Forscherblick auf Flora und Fauna

Der Natur- und Vogelschutzverein Brugg feiert dieses Jahr ein Doppeljubiläum: sein 100-jähriges Vereinsbestehen und zehn Jahre Kinderclub.
«Die Blindschleiche kann blinzeln!» – Die Der Natur- und Vogelschutzverein Brugg und der Verein Kinderclub lädt einmal im Monat Schulkinder zu Themennachmittage ein. (Bild: cd)

Im Teich hinter der Vogelschutzhütte des Natur- und Vorgelschutzvereins (NVV) quaken Dutzende Frösche mal im trägen Solo, dann in mehrstimmigem A cappella – es ist Laichzeit. Am Ufer haben sich an diesem frühen Mittwochnachmittag ein knappes Dutzend Schulkinder eingefunden. Sie kauern gerade über Wildpflanzen und Kräutern und hören den Ausführungen der NVV-Kinderclub-Leiterinnen Margit Lippuner, Maria Fraefel und Isabelle Lüthi zu, als eine Kröte mitten in den lose gebildeten Kreis hüpft – und flugs von geübten Händen gefangen wird. «Weshalb gehören Kröten zu den Amphibien?», fragt Markus Staub, der NVV Präsident, in die Runde. Zum heutigen Kinderclub-Nachmittag, der sich unter dem Programmtitel «Alles neu macht der Mai» dem Thema einheimische Reptilien und Amphibien widmet, hat Staub noch zwei Gäste mitgebracht.

Die Blenderin
Aus einem Baumwollsäckchen holt Staub eine junge Blindschleiche hervor. «Sind Blindschleichen, deren Namen übrigens nicht daher kommt, weil sie blind wären, sondern weil ihre Schuppen silbrig glänzen, sodass sie blenden, denn Schlangen?» Die Frage wird eifrig diskutiert und die Antworten abgewogen, bis Markus Staub erklärt, dass Blindschleichen zu den Echsen gehören. «Anders als Schlangen können sie mit den Augen blinzeln», führt er aus und demonstriert es anhand einer leichten Handbewegung nahe der Augen des Reptils. Nun wollen alle Kinder die Blindschleiche nacheinander in die Hand nehmen, genau betrachten und viele Fragen stellen. «Die Blindschleiche hat mehrere Sollbruchstellen. Wenn ein Fressfeind sie zu fangen versucht, können sie den Schwanz abwerfen, der zwar wieder nachwächst, aber verkürzt.»

Die Ringelnatter zu Gast
Der nächste Gast ringelt sich gar noch wendiger um die Finger des Naturschützers als die Blindschleiche. Es ist eine bleistiftdünne, ganz junge Ringelnatter, die in der Sonne und in der warmen Hand zusehends lebendig wird. Die Leiterinnen besprechen mit den Kindern, welche Lebensräume die Ringelnattern brauchen, wie lang sie werden, wenn sie ausgewachsen sind – bis zu anderthalb Meter –, und wie es um die Leibspeise dieser einheimischen Schlangen bestellt ist: «Frösche!»

Der NVV-Kinderclub mit Maria Fraefel, Margit Lippuner und Isabelle Lüthi bei der Vogelschutzhütte in Brugg. (Bild: cd)

Zehn Jahre Kinderclub
Die Leitung des NVV-Kinderclubs hat seit dessen Gründung Margit Lippuner inne. Einmal im Monat, mit Ausnahme während der Sommerferien, bringt sie das ganze Jahr über Gruppen von acht bis fünfzehn Schulkindern die Natur und die Tierwelt näher. Exkursionen und Detektivspiele, Basteltage, Waldwanderungen und das Putzen der Nistkästen gehören genauso dazu wie das Auflesen von Abfall im Wald. «Das haben die Kinder sogar selbst vorgeschlagen», sagt Lippuner und weist auf die beträchtliche Ausbeute, welche sie heute aus dem Wald geholt haben.

Nachdem die Blindschleiche und die Ringelnatter wieder in ihre Baumwollsäckchen geschlüpft sind, aus denen Markus Staub sie später dort freilassen wird, wo er sie eingefangen hat, wendet sich die Schar erneut den Wildpflanzen zu.

Die Kinder streifen am Ufer des Teichs entlang, üben sich darin, die botanischen Charakteristika zu erkennen, und zupfen an Kräutern und Blättchen. «Die kann man auch essen», sagt Lippuner über den Knoblauchhederich. Der Kinderclub, der sich bei der Jugend grosser Beliebtheit erfreut, feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen und fügt sich in das weitaus grössere 100-Jahr-Jubiläum des Natur- und Vogelschutzvereins Brugg ein.

100 Jahre Artenvielfaltschutz
Der Verein, der sich «Eine Vision mit der Natur seit 1923» auf die Fahne geschrieben hat, möchte das Interesse an der einheimischen Flora und Fauna in der Bevölkerung wecken und erhalten und Aufklärungsarbeit leisten. Durch einseitiges Rentabiliätsdenken und Unwissenheit im öffentlichen und privaten Bereich sei trotz gesetzlichem Schutz die Artenvielfalt gefährdet. Deshalb hält der NVV einen kritisch-konstruktiven Kontakt zu den Gemeindebehörden. Er begleitet kantonale Projekte und ist selbst sehr aktiv, so wie am Bahndamm Altenburg, wo eine Trockenwiese auf Bewirtschaftung angewiesen ist und regelmässig gemäht wird. Auch die Auenwälder brauchen Pflege. In bestimmten Abschnitten wird das Wasserregime, das dort aufgrund der Umleitung und der Begradigung der Flüsse nicht mehr mit Hoch- und Niedrigwasser am Werk ist, simuliert. Bleiben nämlich die wechselnden Wasserstände aus, bilden sich geschlossene Waldformationen, die zu wenig Licht in Bodennähe lassen und so vielen Pflanzen und Tieren den Lebensraum nehmen.

Zu den Vereinsaktivitäten gehören die aufwendige Bekämpfung von Neophyten, die Kontrolle, Reparatur und Säuberung der Nistkästen an der Aare und am Brugger Berg, die Pflege von Biotopen, das Mähen von Waldlichtungen sowie Themenspaziergänge und Jahresexkursionen für Mitglieder und Interessierte. Bei der Bewirtschaftung und der Bewältigung der Aufgaben setzt der NVV oft auf Zusammenarbeit und Partnerschaften wie mit der Landschaftskommission und dem Verein Naturwerk. Seit hundert Jahren unermüdlich am Werk. Das soll gefeiert werden.

Jubiläumsfest und Tag der offenen Natur
Samstag, 13. Mai, ab 10 Uhr
NVV-Vereinshütte an der Alten Aare
naturbrugg.ch