiko, das wir mit dem Entscheid, dass er mich trainiert, eingingen, war gross. Man bedenke: Er ist selbst ein Spitzenathlet und hat seine Karriere für mich aufgegeben. Heute wissen wir: Der Entscheid war richtig, die Arbeit zahlt sich für beide aus. Und ich brauche bedeutend weniger mentales Training als früher! (Lacht.)

Wie denn das?
Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Ich vertraue Raul zu hundert Prozent. Oft ist es, als würden wir uns blind verstehen. Wenn er mir etwas sagt oder mich anschaut, weiss ich genau, was er meint. Im Wettkampf habe ich meine mentale Stütze somit ganz nah dabei. Wir witzeln manchmal und sagen, es sei wie XBox spielen. Er hat die Kontrolle in der Hand, und ich führe aus. Früher hatte ich Probleme mit dem Selbstvertrauen. Seit Raul mich trainiert, hat sich dieses Thema erledigt.

Als Topathletin der Schweiz wurden Sie nicht im Teamwettbewerb selektioniert. Das scheint für Aussenstehende unverständlich.
Das ist nicht nur für Aussenstehende unverständlich, sondern auch für mich. Trotzdem musste ich den Entscheid akzeptieren, obwohl ich mich angeboten habe, in jeder Konstellation des Teams zu starten. Raul ist nicht Teil der Nationalmannschaft und kann oder darf das Team nicht betreuen. Er ist mein persönlicher Coach, macht meine Trainingsplanung, analysiert meine Gegnerinnen und wird somit durch mich finanziert. Die nächsten Turniere finden in Marokko und Japan statt, dies wird sehr kostspielig werden. Die Nationaltrainer hingegen werden vom Verband finanziert. Ich habe letztes Jahr mit Raul als Coach an jedem Weltcup Medaillen, davon zweimal Gold, gewonnen. Zudem stand ich an grossen internationalen Turnieren jedes Mal zuoberst auf dem Podest. In diesem Jahr fanden zwei Turniere statt, die Ausbeute sind zwei Goldmedaillen. Mein System stimmt. Die Resultate sprechen für sich.

In Ihrer Karateschule in Schinznach trainieren Sie Kinder und bald auch Erwachsene. Macht Ihnen das Spass?
Enorm. Die Kinder geben mir wieder die pure Freude an meinem Sport zurück und führen mir das Leben ganz im Moment vor Augen. Zwei Qualitäten, die in meinem Sport kein Training wettmachen kann.