Markus Fuchs, warum soll ich bei all den tollen Primitivo-, Rioja- und Bordeauxweinen im Supermarkt ausgerechnet Wein aus der Region kaufen?
Weil Sie hier vor Ort ein qualitativ hochwertiges, lokal produziertes Naturprodukt haben, das meist nicht günstiger ist als die Konkurrenz aus dem Ausland, aber mindestens genauso gut.
Hat denn dieses Regionale eine Chance, sich durchzusetzen? Wäre der Begriff «Schweizer Wein» nicht wesentlich werbekräftiger?
Es gab solche Versuche, aber die Identifikation mit dem Schweizer Wein ist nicht gegeben. Man spricht hierzulande von Walliser, Bündner und Aargauer Wein. Und trotzdem ist wichtig zu akzeptieren, dass der Aargauer Wein ein Deutschschweizer Wein ist und letzten Endes ein Schweizer. Es ist das Ziel unseres Branchenverbands, die Produkte in dieser umfassenden Form zu positionieren. Deshalb tritt man schweizweit mit einem einheitlichen Label auf, das regionalisiert wird. Bei uns heisst es dann Swiss Wine, Aargau.
Man weist das Dach damit auch auf der Flasche aus.
Im Wissen, dass der Aargauer Wein zu 95 Prozent im Kanton getrunken wird – und der Schweizer Wein zu 98 Prozent in der Schweiz. Das nicht aus qualitativen Gründen, sondern weil die Mengen für den Export schlicht zu klein sind. Im Aargau wird mehr konsumiert, als wir produzieren können. Natürlich schaffen es grössere Produzenten, deren Namen man schweizweit kennt, hin und wieder mit einem ausgewählten Produkt in die ausserkantonalen Gourmettempel. Unsere Devise ist, das eine wie das andere anzustreben.
Fünfsterneküche hin oder her: Den Landweinen haftet oft etwas Billiges an. Wie schaffen Sie es, ein anderes Bild zu vermitteln?
Dieses Langzeitimage stammt vom Anfang des letzten Jahrhunderts und hält sich hartnäckig. Heute ist der Wein ein Lifestyleprodukt. Junge, gut ausgebildete Winzerinnen und Winzer, oft mit Auslanderfahrung, haben die Betriebe übernommen und neue Produkte lanciert – unter anderem die Barriqueweine, die wir im Aargau erst seit rund dreissig Jahren kennen. All diese Techniken und die einwandfreie hygienische Kontrolle ihrer Keller: Das hat die junge Generation im Griff. Die Produkte, die sie herstellt, haben nichts mehr zu tun mit dem sauren Landwein, wie er vor vierzig Jahren noch verbreitet war.
Wie gelingt es Ihnen, dieses neue Bild zu portieren?
Portieren geht über studieren (lacht). Früher musste ein Wein vor allem Alkohol enthalten, heute soll er dem Konsumenten Spass machen. Weisswein etwa soll knackig und frisch sein und Rotwein nicht mehr vier Jahre im Keller lagern, bevor er trinkbar wird. Die Weine werden dem Markt angepasst. Das ergibt verschiedene Ausrichtungen, wie man am Beispiel des Pinot noir aufzeigen kann. Der einfachste Wein dieses Typs kostet rund fünfzehn Franken, eine Spätlese zwanzig Franken und ein Barrique rund dreissig Franken.
Die Winzerinnern und Winzer sind immer besser ausgebildet, trotzdem ist es schwierig, mit Rebbau zu überleben. Wird Weinbau mehr und mehr zur Liebhaberei?
Liebhaberei darf und soll Platz haben. Man muss eine bestimmte Grösse haben, damit man den Weinbau hauptberuflich betreiben kann. Wir haben im Aargau das Glück, dass wir ein gutes Verhältnis untereinander haben. Grosse wie kleine Betriebe sind im Verband zusammengeschlossen. Der eine hat einen Traktor, der andere eine Jätmaschine: Wir helfen einander aus.
Wie muss ich mir Ihren Job als Leiter Marketing vorstellen?
Ich verkaufe nicht direkt Wein, aber ich sorge für das Grundrauschen. Ich zeige den Betrieben auf, wo die aktuellen Fragestellungen liegen. Wo stehen wir, was können wir tun, welches sind die gegenwärtigen Überlegungen und die globalen Trends, welche Sorten und Geschmäcke sind zurzeit gefragt, wie produziert man Schaumwein: Diese Diskussionen unter den Winzern anzuregen, ist mein Job.
Sie brauchen also den Blick nach aussen und in die Zukunft.
Der Verband kommt historisch gesehen von der Produktion her. Aus Marketingsicht muss man die ganze Sache umdrehen und vom Konsumenten her denken. Das bedeutet etwa, dass man den Internetauftritt auf die Qualität der Weine und nicht auf deren Schwefelgehalt oder den Schnitt der Reben ausrichtet. Der Durchschnittskunde googelt am Freitagnachmittag: Welcher Aargauer Wein passt zu meiner Lasagne? Darauf will er eine Antwort.
Planen Sie auf der Verbandswebsite auch einen Shop?
Das ist logistisch anspruchsvoll – im Aargau haben wir sieben Weinbauregionen. Kommt hinzu, dass die Kundschaft sechzig Prozent des Weins ab Hof kauft. Wenn man Lust auf Wein hat, geht man schnell beim Produzenten vorbei. Das ist viel schöner, als im Shop zu bestellen.
Was fasziniert Sie derart am Wein, dass Sie ihm Ihr ganzes Berufsleben widmen?
Es ist eine sehr dynamische Branche, in deren Zentrum ein Naturprodukt steht. Man muss sich mit kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Aspekten auseinandersetzen. Den Wein in diesem Kontext zu sehen, fasziniert und begeistert mich jeden Tag aufs Neue.