«Ich ‹snacke› mich gern durch den Wald»

Der Ernährungsberater und Phytotherapeut Manuel Ruf bietet Pflanzenwanderungen an. Dabei spezialisiert er sich auf essbare Wildpflanzen.
Manuel Ruf bietet Kurse an, in denen sich alles um Wildpflanzen dreht. (Bild: isp)

Manuel Ruf, diplomierter Ernährungsberater und Phytotherapeut, hat das Potenzial von essbaren Wildpflanzen schon lang erkannt und bietet seit 2016 Pflanzenwanderungen an. In einem Tageskurs lernen die Teilnehmenden, wie man diese erkennt, wie man sie bestimmt und insbesondere wie sie verwendet werden. «Wir befassen uns mit der Standortwahl, der Sammelmenge sowie dem Artenschutz. Zudem lernen wir, die einzelnen Pflanzen durch Sehen, Tasten, Riechen und Schmecken voneinander zu unterscheiden. Wir achten auf Inhaltsstoffe und die Verwendung. Und das Thema Lagerung ist von Bedeutung», sagt der engagierte Ernährungsberater.

Die Zubereitung eines Mittagessens aus Frischpflanzen ist fester Bestandteil des Tagesprogramms. Die Teilnehmenden erhalten überdies ein Dossier mit den wichtigsten Pflanzeninformationen. Auf Wunsch bietet Ruf themenbezogene Pflanzenwanderungen für Kinder, Vereine, Schulen und Private an.

Im Frühling ist Hochsaison
In Mitteleuropa gibt es gegen 2000 essbare Wildpflanzen. Ende April/Anfang Mai haben viele davon Saison. So die Grosse Brennnessel (Urtica dioica), der Gewöhnliche Giersch (Aegopodium podagraria), der Spitzwegerich (Plantago lanceolata), der Weissdorn (Crataegus), der Schwarze Holunder (Sambucus nigra), der Gundermann (Glechoma hederacea), der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum sect. Rude­ralia), die Schafgarbe (Achillea millefolium) und natürlich der beliebte Bärlauch (Allium ursinum).

Spannend findet der 31-Jährige, dass dieselbe Pflanze je nach Region unter ganz unterschiedlichen Bezeichnungen bekannt sein kann. Für den Löwenzahn gibt es im deutschsprachigen Teil der Schweiz 26 verschiedene Namen. Man spricht von Ramschfädere, Söi(e)blueme, Milchblueme, Mai(e)fäcke, Söigudere oder Chrottepösch(e). Deshalb ergibt es – gerade für Botanikerinnen und Botaniker – Sinn, den lateinischen Namen von Pflanzen zu verwenden, um Missverständnissen vorzubeugen.

Zu Hause werden die Kräuter allenfalls gewaschen und anschliessend verarbeitet. Ruf dünstet die Pflanzen oder macht daraus ein feines Pesto. Er nutzt sie als Gewürzbeigabe, stellt Marmeladen her oder macht damit Umschläge, Wickel, Haarspülungen und Tinkturen. Ausserdem süsst er seinen Tee mit Wildpflanzen, und er verarbeitet sie zu Sirup. Sie können zudem als Dünger verwendet werden, oder man kann die Wildpflanzen als Zugabe für Brot verwenden, indem man sie verkleinert und dem Mehl beimischt.

Gründonnerstagssuppe
Pflanzenblätter haben nur wenige Kalorien (15 bis 20 kcal pro 100 Gramm). Trotzdem gelangt man mit dem Verzehr von essbaren Pflanzen an wichtige Nahrungsbestandteile. Etliche grüne Blätter liefern Mineralstoffe und Vitamine, sogenannte Mikronährstoffe. Erstaunlich ist, dass Pflanzen aufgrund ihres hohen Wassergehalts ausreichend sättigen. Die enthaltenen Ballaststoffe quellen nämlich im Darm auf. Am liebsten wandert Ruf durch den Wald und verpflegt sich mit Wildpflanzen. «Ich ‹snacke› mich gern durch den Wald», witzelt er.

In der Osterzeit könne man beispielsweise eine Gründonnerstagssuppe kochen, verrät Ruf. Man nennt sie auch die Neun-Kräuter-Suppe. Diese beruht auf einer vorchristlichen Tradition und soll nach den Wintermonaten die Frühjahrsmüdigkeit vertreiben. Die «Kultsuppe» enthält das erste Grün, das sich in der Natur finden lässt, vielerorts kommt die Suppe als Fastenspeise auf den Tisch. In eine Gründonnerstagssuppe gehören traditionell neun Wildkräuter (siehe Box).

Purpurrote Taubnessel (Lamium purpureum). (Bild: isp)

Wildpflanzen richtig ernten
Beim Sammeln von Wildpflanzen verhält es sich ähnlich wie beim Pilzesammeln. Es ist sinnvoll, dabei folgende Tipps zu beachten: Man sollte nur diejenigen Pflanzen sammeln, die man wirklich kennt und bestimmen kann. Es sollte vermieden werden, an Strassenrändern, Waldwegen oder auf bewirtschafteten Wiesen zu pflücken. Es gibt Wildtiere, die ihr Revier markieren und so den Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) verbreiten. Des Weiteren sollte man nur so viel sammeln, wie man tatsächlich benötigt, und vorzugsweise junge Blätter pflücken, sodass sich die Pflanze weiter vermehren kann. Es ist verboten, Wildpflanzen in Naturschutzgebieten zu pflücken. Am besten notiert man sich die Fundorte, so kann man jedes Jahr erneut ernten.

Zur temporären Lagerung der Pflanzen empfiehlt sich eine Sammeltasche, die nicht aus Plastik ist. Geeignet sind Körbe, Papiersäcke und Stofftaschen. Klug ist es, die Pflanzen getrennt voneinander aufzubewahren, also nicht alle auf einem Haufen. Zu Hause sollten die Pflanzenteile so schnell wie möglich verarbeitet werden. Je länger man wartet, desto mehr Inhaltsstoffe wie Vitamin C und ätherische Öle gehen verloren. Danach sollten die verarbeiteten Pflanzen kühl und im Dunkeln oder eingelegt in Alkohol oder Essig gelagert werden. Alternativ kann man die Kräuter getrocknet aufbewahren oder einfrieren.

Worauf man achten sollte
Wer sich eingehender mit der Thematik beschäftigen möchte, ist mit dem Buch «Essbare Wildpflanzen» von Steffen G. Fleischhauer bestens bedient. Dort sind die häufigsten Wildpflanzen übersichtlich dargestellt und mit Fotos versehen. Für «Survivalisten» ist das Buch eine Informationsgoldgrube. Wichtig ist, gewisse Pflanzen nicht über einen längeren Zeitraum einzunehmen. Auch in der Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) macht man oft nach drei Wochen eine Pause oder wechselt zu einer anderen Pflanze mit ähnlicher Wirkung.

Manuel Ruf überprüft regelmässig die aktuelle Fachliteratur sowie die App «Flora Helvetica» um sich über die Entwicklungen auf dem Gebiet zu informieren. Falls nach dem Verzehr von Wildpflanzen Beschwerden auftreten, sollte man sich unbedingt an TOX Info Suisse unter der 24-Stunden-Notfallnummer 145 melden.

toxinfo.ch