«Die Etikette ist das Gesicht des Weins»

Claudius Fischer berät Weinbaubetriebe beim Erscheinungsbild. Speziell das Design von Etiketten hat es dem Würenlinger angetan. «Jeder Wein hat seine Geschichte. Diese herauszuschälen, ist mein Job.»
Ist über die Jahre zum Weinkenner geworden: Claudius Fischer. (Bild: zVg)

Dort, wo früher Kälberstricke, Mistgabeln und Melkfett über den Ladentisch gingen, werden heute Weinetiketten kreiert. Das Grafikdesignstudio von Claudius Fischer befindet sich im ­Ladenlokal der alten Landi Würenlingen. Hier berät der Grafiker mit Kunststudium Weinbaubetriebe im Marketing, gestaltet das Corporate Design, ganze Reihen oder Einzelprodukte und hat damit eine Nische entdeckt, in der es noch viel zu entwickeln gibt. Derzeit gilt sein Stolz einem der jüngsten Produkte aus dem Hause ­Fischer: Einer Etikettenserie für sechs neue Sempacher Weine, die nächstens auf den Markt kommen. In Anlehnung an die bekannte Vogelwarte hat er sich von der Farbigkeit und vom Formenspiel der Vogelkleider inspirieren lassen und diese in freie, abstrakte Kompositionen übersetzt. «Partiell wird Lack eingesetzt», sagt der Grafiker stahlend. «Das verleiht zusätzlich einen edlen Hauch und sorgt für Qualität.»

Design, das in die Tiefe geht
Mittlerweile ist Claudius Fischer, was das Weinetiketten-Design angeht, zum Experten geworden. Doch das war nicht immer so. Aufgewachsen in Winterthur, kam er nach der Ausbildung der Liebe wegen in den Aargau, nach Würenlingen. Zuerst arbeitete er zwei Jahre lang in Agenturen in Lenzburg und Zürich, dann machte er «einen Break», wie er sagt. Zwölf Jahre lang war er für Kinder, Haushalt und Garten zuständig, während seine Frau als Lehrerin arbeitete. «Ich machte eine Lehre in Hauswirtschaft», witzelt Fischer. Während dieser Zeit zeichnete er aber immer, und als die Kinder grösser waren, stieg er als Grafiker wieder ein – zuerst im Keller des eigenen Hauses, im Jahr 2000 dann im alten Volg. Zu Beginn erledigte er Aufträge von befreundeten Weinbauern, dann kamen weitere Auftraggeber aus anderen Branchen dazu. Heute arbeitet in seiner Agentur ein Team von drei Leuten.

Einen Schwerpunkt der grafischen Arbeiten des Würenlinger Unternehmens bildet heute das Etikettendesign. «Anspruchsvolle, langlebige Geschichten sind unser Kerngebiet», betont Fischer und fügt an: «Wir gehen in die Tiefe, um dann in konzentrierter Form alles auf den Punkt zu bringen.» Eine Etikette zu gestalten, gleiche dem Designen einer Briefmarke und damit dem Traum eines jeden Grafikers, meint der 60-Jährige schmunzelnd. «Es gilt, auf einer kleinen ­Fläche die zentralen Inhalte, Eigenheiten, Botschaften zu übermitteln – und das verständlich, schnell erfassbar und übersichtlich.» Das Gestalten einer Weinetikette sei keine Eintagsfliege, sondern ein aufwendiger Prozess. «Sie ist das Gesicht des Weins und muss fünf bis zehn Jahre halten», betont Fischer.

Um das Produktdesign für einen Weinbaubetrieb zu übernehmen, stellt Claudius Fischer zuerst ganz viele Fragen: Was ist es für ein Betrieb, welche Haltung vertritt er, welche Ziele verfolgt er, wo ist er präsent, wo gibt es Absatzkanäle? Ein Wein, der in Grossverteilerkanäle kommen solle, präsentiere sich ganz anders als einer, der ab Hof verkauft werde, erklärt der Würenlinger Grafiker. Erst wenn er alle Details zusammengetragen und das Gefühl hat, das Wesen des Weins zu kennen, beginnt die Designerarbeit. «Jeder Wein hat seine eigene Geschichte», sagt er, «diese herauszuschälen, ist unser Job.» Sein Ziel ist, dass nicht nur der Konsument oder die Konsumentin, sondern auch die Produzenten selbst den Eindruck haben: Wow, das ist eine coole Etikette!

Obwohl seine Arbeit heute hauptsächlich am Computer stattfindet, kommt Claudius Fischer ohne den realen Eindruck nicht aus. «Man muss die Etikette immer ausdrucken, um zu sehen, ob sie auf der Flasche funktioniert.» Deren Form, Rundung sowie die Farbe – in ungefülltem wie in gefülltem Zustand – wirken auf das Design. Gerade bei einer Serie sei das anspruchsvoll, betont der Grafiker. «Eine Etikette muss für einen Rotwein in dunkelgrüner Flasche ebenso funktionieren wie für einen Rosé in weisser Flasche.»

Inspirationsspaziergang durch den Coop
Waren früher das Landschaftsbild und die Frakturschrift das Kennzeichen der Landweine, findet man heute eine grosse Vielfalt an Designs. Die Wirkung von Schrift und Bild auf die Konsumenten hat Claudius Fischer verinnerlicht, zudem kennt er die Facetten von Goldprägungen, Veredelungen und Lack. «Je nach Qualität, die der Wein vermitteln soll, gestalten wir mit anderen Elementen», so der Design- und Marketingexperte. Inspirieren lässt er sich von Parfümverpackungen – und natürlich von Weinetiketten aus der ganzen Welt. Die grösste Auswahl findet er bei Coop im Aarepark vor Ort. «Die innovativsten Designs, die eine bestechende Idee mit einer sorgfältigen Umsetzung kombinieren, kommen aus Spanien, Portugal oder Italien», sagt Fischer. «Dort hat die Gestaltung der Weinetikette einen hohen kulturellen Stellenwert.»

Manchmal muss Claudius Fischer Etiketten kreieren, die nicht ganz seinem Anspruch entsprechen. Dann gelte es, ein Auge zuzudrücken. Denn Gestaltung sei nun mal subjektiv. «Und der Kunde ist König.» Schliesslich solle dieser mit der Etikette seines Weins rundum zufrieden sein. Mittlerweile lassen sich Etikettendesigns auch auf Plattformen im Internet bestellen, eine billige Alternative, die laut dem Designer aber oft nicht aufgeht. «Onlineentwürfe sind nicht schlecht, aber austauschbar», erklärt Claudius Fischer. Den Etiketten fehle oft der individuelle lokale Bezug – oder eben: das einzigartige Gesicht.

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Making-of: So entstanden die Etiketten für eine Serie von Weinen für den Schryberhof Villnachern. (Bilder: zVg)

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