«Unser Produkt wird einschlagen»

Michael Wiener wollte den Wert interdisziplinärer Arbeit erforschen. Seine Erkenntnisse veranlassten ihn zu einem Karrierewechsel.
Revolutionäres Musik-Equipment. Das Badener Unternehmen ­Dolfinos stellt im Merker-Areal Ausrüstung für ­Musikerinnen und Musiker her. Zum Beispiel eine individuell anpassungsfähige Geigenstütze. (Bild: sim)

Obwohl die Dolfinos AG nun schon eine Weile existiert – das Unternehmen ist seit 2014 aktiv –, dürfte es der breiten Öffentlichkeit nicht näher bekannt sein. Dabei hat das initiale Projekt auf seinem Gebiet bereits für einiges Aufsehen gesorgt. Beispielsweise gewann die Dolfinos AG 2013 den mit 50 000 Franken dotierten Start-ups-Award, und konnte damit ihre Geschäftsidee in die Tat umsetzen. Doch was genau war die preiswürdige Idee des Unternehmens? «Angefangen hat alles damit, dass ich mit Studierenden von den Zürcher Hochschulen ein Projekt begann, das den Wert interdisziplinärer Zusammenarbeit untersuchen sollte», holt der Gründer der Dolfinos AG, Michael Wiener, aus.

Zuvor war Michael Wiener noch als Professor an der Fachhochschule St. Gallen angestellt und lehrte und forschte auf dem Gebiet der Lern- und Kommunikationspsychologie. Die Forschenden hatten sich zum Ziel gesetzt, mithilfe von Experten aus ganz unterschiedlichen Feldern und mit Unterstützung von der Cambridge University, der Universität Hannover, der ETH Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz eine neuartige, individuell anpassungsfähige Stütze für das Geigen- und Bratschenspielen zu entwickeln.

Das Projekt zu Ende bringen
«Damals stand zur Diskussion, entweder zurück in die Lehre und Forschung zu gehen oder mit dem Projekt weitermache», erinnert sich Michael Wiener. «Dabei war mir klar, dass, wenn ich mit den theoretischen Ergebnissen am Ende kein brauchbares Produkt realisiere, es wohl kein anderer tun würde.» So entschied sich der Dozent, nicht länger als Hochschullehrer tätig zu sein, um seine Energie künftig in die Verbesserung und die Weiterentwicklung von Gerätschaften zu investieren, die Musikerinnen und Musikern weltweit die Arbeit erleichtern und ihre Gesundheit fördern sollen.

Diesem Entschluss folgte eine weitere Forschungs- und Entwicklungsphase, bis Dolfinos Ende des Jahres 2019 schliesslich die «All-in-One Geigenstütze», ihr erstes marktreifes Produkt, auf den Markt brachte. «Wir lancierten damit unser erstes Produkt, das wirklich sehr gut lief. Und nach zwei Monaten kam Corona. Wir konnten den Laden eigentlich gleich wieder schliessen», so Firmengründer Michael Wiener. «Glücklicherweise hatten wir uns schon während der Entwicklungszeit eine weltweite Community von Leuten aufgebaut, die sich für unser Produkt interessierten. Deshalb hatten wir zu Beginn einige hundert Bestellungen aus über 30 Ländern.» Der erfolgreiche Start mit ­lokalen Investoren, eine neue Struktur für die Dolfinos AG sowie die Notkredite des Bundes während der Pandemie verhinderten das vorzeitige Aus des Start-ups.

Vorteil Baden
Dass sich das Start-up Dolfinos im Merker-Areal in Baden niederliess, mag auf den ersten Blick erstaunen, wenn man bedenkt, dass das Unternehmen von Anfang an darauf aus war, international zu agieren. «Nachdem wir den Start-up-Preis gewonnen hatten, bekamen wir tatsächlich einige interessante Angebote. Beispielsweise von der Stradivari Foundation, die uns vorschlug, den Aufbau unseres Geschäfts in New York zu finanzieren», so Michael Wiener. Doch die Entscheidung, mit Dolfinos in der Schweiz zu bleiben, geschah durchaus bewusst. «Die Einstellung, die eine Schweizer Firma der Kundschaft gegenüber hat, ist einmalig», ist Michael Wiener überzeugt. «Und wir bekennen uns ausdrücklich zum Produktionsstandort Schweiz. So wissen wir immer genau, was wir bekommen, und können uns eng mit unseren Produzenten abstimmen.»

Ebenso war die Wahl des konkreten Standorts Baden nicht einfach einer Eingebung oder dem Zufall geschuldet. «Durch unsere technische Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz im Rahmen eines Forschungsfonds Projekts des Kantons Aargau hatten wir verschiedentlich im Aargau zu tun, und mit der AKB und einigen anderen Investoren aus der regionalen Industrie hatten wir Unterstützung aus dem Kanton. Weil Baden in der Schweiz relativ zentral liegt, für unsere Kundschaft gut zu erreichen ist und Räumlichkeiten einiges erschwinglicher sind als beispielsweise in Zürich, entschieden wir uns schliesslich, uns im Merker-Areal niederzulassen.» Des Weiteren sei Baden ein blühender Industriestandort, der eine grosse Kulturaffinität aufweise. «Am Ende sprach einfach sehr viel für den Standort Baden», fasst Michael Wiener zusammen. «Und ausserdem will ich damit beweisen, dass man als Schweizer Firma international erfolgreich operieren kann.»

Die Kinnstütze und der Notenständer von Dolfinos sollen erst der Anfang sein. (Bild: sim)

Radikale Ansätze
Inzwischen hat sich die Dolfinos AG mit ihren sechs hauptberuflich Angestellten in Baden etabliert und eingelebt. Nun konzentriert sich das Team um Michael Wiener wieder ganz darauf, das eigene Marktsegment aufzumischen und zu revolutionieren. Wie sie dabei vorgehen und welche Ansprüche das Team an die eigenen Produkte stellt, erklärt Michael Wiener anhand eines Multifunktionsständers mit dem Produktnamen «Miniput», es ist die neueste Entwicklung der Dolfinos AG. «Wir wollen Produkte entwickeln, die in ihrem Bereich alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen und die Situation für die Musikerinnen und Musiker von Grund auf verändern, wie beispielsweise ein Notenständer, der nur noch halb so viel wiegt wie frühere Modelle», stellt Wiener klar. «Wir arbeiten mit diesem radikalen Anspruch, weil ich überzeugt bin, dass man als Schweizer Unternehmen die hiesige Ingeniosität nutzen muss, um erfolgreich zu sein.»

Aus diesem Grund ist der gewichtsoptimierte neue Notenständer der Dolfinos AG nicht bloss ein Notenständer. Vielmehr ist der Teleskopständer der Dolfinos AG darauf ausgelegt, dass neben Notenheften zudem ein Smartphone oder ein Tablet direkt daran befestigt werden kann, um den Musizierenden viel Wahlfreiheit zu ermöglichen. Um dabei den eigenen Standards zu genügen, investiert das Team von Dolfinos sehr viel Zeit, um genau die Materialien und Mechanismen zu finden oder zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Musizierenden und den Belastungsanforderungen beim täglichen Gebrauch entsprechen. «Wenn man sich das fertige Produkt anschaut, ist auf den ersten Blick wohl nicht ersichtlich, wie viel Zeit und Arbeit tatsächlich in die Auswahl und die Entwicklung der einzelnen Elemente geflossen sind», sagt Stefanie Albers, die seit gut einem Jahr als Ingenieurin bei Dolfinos tätig ist. Dazu gehören umfassende Simulationen und Tests, denen neue Produkte in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie und der Forschung unterzogen werden.

Vorausschauend planen
Mit bahnbrechender Technik, vorausschauender Planung und erstklassigem Service will Michael Wiener die Dolfinos AG zum internationalen Erfolg führen. «Man darf vor allem im Bereich von Hardware nicht naiv sein», gibt Michael Wiener zu bedenken. «Gerade solche Produkte wie unsere werden früher oder später nachgeahmt.» Um der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein, hat das Dolfinos-Team bei der Entwicklung neuer Produkte stets den nächsten Schritt im Hinterkopf. «Diese zwei kleinen Löcher im Notenständeraufsatz sind beispielsweise momentan noch zu nichts zu gebrauchen. Dort wird man aber in Zukunft unser Beleuchtungssystem montieren können, an dem wir gerade arbeiten», sagt Michael Wiener erfreut.

Noch befindet sich das Unternehmen in der Aufbauphase und hat vorerst lediglich moderate Wachstums­erwartungen formuliert, obwohl man bei der Dolfinos AG fest an den Erfolg der eigenen Entwicklungen glaubt. «Unser Produkt wird einschlagen und den Markt erobern», ist Michael Wiener überzeugt. «Die Frage ist lediglich, innerhalb welcher Zeit uns das gelingen wird. Der Verkauf der ersten Serie unseres ultraportablen Notenständers hat gerade erst begonnen.»

dolfinos.com